Von den falschen Zähnen der Sisi und Fräulein Lutz

Illustration: Rebekka Heeb

«Na, du dickdummes Sisi-­Datscherl... gehst wieder auf Rüschenschau!»

Es ist natürlich Lieserl. Die blöde Kuh will mir jedes Jahr «Sisi» vermiesen. UND NUR WEIL DIE KAISERIN WAR UND DIE LIESEL LEDIGLICH EIN EINGEHEIRATETES FRÄULEIN LUTZ.

ABER ICH LIEBE MEINE SISI. DA KANN DIE LEDIGE LUTZ EIN GANZES SCHEISSHAUS MIT DRECK SCHLEUDERN.

Dieses Sisi-Lächeln, das wir alle kennen... das Glimmer-Krönchen, von denen kleine Buben träumen ... der bleiche, wunderbar gepuderte Busen, welcher den Kaiser kirre macht ... DAS REGT NATÜRLICH DEN NEID DER SALZBURGER DRECKSCHLEUDER. DIE KANN DOCH MIT IHREN ZWEI HOCH GEHIEVTEN RUNZELMELONEN SCHON MORGEN ABDANKEN!

Natürlich hornt Innocent in derselben Tonlage: «Ach Lieselchen... es ist einfach traumhaft, wie du mich verstehst. ER FÄHRT SO WAS VON TOTAL SCHRÄG AUF DIESEN KITSCH AB! Und jedes Jahr muss ich der Sisi wegen nach Meran. Nur damit diese fette Tunte auf dem Kaiserinnenweglein spazieren kann. Und feuchte Augen bekommt...»

«Soo an Schmarrn!», sprüht die Salzburger Runzel ihr Gift herum, «mai liebs Buaberl... weshalb lässt dir so was gfollen. Bei mir hättst dai Rueh ... lass doch den Zuckerstängel alleini ziehn. Und blaibst bei der liaban Liesel...»

DAS HÄTTE JA GERADE NOCH GEFEHLT. DAMIT SIE IHN ZUM ALTERSTURNEN AUF IHR KEMENÄTCHEN MITNIMMT! UND DIES, WO IHM SCHON JETZT BEI DER KLEINSTEN BEWEGUNG DAS KNIE AUSHÄNGT...

«Zumindest war die Sisi keine Schlampe», gab ich eisig Contra. «Und das Volk hat sie geliebt.»

Dann mit Giftklasse 8: «Nicht wie gewisse ­Gräfinnen, welche die Verkäuferinnen von Lidl am liebsten zu Strudeln nudeln würden...»

Der Schuss hat gesessen. Ich war nämlich dabei, als Liesel die arme Wursttante hinter ihrer Auslage madig gemacht hat, weil der Schinken zu dick geschnitten war. Und die Sülze zu wenig fest... Da hats der guten Frau wirklich den Gaul durchgejagt: «Also bei Sochen wie dicka Schinken und waiches Geschlobber solltens doch möhr Selbsterfahrung zeigen ... liebe gnädige Frau Lutz!»

«ICH BIN GRÄFIN!», brüllte die Liesel über alle Schinken hinweg. «...und y bin d Wuscht-Königin!», grinste das gute Weib hinter der Theke. Und dann fröhlich, als die wartenden Kunden der Verkäuferin applaudierten: «Näggschder bitta...aber nur, wenns em net ins Hirn raigschissen hott.»

Liesel brüllte auch im Auto noch. Diesmal zu ihrem Grafen: «Weshalb hast du nichts gesagt? Es wäre doch das Mindeste gewesen, du hättest dich für deine Gemahlin ritterlich gewehrt, Heinz-Hubert!» Doch den Grafen liess solches kalt: «Hasts den Schinken, oder hast-en net?» HERRGOTT – WIE ICH DIESEN MANN VEREHRE! NUR NOCH GEORGE CLOONEY KOMMT AN IHN HERAN!

Mein persönlicher Clooney-Clown nervte dann von Salzburg bis Meran auf allen Kilometern. «Ich seh ja wirklich nicht ein, weshalb wir jedes Mal nach diesem Meran müssen. NUR WEIL SISI HIER MAL FERIEN GEMACHT HAT? Dazu dann noch in dieses teure Hotel...» Es ist die nette Unterhaltung, wie sie alte Paare immer wieder führen, um dem anderen klarzumachen, dass Vater Tod noch lange Pause hat.

Im «Trauttmanshof» führte uns Herr Peter, der Diener des Hauses, zu den beiden Damen Stahlkeiler. «Buona sera», machten wir artig den Diener.

«Seid herzlich wollkommen!», lächelten die beiden Trachtenweiber im Duett. Sie sind Mutter und Tochter. Das Haus ist seit Sisis Ermordung im Besitz der Stahlkeilers. Die Familie war nie adlig. Aber vornehmer als...

«Hattens eine gute Reise?», lächeln die beiden Damen in ihren schillernden Fantasietrachten und einem Pfund Gold um den Hals.

Der Hals ist alt, das Gold ist neu – «sie hängen sich den überreizten Hotelpreis einfach unter das Kinn. Und wir Deppen bezahlen das auch noch!», zischte Innocent mir zu.

«BITTE?» – die zwei Frauen schauen nun leicht verwundert auf die Meckerziege, die da in schlecht gebügelten Hosen und mit offenem Hemd ohne Krawatte wie ein radelnder Regierungsrat aussieht.

«IHR STALL STEHT OFFEN!», sagt nun die Frau Mutter. Sie schickt mir diesen lächelnd ­wissenden Mitleidsblick zu, den man mitunter in Spitälern beobachtet, wenn irgendein Verwandter etwas schon leicht Dahingegangenes im Rollstuhl herumschiebt.

Man könnte ja meinen, in Italien werde Italienisch geredet. ABER NICHT IN SÜDTIROL DA HABEN SIE EBEN WIEDER DIE STRASSEN­SCHILDER VON DER PAPARAZZI-SPRACHE WEGGEDEUTSCHT. DIE MEHRHEIT DER ­BEVÖLKERUNG SPRICHT NÄMLICH DEUTSCH. ODER ZUMINDEST ÖSTERREICHISCH. UND ROM IST DA WEITER WEG ALS DER MARS.

«Hier haben wir ein Buch für Sie, lieber Mann.» Die Hotel-Tochter drückt mir einen mageren Schinken mit dem Titel «Sisi in Meran!» in die Hände.

DAS BUCH HAT MEIN SISI-BILD TOTAL VERÄNDERT! ABER TOTAL, MUSS ICH EUCH LEIDER GESTEHEN! So belegt der Autor in Bildern, dass Sisi nie, aber auch gar nie gelächelt hat. Sie deckte ihr Gesicht konstant mit einem Fächer ab. Und zeigte sich kaum einmal in der Öffentlichkeit.

IM ÜBRIGEN SOLL SIE EIN RECHTES RABEN­AAS GEWESEN SEIN: LAUNISCH. MAGERSÜCHTIG. UND EIGENSINNIG!

Meine Sisi! Die schöne junge Frau mit ihrem «Papilein» auf der Alp. Und man kann doch wirklich nicht sagen, dass Sisi nie gelacht hat. Romy Schneider kichert sich auch heute noch durch alle drei Filmfolgen. Sie ist charmant, gütig zu ihren Untertanen und gewiss keine, die gerne Umstände macht. DIE WAHRE SISI ABER KAM MIT EINEM HOFSTAAT VON 500 LEUTEN NACH MERAN. UND WOLLTE KEINE MILCH VON DER ZIEGE!

Dass sie nie gelächelt habe, und es auch keine Fotos mit einer lächelnden Kaiserin gibt, erklärt der Autor ziemlich prosaisch mit:«SISI HATTE HÄSSLICHE ZÄHNE!» Es ist belegt, dass ein Dentist aus Meran diesen Makel für eine horrendes Honorar tilgte. Und ihr eine Raffel reinschob...

Nun – Raffel hin oder her. Meine Verehrung bleibt. Und tausend Mal feiner als die ledige Lutz aus Salzburg ist meine Sisi allemal...

Dienstag, 1. November 2016