Silvio Denz

«Die Cüpli-Medien können es mir nicht»
Natürlich erwarte ich ihn mit Wagen. Samt standesgemässem Chauffeur.
Silvio Denz ist immerhin einer der 100 reichsten Männer der Schweiz.
Er hat der Queen zur Jubiläumsfeier seinen Bordeaux ausgeschenkt. Und liefert Karl Lagerfeld seine grossen Lalique-­Kelche, damit dieser daraus seine Cola Zero schlürfen kann. Yves Klein hat für ihn ein gläsernes, blaues Kunstwerk kreiert – Mario Botta einen Weinkeller, eine stilistisch ausgetüftelte Weinkathedrale, die mitten in den sanften Hügeln von St-Emilion schon fast ein Monument für Denz, ­Botta und die erlesenen Tropfen von St-Emilion geworden ist.
Ich äuge neugierig über die Kunsthallentische – UND DA ROLLT SILVIO DENZ MIT SEINEM WAGEN PÜNKTLICH AN. Dabei handelt es sich allerdings um ein leicht hampelndes Rollköfferchen mit aufgeschnalltem Mantel.
Die Erklärung kommt prompt: «Ich bin mit dem Zug aus Zürich gekommen. Und nehme nach unserm Essen die SBB nach Genf …»
Später erfahre ich, dass Zürich und Genf nur kurze Zwischenstationen sind. Denz kam von London. Und muss weiter nach Singapur. Er zeigt auf den Roll­koffer: «D a s ist eigentlich mein Zuhause – ich habe zwar überall ein Domizil. Aber ich schlafe kaum länger als zwei Nächte am selben Ort …»
Er gibt nicht das klischeehafte Bild des «reichen Sacks». Kein Bauch. Keine Zigarre. Kein Siegelring am kleinen Finger. Nein. Er wirkt unscheinbar. Fast grazil. Und er sieht genauso gut aus wie die Männer auf diesen Plakaten, die einst für seine Düfte Werbung gemacht haben.
Kein Zweifel – Silvio Denz ist ein ­Ästhet, ohne krampfhaft asketisch zu wirken.
«Ich ernähre mich bewusst. Viel Fisch. Das mag ich. Und wenns sich machen lässt, kein Essen nach 19.00 Uhr. Überhaupt: Wenn ich nicht an ein Dinner muss, gibts eine Insalata Caprese. Etwas Kleines. Leichtes.
In allen meinen Häusern gibts einen Trimmraum. Ich stehe täglich zwischen fünf und sechs auf. Dann wird gefittet. Da bin ich richtig süchtig danach. Wenn ich mal einen Tag nicht kann, bin ich mies drauf …»

Silvio Denz ist ein Kosmopolit – hat aber die Wurzeln in der Region Basel.
«Ich bin als kleiner Bub in Binningen aufgewachsen. Dann hat mein Vater das alte Bauernhaus meiner Vorfahren im Fricktal gekauft. Und es umgebaut. So bin ich in der Natur, nahe am Wald, auf­gewachsen – es gibt nichts Schöneres für einen Jungen. In Basel habe ich bei der BKB die Banklehre gemacht … und dabei meine Frau kennengelernt. Meine Schwiegereltern wohnen seit über 60 Jahren in Kleinhüningen, am Hafenbecken 2.»
Dann kamen Lehr- und Wanderjahre. England, Welschland, Amerika – die ganze Palette. Bis er die kleine Parfumkette seines Onkels übernahm: «… das war nichts Grosses: ein kleiner Engroshandel, kaum ein Dutzend Geschäfte und Angestellte.»
Er machte das Grosse daraus. Als er anno 2000 Alrodo verkaufte, hatte er sie in 20 Jahren zur grössten Parfumeriekette der Schweiz herangetrimmt: Aus den 8 Mitarbeitern waren 800 geworden. Und Marionnaud bezahlte ihm eine Riesensumme für die Übernahme – man ­redet von 150 Millionen Gewinn.
«Als die Franzosen Interesse signalisierten, war ich erst 44. Ich liebte mein ­Geschäft – hatte auch Glück gehabt. Wir konnten wegen der Krise überall an bester Lage Läden mieten. Aber ich wollte mit 44 Jahren nicht einfach mit meiner Alrodo aufhören. Deshalb nannte ich eine Summe, die jenseits aller Realitäten war. Doch die haben ohne mit der Wimper zu zucken zugestimmt. Rückblickend muss ich sagen, dass ich gerade im richtigen Augenblick verkauft habe – im Juni 2000. Drei Monate später war der Teufel los. Die grosse Krise kam. Und alles ging bachab …»
Sie hatten den richtigen Riecher?
«Das gute Gefühl … Intuition … ich habe bei allen meinen Geschäften immer in mich hineingehorcht. Und bin stets meiner inneren Stimme gefolgt …»
Silvio Denz hatte nun viel Geld. Und die Liebe zu den schönen Dingen. Schon in den 90er-Jahren hatte er zusammen mit einem Freund eine Galerie in St. Paul de Vence aufgemacht. Bald einmal gingen hier die grossen Sammler ein und aus. Das Ganze war diskreter als bei Sothe­by’s oder Christie’s.
«Wenn jemand ein Bild verkaufen wollte, rief er uns an. Und wir wussten, wer sich dafür interessieren würde. Das ging alles ohne Katalog. Und grosses Aufsehen. Manchmal kaufte ich selber. Ich habe jedoch nie ein Bild erworben, das ich nicht bei mir zu Hause aufgehängt hätte – es musste mir gefallen. Egal ob es ein grosser Name war – wenn es mir nicht zusagte, habe ich immer abgewinkt. Auch wenn ich damit ein Geschäft hätte machen können.»
Heute ist Silvio Denz in verschiedenen Sparten daheim – er führt zwei Kunsthäuser. Hat 2008 die weltberühmte Glasmanufaktur Lalique gekauft («am Valentinstag – wenn das keine Liebe ist») – er baut in London viktorianische Häuser um. Und verkauft sie an superreiche Russen oder Chinesen.
Und er macht Wein. Neben zwei ­Domaines in Spanien und der Toskana («hier bin ich nur beteiligt»), besitzt er in Bordeaux, genauer in St-Emilion, fünf Weingüter. Seine Reben bringen auf 120 Hektaren schon mal gut 300 000 Flaschen besten Bordeaux im Jahr. Zwei der edlen Tropfen sind bereits ausgezeichnet, als Grand Cru Classé in den Olymp von St-Emilion aufgestiegen. Sie gehören – laut Fachleuten – zu den besten Bordeaux überhaupt. Aber hat da wirklich die Königin zum Kronjubiläum den Grand Cru von Monsieur Denz kredenzt?
«Der Schweizer Starkoch Anton Mosimann hat das Essen für die 700 Gäste der Queen kreiert. Ich durfte den Wein dazu liefern. Am Tag darauf hat die Presse ­geschrieben, dass der Bordeaux von Château Faugères war. Daraufhin schellte das Telefon wochenlang – wir hätten gut 200 000 Flaschen davon verkaufen ­können!»
Also wieder die gute Nase?
«Nun – Wein war immer ein Hobby von mir. Ich beteiligte mich bei meinen Freunden Franz Wermuth. Les Grands Vins Wermuth – es ist heute das grösste Weinauktionshaus in der Schweiz und Frank Ebinger – Casa del Vino. Ein anderer Freund, der deutsche Winzer Stephan Graf von Neipperg, hat mich dann beim Kauf des Château Faugères beraten. Das Schloss und die Domaine an dieser einzigartigen Lage war 180 Jahre lang in derselben ­Familie. Sie wollten verkaufen – also machte ich mein Hobby zum Beruf …»
Und auch hier wieder die goldene Nase: Sein Wein wurde zu den 100 besten Bordeaux gekürt.
Denz lächelt nun fast verlegen. «Irgendwie bin ich ja mit diesen Sachen aufgewachsen – mein Vater hat schon im Fricktal Wein gemacht. Und erlesene Bordeaux-Tropfen gesammelt. Am Sonntag kam immer Wein auf den Tisch. Das war Familientradition …»
Sie haben stets gern Wein getrunken.
«Nein. Als 20-Jähriger war es Bier. Ich habe gar einmal eine Brauerei geleitet …»
Und wie managt man ein Weingut?
«Für so etwas braucht es eine gute Nase, viel Liebe zur Sache, Qualitätsbewusstsein und enorme Erfahrung. Ich bin kein Önologe. Aber ich leiste mir die besten. Und bin stolz auf meine Mitarbeiter. Sie sind alle fast über 20 Jahre auf dem Gut, kennen sich mit den Reben, dem Boden und dem Wetter aus – loyale Leute. »
Wie sind Sie auf Lalique gekommen?
«Ich kannte natürlich die Parfum-Düfte von Lalique, die jahrhundertalte Geschichte des Unternehmens – ich habe schon ziemlich früh mit einer Sammlung von antiken Lalique-Fläschchen angefangen. Plötzlich sollte das alles unter den Hammer kommen. Und eventuell sogar nach Indien verkauft werden. Da hat wieder meine Nase vibriert. Und ich habe Interesse angemeldet. Der Deal war dann, dass ich die ganze Fabrika­tion – nicht einfach nur das Parfum – im Elsass übernehmen musste. Ich machte eine Mischrechnung … und begann zu träumen …»
Auch dieser Traum ging auf: Heute ist Lalique wieder ein Unternehmen, das schwarze Zahlen schreibt. Das alte Glas ist plötzlich in aller Welt in. Selbst Lon­dons Harrods hat ihm einen riesigen Showroom gewidmet.
Stimmt es wirklich, dass Lagerfeld seine Cola nur aus Ihren Lalique-Gläsern schlürft?
«Ja. Wir liefern ihm die grossen Coupes überall hin – dort, wo er gerade ist …»
Es scheint, dass das alte Glas von Monsieur Lalique auch andere Künstler fasziniert.
«Nun, Yves Klein wollte kurz vor seinem Tod eine Glasskulptur realisieren und hat die ‹Victoire de Samothrace› geschaffen. Mit seiner Witwe Rotraut haben wir Kleins letzten Wunsch erfüllt. Eine Kunstlinie – als total eigenständiges Unternehmen – führen wir mit andern zeitgenössischen Künstlern weiter. Wir kreieren auch ­Möbel, Treppen. Zaha ­Hadid hat Vasen für Lalique entworfen. Wir verhandeln mit Joop, Jeff Koons – Ende November eröffnen wir eine Boutique in Zürich. In den nächsten zwei Monaten werden zu den bereits 80 Lalique-­Geschäften in Miami, Las Vegas und Shanghai weitere aufgehen …»
London?
«Dort fühle ich mich richtig daheim. Ich hatte eine Wohnung in der Nähe der Oxford Street. Und dann kam dieser scheusslich heisse Sommer 2003. Die Londoner sind ja mit Klimaanlagen nicht sonderlich gut bestückt – also ich schwitzte erbärmlich. Da habe ich mir in der Not das Nachbarhaus gekauft – ein viktorianisches Gebäude. Geräumig. Und kühl.»
Was haben Sie mit diesem alten Kasten gemacht ? Die sind doch geräumig. Aber unpraktisch …
«Stimmt. Ich habe das Haus aufgefrischt. Und Spass an dieser Arbeit gefunden. Es ist wie eine Wundertüte – man weiss nie, was unter den Decken und Tapeten hervorkommt. Als alles fertig war, kam mein Häusermakler und erklärte mir, ein Russe wolle das renovierte Haus kaufen. Mit dem Gewinn – eine Million – habe ich mir ein Haus in Richmond gekauft. Die grüne Gegend und die Themse erinnern an meine Kindheit am Rhein …»
Sie konnten sich leicht trennen?
«Ja – der Russe kaufte dann sogar noch den Inhalt mit. Ich bin jemand, der loslassen kann. Das Leben ist eh ein Kommen und Gehen – immer wieder Abschied nehmen. Man sollte sich nicht allzu fest an Dinge klammern – das ist ein typisch schweizerisches Sicherheitsdenken!»
Nachfolger?
«Ich habe einen 25-jährigen Sohn, der sich für alles interessiert. Und ins Unternehmen eingestiegen ist. Ohne dass ich je Druck gemacht hätte … aber natürlich bin ich happy darüber …»
Wie können Sie als Globetrotter, der die meiste Zeit in der Luft verbringt, ein soziales Leben führen?
«Ich war 20 Jahre lang in Zürich – damals, als ich die Parfumeriekette aufbaute. Und als mein Sohn mich brauchte …»
Waren Sie ein guter Vater?
«Er hat eine wunderbare Mutter …»
Und heute?
«Meine Holding ist auf dem Zollikerberg. Aber ich liebe es, herumzureisen. Wenn man viel sieht, erweitert das den ­Horizont. Probleme relativieren sich. Und alles wird plötzlich so klein. Aber auch ­unwichtig …»
Sie meinen, man braucht Distanz, um die Dinge etwas unaufgeregter ordnen zu können?
«So ungefähr. Ich habe in Amerika das Flugbrevet gemacht, hatte meine eigene Maschine – wenn ich dann auf die Erde schaute, war alles so winzig. Mit 44 Jahren habe ich mir dann den Luxus geleistet, nie einen Termin länger als auf 14 Tage hinaus zu planen. Die Leute hielten mich für verrückt. Aber das Leben geht auch so weiter … man darf die Dinge und sich selber nicht zu wichtig nehmen!»
Er hat die Flasche Wein kaum angerührt. Und vom grillierten Filet nur einen Bissen genommen.
Wird er viel mit Neid konfrontiert?
«Ich kümmere mich nicht darum, was andere reden. Und ich bin auch keiner, der in Glanzblättern erscheint. Die Cüpli-Medien können es mir nicht. Ich habe alte Freunde. Die zählen. Mit neuen Freunden bin ich vorsichtig. Mein Vater hat mir beigebracht: ‹vive tranquille … vive caché›.»
Ein bisschen Basel ist an ihm hängen geblieben.
Was Silvio Denz mag
Essen
Japanische Küche, Fisch, Tomaten mit Mozzarella und Basilikum
Zögert bei
Innereien, Bier («mag ich nicht mehr») und Süssigkeiten («ausser sehr dunkler Schokolade, die mich an meine Militärzeit erinnert»)

Montag, 2. Dezember 2013