Wetterfee

LARA SAGTE DAS WETTER VORAUS. Sie sagte das gut. Kompetent. Und mit diesem strahlenden Lächeln, das der angesagten Sonne oft fehlte.

LARA MACHTE SICH ALS «FRAU WOLKENBRUCH!» (so nannte sie sich auf Facebook und Twitter) einen kantonsweiten Namen.

SIE WETTERTE UND TWITTERTE.

Manchmal etwas unbeholfen («Für morgen sagt die Lara – das Wetter schön und klar a ...»).

NA JA. AUCH GOETHE HATTE NICHT IMMER NUR EIN HOCH.

Eigentlich war sie das, was man allgemein als «Kita-Tante» bezeichnet. Das «Wettern» war ihr 25-Prozent-Nebenjob.

Oder eben: Sie hatte sich schon früh mit Kleinkindern befasst. In die Wolken ist sie erst später durch einen Zufall aufgestiegen.

Es war ein Samstag gewesen, als sie zur Happy-Hour-Zeit bei einem Cüpli abhing. Ein sonniger Herr im eleganten Outfit (von einer Modekette gesponsert, wie sich später herausstellte), bestellte ihr noch ein drittes Glas. Und taxierte sie dann ungeniert: «Sie hätten das Zeug zur Wetterfee ...»

Zusammen mit ihrer Freundin Anna-Hulda führte Lara damals den Kinderhort «TRULLALA – ALLE DA». Lara 50 Prozent. Anna-Hulda hundertprozentig.

DAS ERZIEHERISCHE AUSRUFEZEICHEN FÜR DIE KLEINEN WAR KLAR: Nur wenn wir friedlich zusammenleben, kommt jeder zur Banane!

«DIE ENTWICKLUNG VON SOZIALER KOMPETENZ BEI KLEINKINDERN IST ENORM WICHTIG!» – diesen Leitsatz von «TRULLALA» hatte Lara später immer wieder in Interviews anbringen können. Eigentlich war es der Satz von Anna-Hulda gewesen. Aber diese musste ja nie Interview geben. ANNA-HULDA WAR WEDER TELESCHÖN. NOCH TELEGENIAL. SIE WAR KITA-TANTE. UND DESHALB NICHT VON ÖFFENTLICHEM INTERESSE. SORRY. ABER SO BRUTAL IST DAS LEBEN NUN MAL.

Für Lara war Anna-Hulda zwar hässlich. Aber ein rhetorisches Vorbild. Wie damals, als sie einen Familienvater in den Senkel stellte, der seiner Tochter einen verbotenen Cervelat mitgab: «NUR FRÜCHTE, HERR BINGGELI – ES GIBT HIER KINDER, DIE NICHTS SCHWEINIGES ESSEN!» «Ja hols der Kuckuck!», hatte der gepoltert. Anna-Hulda blieb cool. Und kompetent: «Auch der Kuckuck isst keine Cervelats, Herr Binggeli. Wir müssen lernen auch andere Gewohnheiten zu tolerieren.» Und dann eben: «DIE ENTWICKLUNG VON SOZIALER KOMPETENZ IST BEI KLEINKINDERN ENORM WICHTIG!»

Wetterfee Lara wusste nicht genau, was Anna-Hulda mit dem Satz sagen wollte. Doch die Worte wirkten später, als sie den Satz in ihr intellektuelles Vokabular übernommen hatte, stets wie ein Hochdruckausläufer: Jeder nickte zufrieden.

Lara wurde ein Star und an Eröffnungen von Nagelstudios eingeladen. An eben einer dieser Feierlichkeiten schob ihr ein älterer Herr erneut ein Cüpli zu: «Frau Wolkenbruch, ich habe gehört, was Sie über die soziale Kompetenz bei Kleinkindern gesagt haben. Beachtlich. Beachtlich!»

Zufälligerweise suchte der Mann für seinen Privatsender noch eine Kulturredaktorin. LARA HAT DARAUFHIN DEN JOB IM «TRULLALA – FÜR ALLE DA» UND DIE WETTERLESE ALS «FRAU WOLKENBRUCH» AUFGEGEBEN. SIE FÜHRT JETZT EINE TALKSTUNDE MIT EINER SPRÖDEN INTELLEKTUELLENRUNDE ZU HUNDERT PROZENT. IHR WERBE-BRANDING IST EIN UHU MIT BRILLE UND SCHMÖKER IN DEN KRALLEN: «ES STEHT IM BUCH – NICHT IN DEN STERNEN!»

Überdies trägt Lara jetzt die Kleider dieser Modekette, welche auch die Sendung sponsert.

SO EIN GLÜCK! Manchmal vermisst sie allerdings die Hochs und Tiefs ihrer Wetterkarriere. Und heult sich bei ihrer Freundin aus.

Anna-Hulda ist noch immer Kita-Tante. Nicht schön. Aber kompetent. Und vollgespickt mit Lebensregeln wie ein Huhn mit Eier: «MAN KANN IM LEBEN NICHT ALLES HABEN – LARA!»

SORRY. ABER SO BRUTAL IST DAS NUN MAL.

Freitag, 2. Februar 2018