Vom Safran in Khan al-Khalili und Vaters Klingelfee

Donnerstag Natürlich wusste ich, dass der Safran-Händler mich übers Ohr hauen würde.
MAN MUSSTE NUR IN SEINE LISTIGEN ÄUGLEIN SCHAUEN UND KAPIERTE GLEICH: DER DREHT DIR AUCH EINE COCA-COLA-SCHERBE ALS ANTIKEN GÖTTERSCHMUCK AN!
Ahmed zog mich einfach weiter, so wie diese ungeduldigen «Er macht doch nichts, er will nur spielen»-Hundemuttis ihre schnüffelnden Dackel von den Bäumen wegreissen.
ABER ICH LAUFE MIR JA IN KAIROS KHAN AL-KHALILI NICHT DIE HAXEN KRUMM, UM OHNE ÄGYPTISCHEN SAFRAN HEIMZUKOMMEN.
Klar ist: Für Safran braucht keiner an den Nil zu reisen. Safran gibts im Oberwalliser Örtlein Mund besser duftenden, ja den kostbarsten überhaupt!
Und als mir dann dieser bärtige Mufti für ein fliegendreckkleines Häufchen von den rostgelben Fäden so viel verlangen wollte, wie der moderne Tourist heute für eine Mondfahrt hinlegt, da habe ich ihm aber mal zünftig die Meinung gehustet. Natürlich hat der Gewürzhändler kein Wort verstanden, aber ich habe mit den Jahren meines babylonischen Alters gemerkt, dass es immer eine grosse Wirkung bringt im Ausland unverfroren auf Baseldeutsch seine Wut rauszulassen. Sie schauen dich an, als kämest du von einem andern Planeten (und das kommst du ja auch), sind dann leicht verwirrt, wenn nicht gar etwas verängstigt und gehen sofort auf deine Wünsche ein.
«Very... very... precious...», versucht der Mann noch einmal seine vertrockneten Gewürzhärchen zu verteidigen. «Papperlapapp!»
«Yes, yes», nickt er ehrfurchtsvoll.
Ahmed ist meine Preisdrückerei so peinlich wie Innocent, wenn ich manchmal in einem Restaurant mit den Fingern die Eiswürfel aus dem Orangensaft knüble und dem Kellner Order gebe, das Glas nun wieder aufzufüllen? ich hätte Orangensaft und kein Eis bestellt.
ABER MEINE LIEBEN? WIR MÜSSEN UNS DOCH NICHT FÜR BLÖD VERKAUFEN LASSEN, SONST PASSIEREN IMMER WIEDER SOLCHE DUMMEN SACHEN, WIE MIT DEN BANKEN? Ihr wisst schon, was ich meine...
Irgendwie habe ich erwartet, der Gewürzhändler würde nun in die Hände klatschen. Einen Bediensteten herbeirufen. Und diesen nach Tee schicken, damit wir um den Safran gemütlich feilschen könnten.
ABER DAS IST IN EINEM ANDERN FILM.
Hier nimmt mich der Mufti wütend bei den Armen. Ich habe seinen Safran («verregnetes Stroh hat mehr Geschmack!») beleidigt. Natürlich gehört Khan al-Khalili für den Touristen zu jedem Kairo-Trip wie der Kamelritt um die Pyramiden und das Ansaugen der Wasserpfeife in einer der Kaffeestuben.
Schon vor fast einem halben Jahrhundert hat mich meine vielreisende Mutter hierhergezerrt und erklärt, sie brauche das Pulver eingetrockneter Krötenviper-Leber. Nur das könne meinen Vater aus dem Zauber dieser Knipszangenhexe befreien.
Klartext: damals gabs in Basel noch Hexen und Billetteusen. Mutters Kummer war beides? und dieser Hexenbesen von Schaffnerin war zudem auf meinen unschuldigen Vater scharf. Jedenfalls war die Gattin des Opfers überzeugt, ihr Ehemann sei dem Zauber der Klingelfee erlegen. Und da half als Gegenstoss nur die zerbröselte Leber einer Viperinae Causinae. Das bekam damals noch keiner im Media-Markt oder bei Hieber. Das bekam frau nur im Khan al-Khalili.
Jedenfalls schleppte die liebe Mama ihr schönstes Kind in den Suk. Und neben gestampftem Curry sowie geröstetem Kardamom wurde auch die pulverisierte Viper-Leber eingekauft.
Vater blieb dann allerdings weiterhin auf die Knipszangenhexe heiss, aber dafür gabs nun jeden zweiten Sonntag statt der Rahmschnitzel mit Nudeln ein Riz-Casimir mit der Currymischung aus Khan al-Khalili.
An all das habe ich denken müssen, als mir der Gewürzhändler hinter seinen vielen Säcken, deren Duftgemisch einen so benebelte, wie der üppige Weihrauch rund um die Familie Ratzinger, den Safran auf die Goldwaage legte. Er machte ein Riesentheater um die paar wenigen Härchen, als hätte er sie eigenhändig vom Teufel und seiner Grossmutter gezupft. Und obwohl der Preis durch mein keiffendes Feilschen so runtergefallen war, wie eine UBS-Aktie in der letzten Rechnungsperiode, muss ich die Sache dennoch kräftig überbezahlt haben? der Alte schenkte mir nämlich noch eine Handvoll Pfefferkörner sowie ein Säcklein Curry aus Südindien.
«Für dieses Geld hättest du den halben Bazar kaufen können!», meckerte Ahmed pausenlos auf dem Heimweg. Ich begann mich zu fragen, ob es eigentlich Sinn macht an den Nil zu fahren, um dasselbe Lamento zu hören, wie zu Hause am Rhein.
DA BIN DANN ICH WIEDER MAL AUF BASELDEUTSCH AUSGERASTET.
Und es war Ruhe!
Eine Woche später haben sie mir am Zoll von Rom die kostbaren Safranfäden abgenommen.
«Haschisch ist auch für den Eigengebrauch nicht erlaubt», schimpfte der Zollchef.
Manchmal hilft Baseldeutsch eben doch nicht weiter. Immerhin: den Curry durfte ich behalten.
Am Sonntag gibts Riz Casimir.

Donnerstag, 23. April 2009