Vom Kaminfeger und wenn die Vögel rückwärts fliegen...

Mittwoch An diesem Tag flogen die Vögel rückwärts!
ES GIBT MOMENTE, WO DIE WELT SICH VERKEHRTRUM DREHT UND DER KAMINFEGER ALLES BÜRSTET, NUR NICHT DEN KAMIN!
Na ja? das war so ein Tag.
Ich liebe Kaminfeger. Ihr Schwarz macht mir den Tag. Wenn ich dem lustigen Russmann begegne, tatsche ich ihn eifrig ab. Danach streiche ich mir seinen Russ hinter die Löffel. DAS SOLL GLÜCK BRINGEN!
Tante Hubertine (sie litt unter ihrem Namen, weil er zeigte, dass die Eltern lieber einen Sohn gehabt hätten und eine Geschlechtsumwandlung kurz nach dem Ersten Weltkrieg eben doch noch schwieriger war als heute, wo so etwas hurtig wie mit A-Post geht...), Tante Hubertine also griff sich aus Aberglaube auch stets hinters Ohr. Immer wenn die Schussel-Trine am Tisch Wein verschüttet hatte, fuchtelte sie mit wedelnden Fingern über das feuchte Tischtuch und drückte sich das Nass hinter die Ohren. «DAS BRINGT GLÜCK!», flötete sie.
«Und mir einen roten Fleck in den Damast», müffelte Mutter, die Hubertine eh lieber als handfesten Hubert gesehen hätte.
Die Tante nämlich war auf dem sehr fraulichen und sehr nervigen Esoterik-Trip. Sie behing sich mit Steinen, die den Kreislauf an? und das Zipperlein abregen sollten. Überdies schrie sie Zetermordio, wenn vor ihr eine schwarze Katze von links her über die Strasse lief. Und sie machte das Zeichen gegen den bösen Blick (Mittelfinger über Zeigerfinger kreuzen!) wenn zwei Nonnen ihren Weg kreuzten.
Nun muss ich das mit dem Kaminfeger und dem verschütteten Wein irgendwie durcheinandergebracht haben? jedenfalls hatte ich an jenem Morgen, als ölig schwarze Tritte zeigten, dass der flotte Feger auf grossem Fuss zu leben pflegt, Schwarzes hinter dem Ohr.
Auf meinem Herd liefen die Pfannen auf Hochtouren, da wieder mal ein Benefiz-Essen auf dem Programm stand. Dutzende von Sole-Filets mussten um Mangostücke gerollt und eine Sauce aus Krabben und Zitronengras mit einer Prise Curry reduziert werden. Schliesslich kam alles in Schüsseln und Töpfe, weil das Essen im Zoo-Restaurant stattfand. Innocent, diese gute Seele, half mir die Fisch-Rollen ins Auto zu tragen: «Du solltest noch deine russig schwarzen Ohren waschen... », meckerte er. Und wollte die Adresse des Kaminfegers.
So versuchte ich während der Fahrt mit einem Kleenex und viel Spucke den glücksbringenden Russ hinter den Ohren wegzuzwingen.
DA KAM DIE KATZE!
Natürlich von links. Für eine Hundertstelssekunde dachte ich an Hubertine und ihre Prophezeiungen.
FUSS AUF DIE BREMSE.
Die Katze jagte davon? UND MIR JAGTEN 4 LITER FISCH-SAUCE SAMT KRABBENSTÜCKCHEN UND CREVETTEN INS HAAR!
Natürlich haben wir bei der Ankunft im Restaurant hurtig das Auto mit Tüchern ausgerieben. Aber wir waren in Zeitdruck. Und obschon meine Freundin Catherine dann noch dieses Geschirrwaschmittel nachsprühte, das nach Zitronen und Chlor duftet, wusste ich: MAN REIBT SICH DAS RUSSIGE GLÜCK NICHT VON DEN OHREN WEG!
Es braucht hier kein esoterisches Knowhow, um zu spüren, dass es vermutlich besser gewesen wäre, die Katze wär mause... der Tierschutzverein möge solche Gedanken verzeihen!
Als ich nach sechs Stunden Pfannenrücken (der Saucenrest, den wir zum Teil von den Polstern gekratzt hatten, musste mit Kokosmilch und Martini Bianco gestreckt werden)? als ich nach sechs Stunden Kocherei dann wieder ins Auto zurückschlich, traf mich dort ein Dufthammer der schrägsten Art: im Innern miefte es derart penetrant, wie in einer Fischhalle am 12. Tropentag.
Der intensive Geschmack von liegengebliebenen Curry-Crevetten hatte sich mit Chlor und Abwaschmittel vermischt? ein Geschmackserlebnis, wie man dies höchstens noch bei der cuisine moléculaire in Würfelchenform eingegeben bekommt. Ich band mir ein Taschentuch um die Nase. Und fuhr mit offenen Fenstern heim. Als wir an einem Rotlicht anhielten und eine fröhliche Gesellschaft im Nachbarauto die Scheiben runterkurbelte, um nach dem Weg zum Bahnhof zu fragen, da wurden die Leutchen schlagartig stumm.
JA HALLO. Die machten gegen mich das Zeichen, wie Hubertine gegen die Nonnen. Zu Hause habe ich per Internet sofort eine Fracht mit Dufttännchen bestellt. Als diese nichts brachten, habe ich später den Wagen zum Leichenbestatter gebracht. Die haben dort so ein Mittel gegen spezifische Gerüche.
Am andern Tag äugte Innocent missbilligend auf mein Ohr: «Es hat immer noch Russ dran... und irgend etwas stinkt hier ganz schrecklich nach altem Fisch...»
Wie gesagt? es gibt Tage, da fliegen die Vögel rückwärts.

Donnerstag P.S. Über den 13. hat Hubertine auch einiges zu unken gewusst.
AUFGEPASST? HEUTE IST DER 13.!
Doch morgen kommt irgendein Kaminfeger? UND ALLES WIRD GUT (nach Frau Ruge).

Donnerstag, 13. November 2008