Vom gespickten Rindsbraten und der Sauce?

Donnerstag «Gespickter Braten! Mach doch einfach einen gespickten Braten?!»
Das mit dem Braten ist Isabel. Und Isabel? man ahnt es? ist Redaktorin auf einer dieser Seiten, welche uns aufs Essen heiss machen sollen.
WEISS DER TEUFEL, WESHALB REDAKTIONEN BEIM ESSEN IMMER AUF MICH KOMMEN. Da hält sich die Freude des Schreibers etwa ähnlich in Grenzen wie bei Reich-Ranicki, wenn er einen Fernsehpreis kriegt.
O.K. Essen ist schön. ABER KOCHEN? Dann noch gespickten Braten!
JA, DA HAST DU DEN SALAT!
Ich habe keine sonnigen Erinnerungen an diese Art des speckdurchzogenen Rinds. IM GEGENTEIL. Die Nostalgie ist hier gespickt mit Schauerlichem. Die Konsistenz des Spickbratens beispielsweise kam derjenigen eines abgetragenen Bergschuhs sehr nahe. Oder nein: Der Bergschuh war etwas zarter. Und ich verstand die Kembserweg-Omi nur allzu gut, die freundlich auf das Fleisch verzichtete und dafür die Hälfte der Sauce über den Kartoffelstock kübelte. Sie schwärmte mit schaukelnden Zähnen vom «Seelein», das jedem Stock die Krone aufsetzen würde.
Dann grinste sie auf den Stockzähnen und warf Mutter einen maliziösen Blick zu: «Besonders bei Kartoffelstock, der nie auch nur ein Häuchlein von Butter gesehen hat?»
Die Omi ass also nur das pflaumenweiche Püree.
Wir aber kauten uns würgend durch den zähen Gespickten bis uns die Augen wie Weihnachtskugeln aus dem Gesicht standen.
Vater rügte leicht gereizt die brave Bräterin: «Entweder hat dieses Rind schon das Jesuskindlein in den Stall begleitet, oder du hast das Ganze vier Stunden zu wenig lang gekocht, Lotti!»
Darauf kochte die Mutter. Und zwar Volldampf. Die Omi hatte ihr mit der Bemerkung betreffs fehlender Butter schon das Anheizefeuer geliefert. Nun fiel ihr der Ehemann auch noch in den ohnehin schon schwer beladenen Rücken: Sie habe es satt, für diese undankbare Familie tagein, tagaus den Trottel zu spielen. Sie sei schliesslich kein Hotel. Und wenn dies da zufällig jemandem nicht passe, soll diese Person Leine ziehen und sich ins Restaurant verkrümeln.
Also zogen wir von dannen. Und zwar zu Loppacher in diese Quartierbeiz, wo Vater nach der letzten Sechsertram-Tour jeweils sein Bierlein reinflötete. Nach dem Dritten eben diesem hüpfte er dann auf den Stammtisch. Und gab den Vogelhändler: «Ja lustig, heissa, hopsassa.»
Der gespickte Braten war bei Loppachers allerdings auch nicht zarter. Aber da mein Vater die Serviertochter ins Weiche kneifen und ich an der Juke-Box «Stägeli uff, Stägeli ab? jucheee» drücken dufte, blieb die Welt in Ordnung.
UND NUN ALSO ISABEL: «MACH MIR DEN BRATEN!»
Ich winde mich wie der Zapfenzieher: «Könnten wir nicht wieder mal einen Kabeljau an Limettenbutter und?»
«DEN BRATEN! UND ZWAR NACH GROSSMUTTERART?»
Na bravo? die Omi ist tot. Und gespickten Rindsbraten hatte sie eh nie drauf. Da waren ihr die Drittzähne zu kostbar. Oma war der klare Hackfleischküchlein- Typ? die Vorgängerin von McDonald?s quasi. Nur ketchuplos.
In meiner Verzweiflung rufe ich also Lorenz an. Lorenz ist Fleischfachmann. Und kennt jede Kuh auf Du.
«Ich brauche einen zarten Rindsbraten. Gespickt. Gibt es so etwas überhaupt??» «Pure Simmental!»
Meine Temperatur steigt: «Ich will nicht das Simmental. Ich will einen Braten und?»
«Pure Simmental ist die köstlichste Fleischlinie zwischen Mars und Thun. Jedes Rindlein hat seinen Eigennamen und einen Personal Trainer. Oder anders gesagt: Bei Pure Simmental ist auch der härteste Brocken weich wie Butter? haben wir uns verstanden? »
Sie haben mir dann (wie einst Huldi seine Bänder durchs Haar) den Braten mit schneeweissen Speckseilen durchzogen (bei Huldi wars natürlich kein Speck. Nein. Kunstseide). Den Rest hatte ich zu besorgen: Ingwer, Rotwein, Fleischbrühwürfel, Rosmarin, Zwiebeln? man kennt es ja?
Um sicherzugehen, habe ich gleich vier Braten bestellt. Und mit den ersten beiden einen Probegalopp (im sprichwörtlichen Sinne) gestartet. Nummer eins sah dann aus wie Tante Auguste, wenn sie zu lange an der Sonne geröstet hatte: geschrumpfelt und leicht angebrannt.
«Du Depp hast zu wenig Flüssigkeit reingegeben! Der Braten muss in der Sauce schwimmen?»
Das war Lorenz.
Also leerte ich Innocents Weinkeller? und den Roten ans Rind.
Nun sah die Sache schon schöner aus. Allerdings hat der Rotwein die marmorweissen Speckbänder braun gefärbt. Das sah etwas prekär aus? so als hätte jemand Kakao aufs Parkett geschüttet. «Nimm Weisswein und Brühe», bellte Lorenz telefonisch Ratschläge durch.
Den vierten Braten haben wir dann in Hochglanz fotografiert. Als ich Isabel jedoch ein Stück davon abschneiden wollte, winkte sie ab: «Ich esse nur Stock und Sauce.»
AHA.
Gespickte Rindsbraten werden nur wegen der Sauce gemacht!

Donnerstag, 30. Oktober 2008