Offene Partnerschaft

«Ich kann nicht mehr!»? Rolf stand vom Tisch auf. Vor ihm funkelte die Papierkrone auf dem Königskuchen. «ICH HABE DAS ALLES SO SATT.»
Er schaute Hilde an: «Entschuldige bitte. Aber ich glaub, das wars!» Dann verliess er das Haus. «Nimm wenigstens den Hund mit...», rief Hilde ihm nach.
Stunden später fand sie heraus, dass der Wegzug geplant gewesen war. Unterhosen, Hemden, Zahnseide? alles weg. Nur das Aftershave stand noch moosgrün vor dem Badezimmerspiegel. Hilde knallte die Flasche auf den Boden: «RIESENARSCH!»
Dann putzte sie die Scherben zusammen. Und weinte.
Sie waren eines dieser modernen Pärchen gewesen. «Offene Partnerschaft», nannten sie es. Im Klartext hiess das: Jeder bumste nach links und rechts. ABER: gemeinsame Buchführung über Toilettenpapier und Olivenöl. Ehe war kein Thema. Beide verdienten gut. Beide waren unabhängig. Beide kinderlos. Eines Tages brachte er Shorty heim? einen winzigen Kurzhaardackel: «Unser Dackelkind...», lachte er.
Sie lachte nicht. Sie wusste, dass die ganze Verantwortung für den Winzling nun bei ihr lag. Tagsüber kam Shorty zu einer Hundetagesmutter. Vor dem Zubettgehen war es dann Hilde, die mit ihm nochmals auf die Hundeanlage ging. Mit den Jahren wurde Shorty träge? der Vorgarten genügte. UND NUN WAR SHORTY SO ETWAS WIE EIN SCHEIDUNGSHUND.
Hilde setzte sich an den Tisch, auf dem die leere Tasse von Rolf stand. Ihr Nespresso war eiskalt. Sie schniefte. Drückte eine frische Kapsel ein. Und gab dem Hund gedankenverloren ein Stückchen vom Königskuchen.
Meistens war Rolf der König gewesen. Er hatte da einen Trick. Aber Hilde war ihm nie auf die Schliche gekommen. Und dann musste sie ihm stundenlang die Füsse massieren und ihn am Rücken kratzen.
«Du Drecksau!», jaulte Hilde nun. Der Hund jaulte mit. Er krümmte sich. Versuchte zu kotzen. Schnappte nach Luft... «SHORTY!» Im Tierspital operierten sie den König aus dem Dackelrachen. «Da ist ja der Übeltäter...»? der Arzt streckte ihr das weisse Figürchen mit der Pinzette hin. Nun heulte Hilde wie ein Schlosshund.
«Na, na? so schlimm war es nicht!», beruhigte sie der Veterinär, «aber für Hunde: keine Pouletknochen. Und keine Königskuchen...» Hilde schneuzte sich: «Ja klar. Es ist auch gar nicht der Hund... Es sind die Nerven. Mein Freund hat mich verlassen und...» «Ich heisse Max», lächelte der Tierarzt. «Hilde», schnüffelte sie. Als Rolf nach drei Monaten wieder ins Haus kam, spielte da ein Mann mit Shorty. «Das ist Max...», nickte Hilde ihrem Ex zu, «... er hat dem Dackel das Leben gerettet...» Rolf stierte etwas ratlos auf den Mann, der einen kleinen Gummiball in der Wohnung herumwarf und ihn von Shorty adoptieren liess. «Du hast mir gefehlt...», sagte nun Rolf und nahm Hildes Hand: «... das Ganze war ein schreckliches Missverständnis!» Max schaute den Dackel streng an: «Nun ist aber Schluss, Shorty... Papi muss sich um den Gast kümmern!» Dann holte er einen dritten Teller aus dem Küchenschrank: «Ich habe eine Lasagne im Ofen... Du isst doch mit uns...?!»
Später meldete sich Rolf aus dem Bad. «Wo ist denn mein Aftershave, Hilde...?» «Nimm meines», rief Max, «... wir sind da ganz unkompliziert... eine offene Partnerschaft.»

Montag, 7. Januar 2013