Von der römischen Anmache mit Rosen…

Illustration: Rebekka Heeb

Rom ist Chaos.

Tausende von herumknipsenden Touris. Tausende von toilettensuchenden ­Muttis. Und rundum beflissene tamilische Kellner: «Kommen mangiare Pizza… gut-gut! Nudel essen, dann Toilette kosten nix. Sonst zwei Euro für Pisspiss.»

Da sind auch Tausende von fetten, Gelato-­schleckenden Shorts-Weibern. Unter den Armen ihres pinken Che-Guevara-T-Shirts werden die Flecken immer grösser. Immer dunkler. Sie ­wollen ihre sonnengebratenen, rotfleischigen Schinken im Trevi-Brunnen abkühlen. Sie ­werden – gottlob – von den Wächtern mit Trillerpfeifen weggejagt.

Wer täglich so viel Grauen vor Augen hat, kann den Muselmann verstehen, der seine Frauen nur verhüllt auf die Strasse schickt.

So weit, so ungeschickt. Und politisch alles andere als korrekt. NUN JA – DIE MÄNNER SIND GENAUSO ZUM ABWINKEN: JE ÄLTER, UMSO JÜNGER.

Herden von Opis, die ihr schütteres Resthaar zu einem mickrigen Schwänzchen gebunden haben, schwanken mit ihren verkehrt herum getragenen Schildmützen wie die Flotte im Sturm. Sie schaukeln über diese Pflastersteine, die das historische Zentrum von Rom aus­machen. Es sind handgesetzte Quadrätlein, die immer mal wieder den Stein des Anstosses ab­­geben. Angeheiterte Rom-Besucher stechen sie nämlich nach fünf, sechs Gläsern Frascati-Fusel wie frischen Spargel aus dem Boden.

Dann nehmen sie das Steinstück mit. Und funktionieren es zum exotischen Briefbeschwerer um. SO HAT ES ROM NICHT NUR AUF ­ITALIENISCHEN SCHREIBTISCHEN SCHWER.

Bei Demonstrationen kommen die Steine ebenfalls zum Einsatz. Zu Hunderten werden sie von links bis rechts wie kariesgeschädigte Zähne rausgezupft. Und als Munition verschossen. Man kapiert nun, dass sich der historische Teil von Rom ziemlich durchlöchert präsentiert – da gibt es Stolperfallen noch und noch. Und die nicht nur auf politischer Basis.

Wir Anwohner kennen die Schwachstellen von Rom wie die faulen Tricks der Strassen­gaukler. WIR MACHEN EINEN BOGEN DRUM HERUM. Der arglose Tourist jedoch stolpert ins Böse. Schon torkelt einer mit seiner Birkenstock-Sandale ins Loch. Er dreht sich noch zweimal um die eigene Achse. Dann klatscht er auf dem Boden und der Wirklichkeit dieser bösen römischen Welt auf. Der herbeigerufene ­118-Arzt diagnostiziert den Schenkelhalsbruch – und Omi jammert: «Ich hab ja gleich gesagt: Macht einen Bogen um den Terror. Und Ferien auf der Grimmialp…!»

Als ob der Ärger nicht gross genug wäre, schlurbt auch noch Angela herbei. Sie ist nun wirklich das, was die Engländer auch nach dem Brexit «a pain in the ass» nennen – eine Nadel im Arsch. Und eine absolute Nervensäge.

Angela ist Zigeunerin. Okay. DARF MAN NICHT MEHR SAGEN UND SO IM RAUM ­STEHEN LASSEN. ABER ES HAT KEINEN SINN, ANGELA MIT WORTEN WIE «ROMA» ODER «FAHRENDE» SCHÖNZUZEICHNEN.

Deshalb: Angela kommt mit langem, verflecktem Rock. Sie trägt hohe Schuhe mit Korksohlen. Und hat pechschwarzes, wunderbares Haar. Ihre Lippen sind so rot wie die Rosen, die sie den Männern ungeniert zwischen den Arm steckt: «Die schenke ich dir!»

Sie schenkt allen Männern Rosen. Die ­schrecken zuerst zurück, als hätte man ihnen einen Frosch in den Arm gedrückt: «No, no. ­Grazie…»

Schon schlurbt Angela achselzuckend davon.

UND GENAU DAS GEHÖRT ZUM TRICK!

Fünf Minuten später taucht sie nämlich ­wieder auf. Und will, dass man eine zweite Rose kauft. Für die Frau. Oder für sich selber. Und überhaupt: Angela muss ja auch leben… ICH HABE KEINE FRAU. ABER DAVON WILL ANGELA NICHTS WISSEN!

Sie macht penetrant auf Stress. Wer nicht sofort zwei Euro für die schlaffe Blume rausrückt, den macht sie mit tausend Beschimpfungen («Du alter Wichser») fertig. UND ZWAR TOTAL (kann ich euch flüstern).

Ich kenne Angela, seit ihre Mutter sie am Busen abgehängt auf die Betteltour mitgeschleppt hat. Das kleine Mädchen mit diesen wunderschönen Kirschenaugen ist vor jedem Beizentisch stehen geblieben. In den schmutzigen Fingerchen drehte es ein noch schmutzigeres Stück Karton herum. «HO FAME!», schrien die Grossbuchstaben. Sie kassierte ganz schön ab.

Plötzlich wurde Angela eine junge, wunderschöne Frau – und die Rosenkavalierin der andern Art. Sie steckt nun einfach jeder Hose eine Rose zu. Und zieht die Nummer mit «Schönes Mann … ist Geschenk von Angela» in vier gängigen EU-Sprache sowie auf Russisch und Chinesisch ab. Mit dem Rosengeld hat sie eben den zweiten Mercedes-Camper finanziert.

ALS FRÜHAUFSTEHER GENIESSE ICH DEN FRÜHEN RÖMISCHEN MORGEN!

Noch ist alles still – vor dem Pantheon ­striegeln zwei Kutscher ihre Pferde. Und auf der menschenleeren Piazza Navona kurven die ­Putzmaschinen herum, um Roms edelste Stube auf Hochglanz zu scheuern.

Auf dem Campo de’ Fiori rüsten sich die ­Strassenverkäufer für den Grossangriff. Ihre ­Mütter haben noch Gemüse geputzt – jetzt besteht das Angebot aus getrockneten ­Gewürzen, die von indischen Händchen in ­Buntstoffsäckchen vernäht wurden.

Wird das Treiben hektischer, ziehe ich mich in eine Kirche zurück. In der wohltuenden Stille schenke ich irgendeiner Heiligen eine Kerze. Und danke allen diesen guten Geistern, dass sie mich vor Bösem beschützen. SIE TUN ES NICHT! EINE KERZE IST AUCH BEI KLERIKALEN DUMPING-PREISEN KEIN THEMA.

Kaum bin ich draussen im touristischen Tohuwabohu, steckt Angela mir eine Rose unter den Arm: «Un regalo. Sei bellissimo…» ­Bellissimo? Mit Haarausfall und Hosengrösse 56? ALLES BILLIGE SCHLEIMEREI!

Aber soll ich mich dagegen wehren?! Eben. Also halte ich schon mal den Euro bereit. Ich bin auf dieser Welt schon mieser belogen worden.

Dienstag, 26. Juli 2016