Freddy Burger: «Ich bin der Freddy aus Schwamendingen»

Beim Zürcher Bahnhof stehen die Taxis Schlange.

Ich hüpfe ins erste.

Der Taxichauffeur ist nett. Aber neu.

Er kennt Ankara. Aber nicht den «Hitzigweg 15».

«Wir finden das», strahlt er.

Natürlich findet er es nicht.

ANRUF BEI DER ZENTRALE: «WO SEIN SONNENBERG?!»

Man hört männliches Genuschel.

Dann schaut der freundliche Türke erschrocken. «Mann an Zentrale sagen, sei fast in Himmel…»

Der Mann hat recht – hier, hoch oben in den Wolken der Fifa mit der Traumsicht auf den Zürichsee ist die Welt abgehoben. Eine Sphäre für sich – die Vorstufe zum Göttlichen.

FREDDY BURGER FÜHRT HIER DAS ZEPTER – ALLE GRÖSSEN ERWEISEN DEM SCHWEIZER SHOWKÖNIG HIER DIE REVERENZ.

Er aber winkt ab. Ist auf dem Boden geblieben:

«Ich bin weder etwas Gottähnliches noch ein König, dem man huldigt…»

Er zeigt auf «sein» Zürich: «Ich bin der Freddy aus Schwamendingen. Genauer: von der Wallisellenstrasse…KREIS 11. UND DAS BIN ICH IMMER GEBLIEBEN. Dort unten sind meine Leute – dort ist meine Basis. Bis heute. Man darf sich selber nie verlieren … das ist wichtig…»

Im Restaurant – 17 Schweizer Gault-Millau-Punkte – begrüsst er Bankdirektoren. Politiker. Fussball-Präsidenten.

Dann klingelt das Handy. Es ist Pepe Lienhard – einer seiner ältesten Freunde. Und Geschäftspartner.

DREI TERMINE WERDEN GEBÜGELT. UND HERUMGEPLÄNKELT: «… ja, pass auf dich auf!»

Dann lacht er: «Ein Phänomen. Ich kenne ihn seit einem halben Jahrhundert. Und er hat noch immer dieses Temperament eines Vulkans…»

Der Chef de Service empfiehlt den Fisch. Freddy Burger nimmt nur einen Salat. Und einen Schluck Wasser. Er trinkt kaum Alkohol. Und schaut auf eine ausgewogene Ernährung («ich fühle mich so einfach besser»).

Er lacht jetzt. «Es gab Tage, da war ich glücklich, wenn ich ein Brot kaufen konnte. Das vergesse ich nie…»

ALSO : AUFGEWACHSEN AN DER WALLISELLENSTRASSE:

«Ja. Die Strasse war so laut , dass ich später, wenn man mir eine Suite auf die ruhige Seite eines Hotels gab, nicht schlafen konnte. Und ‹bitte Strassenseite!› verlangte.

Wir waren der letzte Stadtkreis. Und irgendwie gehörten wir nie zur Stadt – Oerlikon war uns näher als Zürich. Zwischen Zürich und uns war der Milchbuck.»

Die Verbundenheit mit dem andern, dem «kleinen» Zürich ist ihm geblieben: «Ich bin auch jetzt noch beim FCZ – und nicht bei GC. Obwohl meine Geschäftsleute und Restaurant-Kunden ja dort sitzen…

Ich war auch nie in einer Zunft. Die haben mich stets etwas süffisant belächelt … später, als ich dann Erfolg hatte, haben sie angeklopft. Da habe ich abgewunken. Ich bin wegen ein paar Millionen schliesslich nicht etwas anderes geworden…»

ER WAR EHRGEIZIG. DAS SCHON. ER WOLLTE GANZ EINFACH NACH OBEN:

«Das ist wie auf einer Leiter … die Neider wollen einen stets runterziehen… Hat man aber die erste Etage erreicht, schleimen sie ‹wir haben es immer gesagt – du schaffst es!›.

Das Spiel hört nie auf… Du gehst höher, wirst wieder runtergeholt … und je höher du steigst, desto dünner wird die Luft. Den Himmel aber erreichst du in diesem Leben nie…»

Das Kinderzimmer teilte Freddy Burger mit seinem Bruder:

«Es war der kleinste Raum in der Wohnung – Platz für einen Schrank gab es nicht. Aber es zog mich eh immer raus. Zum Hockey … zum Schwimmen…»

Er war ein Top-Sportler. Auch hier trieb ihn der Ehrgeiz an: entweder Spitze. Oder gar nichts.

Als Crawler hat er das Limmatschwimmen seines Jahrgangs gewonnen – als Eishockey-Player hat er es bis in die «Nati B» gebracht. Auch als Fussballer war er erfolgreich – aber sein Leben wurde durch Tanzen und Show bestimmt:

«Es gab damals in Zürich Tanzveranstaltungen im Jugendtanzclub. Da habe ich schon zur Lehrlings-Zeit mitgemischt.

Eines Tages hörte ich eine Band. Die haute mich einfach um. Ich engagierte sie für den Tanzclub – das war 1963. Toni Vescoli – zusammen mit seinen Sauterelles.

Nach dem Auftritt erklärte ich Vescoli: ‹Ab heute bin ich euer Manager› – keiner wusste, was ein Manager ist. Ich auch nicht. Aber es tönte gut…»

Die Eltern zeigten sich nicht begeistert. Freddy Burger sollte – wie sein Onkel – Hochbauzeichner werden.

Er schaffte die Lehre, «aber ich hasste den Beruf – ich wollte wild und kreativ sein. So habe ich bereits nebenher Unterhaltung organisiert. NACHTS TINGELTE ICH IN DEN LOKALEN HERUM – UND KAM NATÜRLICH TOTAL ÜBERMÜDET ZUR SCHULE. Aber ich spürte, dass die ‹Unterhaltung› im weitesten Sinne ein grosses Potenzial hat – und die Zukunftsmusik für die Menschen bedeuten würde … auch für meine Zukunft…»

Drei Monate nach der Lehre verkündete er am Familientisch: «Ich möchte Manager werden...»

Sein Vater hat ziemlich abrupt reagiert:

«O. k. Wenn du das willst, ist das deine Sache. Aber als sogenannter Manager kannst du uns auch Kostgeld und Miete bezahlen. Wenn du hingegen auf deinem Beruf weitermachst, unterstützen wir dich…»

Es wurden harte Zeiten:

«…und dennoch möchte ich die nicht missen. Ich habe mir damals mit meinem ersparten Geld einen Simca 1000 gekauft. Darin bin ich durch Europa gegondelt. Und versuchte meine Bands zu verkaufen.

Ich habe in Flohhütten übernachtet. Und wenn ich gar kein Geld mehr hatte: im Auto. An der Côte hatte ich einmal nur noch das Geld für eine Baguette. Aber das war nicht wichtig. Irgendwie hat es immer gereicht, weil das Leben für mich so stimmte…»

HAT EIN HOTEL ODER EIN RESTAURANT SEINE BAND ENGAGIERT, HOLTE ER VOM HINTERSITZ DIE REISE-SCHREIBMASCHINE. Und hackte den Vertrag darauf runter:

«… das tönt jetzt sehr romantisch. War es aber nicht. Ich hatte keine kaufmännische Ausbildung. Tippte das Einfinger-Adlersystem. Und träumte davon, später einmal eine Sekretärin zu haben…»

Ganz langsam kam der Erfolg. Das «Mascotte» in Zürich wurde zu seiner Visitenkarte. Abend für Abend standen die Leute Schlange, um abzutanzen. Und Bands zu hören.

In Basel spielte das «Atlantis» eine wichtige Rolle für Burger:

«Es gab diese Art von Konzert-Oasen jetzt in der ganzen Schweiz. Aber das ‹Atlantis› war eben doch ein unglaublicher Schuppen. Die Musiker traten drei Mal am Tag live auf. Und natürlich wechselten die Bands alle 14 Tage…»

Er lacht. «Die Stimmung im alten ‹-tis› war einzigartig: dieser müde, alte Alligator im Bassin beim Eingang – heute würde der Tierschutz Amok laufen…»

Freddy Burger hat sich dann beim Barfüsserplatz eine Mansarde gemietet: «Immerhin waren da drei Bands, die für mich in Basel auftraten… Wir sind stundenlang beim Atlantis-Besitzer Seiler in der Wohnung herumgehockt … es war eine Mischung aus Orient-Basar und Alt-Basel. Skurril. Und grossartig.»

Er grinst jetzt: «… aber das Tollste war der Mann am Klavier. Er spielte unglaublich gut. Robi Juen, so hiess er. Und fuhr einen alten Mercedes. Den habe ich ihm später abgekauft…

Bald ging auch das ‹Hazyland› mit Hazy Osterwald an der Heuwaage auf … da war punkto Show-Business und Live-Musik in Basel einiges los…»

Wir werden unterbrochen. Ich bekomme einen Menü-Salat. Und Freddy Burger runzelt die Stirn: «Der ist doch viel zu gross – wie soll sich das rechnen? Überdies kann das einer alleine kaum schaffen…»

Er winkt dem Chef de Service. Erklärt ihm die Salat-Situation. Und der düst sofort ab in die Küche…

«… wo waren wir, ach ja: Basel. Die Stadt hat mir nie viel Glück gebracht…»

Er stochert in seinem Salat. Gibt etwas Pfeffer hinzu:

«Also – ich dachte: «Was in Zürich geht, muss in Basel auch Erfolg haben. Und unser ‹Mascotte› an der Theaterstrasse war ja eine Riesen-Kiste. Sie funktionierte grossartig. Zusammen mit Pepe Lienhard – den ich jetzt auch unter meinen Fittichen hatte – eröffneten wir einen Night-Club am Rheinknie: das ‹Malibu› an der Freien Strasse. LI – stand für Lienhard… BU – für Burger…

Aber was in Zürich wunderbar bei den Leuten ankam, stiess in Basel auf eine Mauer. Die Bebbi wollten so etwas nicht.

Man hat mich immer wieder gewarnt, dass die Stadt am Rhein etwas anders ticken würde. Ich habe jedoch über solche Sprüche nur gelächelt – und dann böse Lehrgeld bezahlt.»

Er dreht das Wasserglas. Und schaut auf den See:

«Jedenfalls war ich zu jener Zeit am Bauen eines Hauses. Alles für meine Familie. Und ich musste jeden Rappen zusammentragen. Daneben musste ich dann auch monatlich 15 000 Franken nach Basel bringen, um dort das Geld ins ‹Malibu›-Projekt reinzubuttern. Da habe ich das Handtuch geworfen – und den Night-Club an Päuli Burkhalter und Ueli Riesen verkauft. Die haben das Ganze umgekrempelt. Und jetzt wurde es ein Erfolg…»

Immerhin – du bist später wieder nach Basel zurückgekehrt. Und hast das Musical-Theater übernommen. Auch mit Erfolg…

«Ja. Das Musical-Theater läuft rund. Bei ‹Lion King› haben wir über 300 000 Besucher ins Haus geholt – es wurde das erfolgreichste Musical, das je in der Schweiz gespielt wurde…»

Er lacht jetzt laut auf: «Eigentlich müsste die Stadt mich zum Ehrenbürger machen … aber sie haben mich drei Mal an einem Morgestraich ins Rathaus eingeladen … das ist auch schön!»

Freddy Burger wurde zum grossen Unterhaltungs-Manager der Schweiz. Er organisierte die 100-Jahre-Fifa-Feier … er holt die besten Shows und grössten Namen in die Schweiz … er war massgeblich für die Rahmenprogramme der Ski-WM in St. Moritz beteiligt … er hat Udo Jürgens, seinen nächsten und besten Freund bis zum letzten Moment begleitet … die TV-Produktionsfirma BB-Endemol, an der er beteiligt ist, tüftelt die Quiz-Spiele für das Schweizer Fernsehen aus – kurz: Er führt heute erfolgreich 25 Firmen, darunter auch zahlreiche Gastronomie-Betriebe.

Und der gemeinsame Nenner?

Er überlegt nicht lange: «DIE ORGANISIERTE FREIZEIT – ob das nun ein Tête-à-tête bei einem Nachtessen in einem Restaurant oder der Auftritt der Rolling Stones ist – das wichtigste Ziel für Beizer oder Veranstalter sollte immer sein: Der Abend muss für die Menschen zum unauslöschlichen Ereignis werden…»

Aber gerade in der Gastronomie – ist es da heute nicht immens schwierig?

«Klar. Wirten ist ein Rappengeschäft geworden. Viele träumen den Traum vom eigenen Restaurant. Und es ist heute ja auch einfacher, so etwas zu eröffnen. Aber als Individualist ohne Erfahrung läufst du da voll auf. Heute sind über 50 Prozent der Schweizer Gastro-Betriebe in roten Zahlen: Auf diesem heiklen Gebiet ist es enorm wichtig, ein gutes Auge auf alles zu haben und rechtzeitig zu reagieren…»

WÄRE ES FÜR DICH NICHT VERNÜNFTIGER, STATT ALLE DIESE UNTERNEHMEN ALS EINZELBETRIEBE ZU FÜHREN, EINE BURGER-HOLDING ZU BILDEN?

Er zögert:

«Vielleicht. Aber ich bin für 320 Mitarbeiter verantwortlich. Und wenn man unabhängig entscheiden kann, ohne dass eine Bank etwas zu sagen hat, kann der Verantwortliche schneller und besser reagieren. Ich habe stets ein Worst-Case-Szenario– das ist mir wichtiger als der Erfolgsplan. Ich bin ein vorsichtiger Mensch … und wenn ich jährlich 15 Millionen in meine Betriebe stecke, weiss ich genau, was ich tue…»»

Die Unabhängigkeit hat er sich auf seine Flagge geschrieben: «Es ist das wichtigste Wort für mich. Und es bezieht sich nicht nur auf das Geld – ich wollte nie von etwas anhängig sein: nicht von Sex, Drogen, Luxus und andern Menschen. Nur so bist du stark.»

ALLERDINGS – BEI PUMA GING ES SCHIEF. DA HAST DU MILLIONEN VERLOREN.

«Das stimmt. Aber es war nicht das einzige Tief in meinem Leben. Auch gesundheitlich stand ich manchmal ziemlich am Abgrund.

Nach 30 war ich nervlich am Ende. Ich hatte Schweissausbrüche … Panikattacken … Klaustrophobie … Ich trat tatsächlich in einem ‹Zyschdygs-Club› auf und habe über Midlife-Crisis diskutiert. Als 32-Jähriger! Das musst du dir mal vorstellen.

Damals musste ich lernen: runterzuschrauben. Und mich als Menschen total neu zu definieren...»

Für einen Moment schweigt er. Dann: «… die Tiefs im Leben sind aber auch wichtig. Sie bringen Erfahrungen … Ich stand immer mal wieder am Abgrund. Doch mein Credo heisst: Never give up.»

Heute ist er der Show-King der Schweiz. Als das «Mascotte» unter Freddy Burger 50 Jahre feierte, spielten die Toten Hosen nur für ihn…

«Natürlich sollte ich langsam leiser treten. Manchmal komme ich mir vor wie diese chinesischen Artisten mit den Tellern, die sie auf langen Stangen drehen lassen: Sie rennen hin und her, damit die Teller oben bleiben. Aber wenn du nicht mehr magst, kommt der Scherbenhaufen.

Man muss rechtzeitig beginnen, die Teller herunterzuholen…»

Er lächelt nun:

«Ich bin als Macher auf die Welt gekommen. Und ich werde wohl auch als Macher von dieser Welt gehen.

Das Wichtigste: Ich wollte andere Menschen glücklich machen. Und konnte dabei selber glücklich sein.

Was gibt es Schöneres?»




Freddy Burger

Er mag: Skifahren…Schweizer Berge…Kompetenz

Er mag nicht: Menschen, die einem etwas vorspielen…Angeber…

Samstag, 12. Mai 2018