Burleske

Hildi werkelte geschäftig in der Küche herum.

SIE DRÜCKTE HALBIERTE ORANGEN AUF DEN ELEKTRISCHEN SAFTER – DER STÖHNTE NOCH EIN LETZTES MAL AUF. DANN BAUTE ER DEN INFARKT. Ein feines Räuchlein stieg aus dem Mittelteil des Apparats.

DAS RÄUCHLEIN KÜNDETE DIE KREMATION AN.

«Waaalti!»

Natürlich keine Antwort. Dabei hatte sie ihm eben erst gestern die Batterien frisch in die Ohren gelegt.

Drei Mal hatte sie ihn gefragt: «Laden wir am Klausentag die Kinder ein?».

Drei Mal war Sendepause gewesen.

Erschienen am: 
Freitag, 23. November 2018

Von königlichen Hunden und Zehennägeln

Illustration: Rebekka Heeb

Hotelfrau Hildegard von und zu Eisendorn – sie ist die Königin vom MERANER «Sissi-Hof» – segelt auf mich zu.

DIE GRÄFIN SEGELT IMMER.

Manchmal erinnert sie an ein Schlachtschiff, das anlegt und auf die Geldbeutel ihrer Gäste zielt.

Mitunter aber wird sie auch zu einem gemütlichen Kahn, der nach dem dritten Gläslein Sherry ins Schaukeln gerät.

Auf jeden Fall: Hildegard trägt Tracht. Immer Tracht. Sagen wirs so: trächtig prächtig.

Erschienen am: 
Dienstag, 20. November 2018

Frisierkommode

«Hans – ich brauche die Perlenkette!»

«Alles klar, Klara!»

Klara sass vor der Frisierkommode. Keine Frau sass heute mehr an einem Frisiertisch.

Klara schon.

Als Hans das alte Haus renovieren liess, als all die wunderbaren Nischen und Bögen einem geradlinigen Denken Platz machen mussten – da hatte Klara sich vor ihren Frisieraltar mit den drehbaren Spiegelflügeln gestellt: «HANS ÄNISHÄNSLI – DER HIER NUR ÜBER MEINE LEICHE!»

Erschienen am: 
Freitag, 16. November 2018

Vom Vollmond, Rilke und dem Käuzchen

Illustration: Rebekka Heeb

Nein. Nirgendwo ist der Vollmond voller als über dem Meer. SO RUNDUM VOLL! WUNDERVOLL VOLL.

Die gute alte Milchkugel macht wirklich einen guten Job. Voll geil!

ICH SCHMIEGE MICH AN INNOCENT.

O.k. Mag er nicht. ABER: GAR NICHT. Er mag überhaupt nicht, dass ich Intimes von ihm preisgebe.

Er meint, es sei seine Privatsphäre.

DOCH DAS KRATZT MICH NICHT. DAFÜR KRATZT MICH INNOCENTS PRIVATSPHÄRE AN DER BACKE.

«Du bist nicht rasiert, Schweini!»

Erschienen am: 
Dienstag, 13. November 2018

Die Briefe

Mimmis Puls klopfte.
Sie war jetzt 91 – Treppensteigen war in diesem Alter keine Zuckerwatte.
Im Estrich tanzte der Staub durchs Sonnenlicht.
Mimmi schnupperte.
Estriche schmeckten alle gleich – nach Teppichen, die eingerollt vermoderten. Nach Mottenkugeln und Kleidern in vergammelten Koffern – NACH ALL DEM ABGELEGTEN EINES LEBENS, DAS MAN VOR-ENTSORGTE.
Bei den meisten Dingen hatten die Leute Hemmungen, sie direkt wegzuwerfen: «Das können wir eventuell noch gebrauchen …»

Erschienen am: 
Freitag, 9. November 2018

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