Von den Ess-Sitten und dem Tafelspitz...

Illustration: Rebekka Heeb

Die Torten schmecken süsser.

Die Schnitzel sind grösser.

Und die Beizenrechnungen kleiner.

VOR ALLEM: SIE SERVIEREN UNS DIESE FREUNDLICHKEIT, DIE AUCH BEI VIRUSKRISE UND NIESELREGEN DIE SONNE STRAHLEN LÄSST. A DISTANCE - ABER LIEBENSWERT.

Sorry, ich liebe die Österreicher.

Auch wenn es mir auf den Wecker geht, dass sie vor meiner Nase die Grenzen schliessen. Und auf den Skipisten meistens die Pokale abräumen.

Erschienen am: 
Dienstag, 24. März 2020

Mit Hammer und Cannabis

Es war drei Uhr morgens.

Rosa knallte den Hammer gegen die Scheibe. Die Scheibe war neu.

Rosa nicht. Sie hatte eben den 79. Geburtstag hinter sich.

ES KLIRRTE. UND ROSA WEIBELTE, SO SCHNELL SIE KONNTE, ÜBER DIE STRASSE.

Sie hatte ihre Haustür offen gelassen. Also: nichts wie rein! UND VOR ALLEM: KEIN LICHT!

Rosa lehnte sich im Dunkeln an die Gangwand. Ihr Herz hämmerte wie eine Nähmaschine: dlagg... dlagg... dlagg.

Erschienen am: 
Freitag, 20. März 2020

Vom unterdrückten Husten und vier Fiebermessern...

Illustration: Rebekka Heeb

Borbala schickt mir ein SMS:

«NICHT KOMMEN, BITTÄSEHR. Vorher missen von Doktär untersuchen lassen und Zaignis schicken »

(Borbala ist meine neue Wiener

Hausmeisterin - ein ungarischer Hexenbesen mit dem grellen Aschblond einer Marilyn Monroe. Nur hat Borbala die Haare auf den Zähnen).

Und Pech für Borbala - denn ich bin schon unterwegs. Und zwar in München.

Seit Fasnacht plagt mich eine miese Bronchitis.

Ich werde durchgerüttelt wie der Baum im Sturm.

Erschienen am: 
Dienstag, 17. März 2020

Thomas Straumann: «Ich wollte ein Hotel für die Basler»

Foto: Lucia Hunziker

Er ist scheu. («Bin ich mir nicht bewusst.»)

Zurückgezogen.

Und mag kein Scheinwerferlicht...

Persönliche Interviews gibt er eh keine.

SAGT MAN.

ICH VERSUCHS TROTZDEM.

Immerhin hat er mir mein Lieblings-Hotel neu aufgebaut. Wie einen Zahn hat er es ausgehöhlt. Frisch gefüllt. Und perfekt poliert.

Er hat somit Basels schönstes Haus am Rhein vor irgendeiner China-Mafia oder den arabischen Scheichen gerettet. Und den Baslern ein Stück Heimat bewahrt.

Erschienen am: 
Samstag, 14. März 2020

Von Bettsocken und dem jüngsten Fotomodell...

Meine Kinderzeit verlief krisenfrei. Seuchenfrei. Panikfrei. Ich meine: Normalo-Welt. Die Frauen der Vaterseite strickten. Irgendwie gehörten die tickernden Nadeln zu ihnen wie der hausgebackene Zopf zum Sonntag. Die Kembserweg-Omi klapperte ihr Nadelspiel auf dem Sofa. Ihre Finger wuselten über die Maschen. Sie zählte laut vor sich hin. «Wie soll sich da einer auf die Börse konzentrieren!» - knurrte Carlotta am Tisch. Meine Mutter hockte vor riesigen Papierbögen. Mit einem Rotstift kreiste sie Zahlen ein. Und betrieb ihr Aktien-Monopoly.

Erschienen am: 
Freitag, 13. März 2020

Das Kostüm

«Huuugi - welches Kostüm nimmst du für dein Zyschtigs-Ziigli?»

Luggi stand stirnrunzelnd im Bügelzimmer - den Fasnachtskasten weit offen. Sie war sauer. Der Kasten überquoll an bunten Kostümen.

Gestern noch hatte sie zu ihrer Freundin Irma am Telefon gestänkert. «Bei mir dreht er jeden Rappen um. Aber für die Fasnacht werden die Räppli mit beiden Händen rausgeworfen. Jedes Jahr ein neues Kostüm. Dann noch eines für den Zyschtig - und mir vergällt er ein neues Gucci-Deuxpièces...»

Erschienen am: 
Freitag, 28. Februar 2020

Von einer türkischen Kostümschneiderin und den «Spatzehirni»

Illustration: Rebekka Heeb

Azra nahm einen Schluck vom dampfenden Tee. Sie hatte ihn mit drei Löffeln Honig gesüsst.

Dann schaute sie zum Foto auf dem Buffet: ihre Eltern. Fein gerahmt. Schmal. Aber Silber. Davor: eine getrocknete Rose. Und eine flackernde Kerze.

«Ich darf nicht krank werden, Ana - die Kleider müssen fertig sein. Es ist ihr grösstes Fest!»

DIE MUTTER LÄCHELTE VERSTÄNDNISVOLL. SO WIE SIE IMMER VERSTÄNDNISVOLL GELÄCHELT HATTE. DER VATER SCHAUTE GRIMMIG - ALS MACHTE IHM WIEDER DIE MILZ ZU SCHAFFEN.

Erschienen am: 
Dienstag, 25. Februar 2020

Die Mehlsuppen-Probe

schaute Martin lange an: «Ich bringe das nicht!»

Tiefer Seufzer: «Deine Mutter findet mich eh das Letzte. Keine, die nicht in ihren Kreisen schwimmt, kann diese Mehlsuppen-Probe bestehen...»

Vorgeschichte: Anke kam als deutsche Studentin aus Berlin nach Basel. Auf der Uni traf sie erstmals Martin - bei beiden Schlug der Blitz ein.

Aber eben - als der Sohn seine künftige Braut ankündigte, herrschte Stille im kühlen Esszimmer.

Dann: «Was ischs fir e Gebooreni?» (deutsch: AUS WELCHEM STALL KOMMT SIE?)

Erschienen am: 
Freitag, 21. Februar 2020

Vom ersten Morgestraich und von Eltern, die es nicht draufhatten...

Illustration: Rebekka Heeb

Mein erster Morgestraich verbrachte ich auf dem Rücken meines Vaters.

Ich war vier. Wir standen in der Aeschenvorstadt. Ernst, der Billeteur meines Vaters, war Pfeifer bei der Lälli. Und die marschierte beim Goldenen Sternen ab.

ERNST WAR DER EINZIGE AKTIVE PFEIFER, DEN VATER KANNTE. BEIM THEMA FASNACHT WAR DER SECHSER-TRÄMLER NÄMLICH STUR WIE DIE SCHIENEN, AUF DENEN ER FUHR: «Männer in Frauenfummeln? Ja, wo gibts denn so etwas?! SICHER NICHT BEI UNS!»

Wie so oft im Leben hatte sich der Vater getäuscht.

Erschienen am: 
Dienstag, 18. Februar 2020

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