Hülle mit Fülle

Pastetli sind wie wir: die inneren Werte zählen

Rezept: Pastetli auf die schnelle Art

Aussen knusprig, innen weich: Pastetli sind immer für eine Überraschung gut. Und immer passend.

Sie galten als unbestrittene Königinnen der Entrées. Ihr Innenleben war eine Überraschung - und vom Haushaltsbudget geprägt. Die einen schenkten ihnen den hochtrabenden Namen «Bouchées à la Reine». Die andern nannten sie ganz simpel: «Pastetli». Die Basis aber kam in 90 Prozent aus der Büchse ...
Es gab sie an Festessen. An Sonntagen. An Grossmutter-Geburtstagen (da für die Jubilarin gefahrlos beissbar). Meistens wurden die Pastetchen mit Büchsenerbsli serviert. Diese Büchsenerbsli hatten ihre eigene Geschichte. Das Etikett betitelte sie als «extra fein» - weil die Familie ja extra fein war.

Bei der Büchse «mittelfein» aber wurden verächtlich die Mundwinkel nach unten gezogen: «Kanonendonner» nannte Vater die grossen Kugeln. Aber als dann noch die «Jägermischung» auf den Markt kam, diese Komposition von Silberzwiebelchen, Eierschwämmchen und vielen, vielen grünen Erbsen, war das Halleluja gross. Künftig schaufelte Mutter nur noch den Jäger und seine Mischung neben die Vol-au-Vent.

Wie man allerdings Silberzwiebeln, Pfifferlinge und Erbsen mit einem Jäger in Verbindung bringen kann, ist bis heute ein verschlossenes Dosen-Geheimnis der Werbung geblieben. Und nie aufgebüchst worden.

Hochstapler. Zurück zu den Pastetli, den megafeinen. In jeder Bäckerei lagen die zumeist rund gebackenen Blätterteig-Förmchen in der Auslage. Allerdings konnte man sie in den 60er Jahren auch tiefgekühlt und flach wie ein Fünfliber in die Backröhre schieben. Auf wunderbare Weise hangelten sich die Förmchen in der Hitze hoch, wurden knusprig blättrig und der ganze Stolz unserer Mütter: «Ja, diese Pastetli habe ich selbst gebacken ...»

Die Blätterteig-Pastetli waren damals, was «Rughettasalat mit Parmesanlamellen» oder «Fischcarpaccio an Rosenpfeffer» heute sind. Pastetli blätterten in allen Menükarten. Und wurden meistens als Entrée serviert. Spitzenrenner waren sie bei Drittzähnen und Omis.

Wie so oft im Leben war auch hier das Innenleben der Diskussionspunkt: Die einen behaupteten, eine Pastetlifüllung habe mit teuren Milken gestopft zu sein, um sich den königlichen Titel (Bouchée à la Reine) abzuverdienen.

Die anderen sahen das Königliche in Bratwurstkügelchen (Mutter: «Quatsch - das wäre ja eine Kügelipastete und hat mit der Königin so wenig zu tun, wie Prinz Charles mit kleinen Ohren»). Und die dritten ersetzten die vor der Rinderwahnwelle noch sehr kostspielige Milke mit Champignons. Natürlich auch Büchse.

Wettstreit. Nun haben Pasteten eh immer viel Stoff für Diskussionen abgegeben. Das war schon im Mittelalter so, als die Zunfthäuser sowohl Fisch wie auch Rinder gestückelt und gewürzt in Teig verpackten. Sie verzierten diesen Teig schön, legten gar Blattgold drauf und machten so an den Zunftfesten Furore. Die Diskussion war damals dem Wettbewerb um Sterne und Millau-Punkte ebenbürtig: Wer pastetet am besten?

Vorgängerin der Pastete war übrigens im 15. Jahrhundert «die Galrey». Oder «d Gallere», wie man in Basel sagte. Diese Sülze wurde zum Prunk- und Glanzstück der damaligen Kochkunst.
Immerhin: Für eine einzige «Fisch-Galrey» benötigte man 65 Karpfen, und 18 grosse Hechte - für Fleisch-Gallere brauchte es zehn Ferkel, 80 alte Hühner, 32 Kalbsfüsse, zehn Rindsfüsse und zwölf Pfund Mandeln. Gewürzt wurden diese «Gallere» meistens mit Pfeffer, Ingwer, Nelken, Muskat und sehr viel Safran.

Restposten. Erst um 1800 wurde die Galrey von den kalten und warmen Pasteten abgelöst. Jetzt nannten sich die Köche mit Vorliebe plötzlich «Pastetenbäcker». Allerdings waren die Pasteten von damals geschlossen. Zwar wurde ein Loch im Teig ausgeschnitten, durch das der Dampf entweichen konnte und durch welches dann oft auch Wein und Brühe zur Pastetenfüllung eingegossen wurden. Aber das «offene Pastetli» wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts zum Küchen-Hit, als die Kocherei und das Leben einen schnelleren Gang einlegten.

Beliebt waren in Basel Ende des 19. Jahrhunderts die Pasteten, die aus Suppenfleischresten zubereitet wurden. So wie heute jeder seine Vitamine schluckt, hat man zu jener Zeit täglich eine «Brühe» zur Stärkung gelöffelt. Um das Suppenfleisch nicht verkommen zu lassen, wurde es zu Pastetenfüllungen verarbeitet. Die «suursiessi Pastete», wo das gehackte Restsuppenfleisch mit Essig und Zucker, Rosinen und Pfeffer sowie Salz und etwas Ingwer gewürzt wird, ist auch heute noch ein Gedicht.

Doch zurück zu den Bouchées à la Reine. Die ersten Konservendosen mit der Fertigfüllung sind bei der Konservenfabrik Lenzburg im Jahre 1937 angeboten worden. Bei Hero - die Lenzburg übernommen hat - wird «Pastetlifüllung» erstmals 1972 aufgeführt. Man unterscheidet zwischen fein (ohne Milken) und extra fein.

Pastetli auf die schnelle Art

Stressfrei. Peter Wyss, gelernter Koch und passionierter «Kunsthallen»-Beizer, hält nicht viel von Pastetlifüllungen, die aus der Büchse kommen. Umso mehr hält er von Pastetli: «Erstens haben Pastetli etwas Festliches. Zweitens ist der Fantasie, wie man sie füllen könnte, keine Grenze gesetzt. Und drittens: Sie sind für die Küche wunderbar - weil alles vorbereitet werden kann. Und die Hausfrau oder der Koch so keinen Stress hat. Eigentlich wäre es ein ideales Weihnachtsessen …»

Einmal monatlich lässt Peter Wyss von seinem Küchenchef Francis Hurstel Pastetli aufs Mittagsmenü setzen: «Sie sind auch heute noch ein Renner». Allerdings komponiert Hurstel die Füllung von A bis Z selber.
Für die baz hat Peter Wyss die Dose nun nach seiner Art aufgebüchst. Und sie - zusammen mit seinem Küchenchef Francis - zu folgendem schnellen Rezept «umgebaut»:

Zutaten: 6-8 Blätterteig-Pastetli, 1 Büchse Hero-Pastetlifüllung, 400 g gewürfeltes, gekochtes Siedfleisch, 2 dl Rahm, etwas Weisswein, fein gewürfelte Rüebli und Zucchini (Julienne), gekochte grüne Spargeln, eventuell Palmblätter (als Dekor), Kerbel, Schnittlauch.

Zubereitung: Büchseninhalt in Pfanne geben. Siedfleisch und Julienne dazu schütten. Erhitzen.
Mit Rahm und Weisswein Sauce verfeinern, mit etwas Kerbel und gehacktem Schnittlauch abschmecken.
Pastetli im Ofen aufbacken. Füllung mit grossem Löffel hineingeben. Mit Kerbel und Schnittlauch anrichten. Dazu - wer will - die gekochten Spargeln auf dem Palmblatt drapieren.
Eine festliche Köstlichkeit - in wenigen Minuten!
E Guete!

Rezeptkategorie: 
Freitag, 31. März 2006