Vom verlorenen Auspuff und Kaviar im Hofbräuhaus

Donnerstag GPS sollen ja an der Berliner Funkausstellung das Thema gewesen sein. Die Kirchlichen haben zwar aufgeschrieen: «EINE SÜNDE SO ETWAS? NOCH IMMER ZEIGT ER ALLEIN DEN RICHTIGEN WEG!»
ER sind nun Millionen von GPS-Stimmen.
Innocent wird auf alles heiss, was einen Computerchip, Schrauben und tausend Gebrauchsanweisungen hat. Seine Eltern haben ihm als Kind den Megano-Baukasten verweigert. Nun holt er nach. Gottlob hat er sich nie für den kleinen Hauschemiker interessiert. Sonst hätten wir jetzt ein Atomkraftwerk im Garten.
Seit Basel nervt mich diese Computerfrau also bei jeder Abzweigung: «Fahren Sie gerade aus!» Dabei brettere ich auf der Autobahn. Und weiss genau, wo München liegt. Um hier meinen Weg zu finden, brauche ich weder den Papst noch diese Kleinstbildschirm-Tussi.
Innocent stiert fasziniert auf die Minischeibe: «Nach drei Kilometern zeigt es hier eine Abzweigung... da musst du gerade aus...»
Neben uns: liebliche Kühe... Berge im Abendrot... ein friedliches Kloster.
HAT ER KEINE AUGEN FÜR!
Nur die «Extras» auf diesem vermaledeiten Apparätchen können ihn begeistern. «Geh sofort von der Autobahn. Das GPS gibt einen Stau an...»
SOLL ICH MICH VON DIESEM ZWERGENAPPARAT TYRANNISIEREN LASSEN? Reicht es nicht schon mit der schweren Bürde, die mir das Schicksal hier auf den Nebensitz gebunden hat! Ich fahre gerade aus. Und: «STAU... NEHMEN SIE DIE NÄCHSTE AUSFAHRT...» Das war die aus dem All gesteuerte Wegweiser-Zicke.
Natürlich lasse ich mir weder vom Nervenbündel links, noch vom eingebauten (und im Preis inbegriffenen) Navigationssystem irgendetwas vorschreiben. ICH BIN JA NICHT BLÖD! Also jagt die Kiste an der Ausfahrt vorbei? UND DAS THEATER HÄTTET IHR ERLEBEN SOLLEN!
«RAUUUUUS, habe ich gesagt!»? so der Herr daneben.
«WENDEN SIE DAS FAHRZEUG... WENDEN SIE DAS FAHRZEUG...», so die Frau im Kästchen. Wenn ich gereizt bin, bekomme ich stets einen schweren Fuss. Meine Nerven vibrieren. Umwelt, Benzinpreis und Geschwindigkeitsbegrenzungen sind jetzt egal.
Schon winkt die Kelle mich rechts raus.
«DAS HAST DU DAVON!», jault Innocent.
Und: «WENDEN... BITTE WENDEN...», rät die Frau aus der Kiste.
Der Polizist tippt sich an den Hut: «Bitte Ihren Ausweis!»
Es war die erste menschliche Stimme seit zwei Stunden. UND DIES VON EINEM GESETZESHÜTER IN GRÜN! Super. Du fühlst dich mitten ins Abendprogramm der Rosenheim-Cops gebeamt! Es stellte sich heraus, dass ich den Auspuff verloren hatte. Zumindest einen Teil davon.
«Sie müssen doch das Geknatter gehört haben...? », meinte der Polizist.
JA, HALLO? der hat null Ahnung. Soll er doch mal bei einem zeternden Beifahrer und einer auf höchste Lautstärke gestellten Computergelle einen verlorenen Auspuff raushören!
Und weshalb gibt dieser Scheisscomputer kein Signal: «BEI IHRER KARRE IST DER AUSPUFF AM ARSCH!» Oder eben: nicht mehr am Arsch. Da ich schon als Kind alle Tanten sowie die Kindergartenfrau mit meinem Charme flachlegen konnte, lagen drei grüne Männchen vier Minuten später unter der Karre. Der Auspuff wackelte zwar? «? aber bis München reichts», wurde ich charmant wieder auf die Fahrbahn entlassen. Es kam noch zwei Mal: «Bitte wenden.» Dann steckten wir im Stau.
Es war das erste Mal seit 39 Jahren und acht Monaten, dass Innocent nicht sagte: «Ich habs ja gleich gesagt!»

Freitag In unserem Hotel, wo ich schon mit meiner lieben Mutter die «Vier Jahreszeiten» von München genossen habe, waren wir die einzigen Gäste mit einem abgebrochenen Auspuff. Beim Eingang fuhren nur Maseratis, dieser neue Rolls- Royce-Typ und hin und wieder ein Ferrari vor. Alle Autos hatten arabische Nummernschilder.
Gebannt schaute ich zu, wie die verschleierten Frauen es schafften, ihren Kuchen hinter den Vorhang zu gabeln. Irgendwie wars, wie wenn wir als Kinder verbotenerweise unter der Bettdecke Mickeymouse lasen.
«Komm? wir gehen jetzt zum Bier!», brummte Innocent leicht genervt. Als der Portier den Autoschlüssel mindestens so angeekelt in Empfang nahm, als wäre es ein durchgeschneuztes Kleenextuch, baute mein lieber Freund die Krise:
«Wenn man hier nicht mit einer eigenen Ölpipeline anfährt, wird man als Frosch taxiert!»
Im Hofbräuhaus haben dann Japanerinnen in bayrischen Trachten die Humpen gestemmt. Die Kundschaft war vorwiegend russisch. Sie bestellte iranischen Kaviar und österreichische Palatschinken.
Doch keine Stimme da, die sagt: «Bitte wenden... bitte wenden...»

Donnerstag, 18. September 2008