Ödipuskomplex

Skifahren war nun wirklich nicht das Ding des dicken Silvan. ER WAR KEIN PISTENTYP. Er war der stille Tüftler – ein in sich gekehrter Junge, der gerne in seinem Zimmer blieb. Alte Radiokisten auseinander pflückte. Um sie zu Funkstationen zusammenzupuzzeln. DER KLEINE SILVAN HATTE ES DRAUF – IM BASTELN. UND (LEIDER) AUCH EIN BISSCHEN AUF DEN HÜFTEN.

Der Vater: DAS SPORTLICHE GEGENTEIL! DIE GANZE AKTIVITÄT WAR AUF SEINE BEINMUSKULATUR KONZENTRIERT.

Robert arbeitete in einem Departement, das den Veloständer heilig sprach. Und den Zucker besteuern wollte. Entsprechend hatte der Staatsbeamte viel Freizeit. Und auch einen Kopf, der ihn nicht allzu stark belastete…

EINES TAGES NUN: «MORGEN KOMMST DU ZUM SKIWEEKEND MIT. DU KANNST NICHT NUR IMMER HERUMHOCKEN!» Der Junge schaute gequält von einem Bündel Kabel auf: «ICH HABE HERRN HUBER VERSPROCHEN, SEIN AUTORADIO RECHTZEITIG ZU REPARIEREN UND…» «Punkt sieben fahren wir weg!», bellte der Vater: «Die Ski stehen bereits im Gang…!» Nun gut – seit Ödipus wissen wir, dass Vater-Sohn-Beziehungen immer etwas problematisch sein können.

Auf der Fahrt zur Skistation baute der Vater ein «Männergespräch» auf: «Ist doch toll, dass wir zwei Kerle mal ganz unter uns sind...» (Die Mutter sass auf dem Rücksitz des Nissan. Aber dort hätte auch einer dieser stummen Kunststoff-Pudel mit dem Wackelkopf hocken können. Ewiges Nicken also). «MMMMM», gähnte Silvan.

UM SICH EINEN BESSERN TAG ZU MACHEN, SCHOB ER EIN STÜCK BERLINER REIN. DIE FÜLLUNG TROPFTE DURCH SEINE BEGABTEN FINGER. «Kannst du nicht aufpassen!», nervte sich der Vater, «Du schmierst mir den ganzen Wagen voll. LAURA!» Der Ruf galt dem mechanischen Nick-Pudel. Der zückte HASTIG ein Stück Kleenex: «Da!»

«DU SOLLTEST WENIGER ESSEN UND MEHR SPORT TREIBEN!», versuchte es der Vater jetzt auf die gutmenschliche Art. Der Sohn dachte, «LECK MICH!», und sagte: «ja, ja – ich weiss…»

«AHA – UND WESHALB TUST DUS DANN NICHT…?» (Wieder in Gedanken: MUSS ICH MIR DIESEN SCHEISS EIGENTLICH ANHÖREN?!) und in gelangweiltem Ton: «… ch will mal Programmierer werden. Nicht Sportler…»

«GOTT BIST DU EINE DÖRRBIRNE!», jaulte der Vater auf. «SPORT HÄLT DICH FIT. WAS NÜTZT ES, WENN DU EIN MEGA TECHNIKER, ABER NUR 30 JAHRE ALT WIRST?!»

Der Sohn (in Gedanken: «JETZT QUETSCHE ICH DANN SEINE EIER!») und: «Besser ein kurzes Leben – dafür mehr Grips!» «MIT DIR KANN MAN NICHT DISKUTIEREN!», tobte der Alte. Und hätte beinahe einen Motorradfahrer gerammt. «ROBERT!», schrie der Nick-Pudel hinten. «ACH LECKT MICH DOCH ALLE!»

Der Junge wählte die schwarze Abfahrt. «Immerhin!», nickte der Vater anerkennend. Die Spur führte an steilen Felswänden vorbei. Dort war es dann auch, dass sich die Bindung von Roberts rechtem Ski löste.

Im Spital meinte ein gefühlsvoller Chirurg: «Er kommt durch – aber er wird nie mehr richtig laufen oder gar Skifahren können…» (DER JUNGE HÜPFTE IN GEDANKEN AUF: «BINGO! DIE PROGRAMMIERUNG WAR PERFEKT!»). Dann murmelte er zum Arzt: «Schrecklich… Sport ist ihm alles…»

Auf der Heimfahrt führte der Nick-Pudel das Steuer. Den Vater hatten sie im Spital zurücklassen müssen. «Ist doch schön, dass wir mal ganz alleine miteinander reden können…», lächelte die Mutter. Und dann: «ICH HABE DICH AN VATERS SKI HERUMWERKELN SEHEN – DAS BLEIBT ABER UNTER UNS PFARRERSTÖCHTERN!» «Ja», lächelte Silvan.

UND HERR HUBER WAR GLÜCKLICH, DASS SEIN AUTORADIO DOCH NOCH RECHTZEITIG REPARIERT WURDE.

Freitag, 9. Februar 2018