Hund im Advent

Hans stierte aus dem Fenster. Über die Scheiben kullerten graue Regentränen. Alles war dunkel. AUCH DER GEMÜTSZUSTAND VON HANS.

Er schaute vorwurfsvoll zum dünnen Bilderrahmen, aus dem ihm eine rundliche Frau entgegenlächelte. «Du hast mich einfach alleine gelassen, Margreth!», brummte er.

An einem Wintermorgen hörte er Gepolter aus der Küche. Margreth hatte den Geschirrspüler ausgeräumt – und war zusammengebrochen. Die Maschine war noch nicht ausgeräumt – und «die Gabeln sind wieder falsch herum eingeräumt!», dachte Hans als Erstes.

«Ein schöner Tod!» – hatte der Hausarzt genickt. WAS WAR SCHÖN DARAN, NEBEN EINER FALSCH EINGERÄUMTEN WASCHMASCHINE DEN GEIST AUFZUGEBEN?!

«Manchmal fühle ich mich einsam...», hatte ihm seine Frau immer mal wieder sanft vorgeworfen. «Wir sollten uns Freunde suchen... etwas unternehmen...oder zumindest einen Hund anschaffen!»

Er stellte gleich das Nackenhaar: «EINEN HUND?! WEISST DU WIE VIELE BAKTERIEN DAS SIND! SCHLAG DIR SO ETWAS GLEICH AUS DEM KOPF!» Dann knurrte er: «Mir reicht mein ruhiges Leben, Margreth...» So lebten sie daher. Nebeneinander. Und nie miteinander.

Noch einmal hatte Margreth das Thema «Hund» angeschnitten. «ES REICHT!» – hatte er scharf erwidert. Damit war die Sache gestorben. Und Margreth kurz danach auch.

ER VERMISSTE SIE.

Am schlimmsten waren die Adventswochen – diese Flimmer-Glimmer-Zeit, wo alles vorfreudig herumjagte. Und der elektronisch piepsende Weihnachtsbaum im Vorgarten ihn wahnsinnig machte. «Ich reisse dem sämtliche Elektrodrähte raus!», brüllte Hans zu Margreth.

Die lächelte nur fein gerahmt. So wie sie immer gelächelt hatte.

Es war zwei Wochen vor dem Heiligen Abend, als er im Center Milch holen wollte. Und den Junkie vor der Haustüre sah. Der Bursche war arg zugetörnt. Neben ihm wedelte ein kleiner Hund auf einer schmutzigen Wolldecke.

«Hau ab!» – brüllte Hans. «Cool down, Alter!», seufzte der magere Kerl. Und schlurbte davon.

Als Hans zurückkam, wedelte der Hund noch immer. «Schweinerei!», tobte Hans los.

Er ging in seine Wohnung. Und: «Draussen hockt ein kleiner Hund!», knurrte er zum Bilderrahmen. Margreth lächelte.

NACH ZWEI STUNDEN JAULTE DER HUND. Er ging vor die Türe. Da stand die alte Cardona. Die verhutzelte Kratzbürste schaute im Block zum Rechten – und deshalb: «Sie wissen, dass wir keine Hunde dulden!» «Leck mich!», knurrte Hans.

Hans hob den Welpen samt der Decke auf: «Er ist nur zu Besuch...», brummte er.

In seiner Wohnung ging Hans dann etwas ratlos hin und her: «Ja was mache ich mit dir?» Er holte Milch. Der Hund rümpfte die Nase. Also humpelte Hans wieder in den Supermarkt.

Er mischte gekochte Karotten mit Hühnerfleisch – UND SIEHE DA: ES FUNKTIONIERTE! DER HUND SCHLANG ES IN SICH REIN. «Braves Kerlchen», hörte Hans sich selber sagen. Und schüttelte dann unwillig den Kopf: «Margreth – was brocke ich mir da ein?!»

Es war am Heiligen Abend, als es abends klingelte. Der Junkie stand vor der Haustür. Er sah jetzt ganz gepflegt aus: «Frohe Weihnachten – ich suche seit Tagen nach meinem Hund. Und...»

«Komm rein!» – seufzte Hans. «Es gibt Pouletfleisch mit Karotten...» SIE SASSEN STUMM AM TISCH. Aber Hans fühlte sich zufrieden. Fast schon glücklich.

Der Junkie trug das Geschirr in die Küche. «Die Gabelspitzen gehören nach oben!» – rief Max. MARGRETH LÄCHELTE.

Freitag, 8. Dezember 2017