Terrassen-Grill

«Kaaarl – sie tuns wieder!»

Karl lümmelte im Fernsehsessel. Er hatte die Beine auf dem Beistelltisch ausgestreckt. Und freute sich, dass die Velofahrer der Tour de France so sportlich strampelten.

«Kaaarl!»

Er stellte den Hörapparat auf Out.

Hilde kam hereingestürmt: «KANNST DU NICHT ANTWORTEN?! DIE TUNS WIEDER…»

Karl liess die Ohren auf «AUS». Und brummelte: «Schrecklich. Aber da kann man nichts machen…»

Eben war einer der Velofahrer gestürzt. Massenkarambolage: ein Haufen rasierter Beine und ­surrender Räder. Dann Bildschirm schwarz – Hilde hatte energisch den roten Knopf gedrückt.

«Jetzt hock nicht einfach da. TU ETWAS!

Es geht nicht an, dass die Hubers immer grillieren. Der Rauch steigt direkt auf unsern Balkon. REDE MAL EIN DEUTLICHES WORT MIT DENEN…»

Karl mochte die Hubers. Die Frau trug gerne zu kurze Röcke. Und mit ihm hatte er schon einige Bierchen reingezwitschert.

Hilde jedoch waren die Mieter vom Stock unten dran ein Dorn im Auge. Besonders zur Grillzeit.

«JETZT GEH ZU DIESER HURE UND SAG, SIE SOLL IHRE WÜRSTE ANDERSWO BRATEN – NICHT UNTER M E I N E M BASILIKUM. KEIN WUNDER, DASS DER IMMER EINGEHT…»

«Du gibst zu viel Wasser», bruddelte Walter. ­«Basilikum braucht ganz wenig und…»

«KARL – DU BIST EIN WEICHEI. DANN GEHE ICH EBEN SELBER!»

Hoppala!

Die Karambolage der Velofahrer hatte sich ­aufgelöst – die nächste war vor der Haustüre der Hubers programmiert.

Hilde drückte den Klingelknopf. Und liess ihn nicht mehr los.

Hanni Huber öffnete die Türe. Sie trug einen ­Mini-Jupe und Glimmerstrümpfe mit Naht. Überdies einen Wurstkehrer in der rechten Hand: «Was soll diese Klinglerei – hats Ihnen ins Gehirn geschissen?»

Hildes Puls hämmerte – sie sah den Minirock. Sie sah Sterne. Sie sah rot: «IHR RAUCH STINKT MIR ZUM HIMMEL. WIR HABEN SCHON TAUSEND MAL GESAGT, SIE SOLLEN DIE VORDERE ­TERRASSE FÜR IHRE SCHWEINEREIEN ­BENUTZEN. IN DER HAUSORDNUNG STEHT, DASS DIE MITBEWOHNER NICHT BELÄSTIGT WERDEN DÜRFEN. SCHON GAR NICHT ZUR RUHIGEREN GARTENSEITE HINAUS!»

Hanni Huber kratzte sich mit dem Wurstdreher am linken Glimmerstrumpf: «Zieh Leine – du alte Meckerziege!»

«WAAAALTER!»

Der war beim «Wort zum Sonntag» eingeschlafen!

Drei Tage später schleppte Hilde vom Gartencenter einen Grillrost heim. Sie pflanzte ihn auf der Terrasse auf – gab zünftig Brennstoff. Und rieb sich die Hände: «Diese primitive Kuh soll gerne schmecken, wie so eine verkohlte Wurst stinkt…»

Eine halbe Stunde später war die Terrasse schwarz – und die Wurst Kohle. Allerdings wollte es das Gesetz der Physik, dass der Rauch nach oben stieg. Und schon klingelte es.

Es klingelte ohne Unterlass.

Hilde öffnete genervt. Im Hausgang stand Erwin Schott vom dritten Stock: «Sind Sie nicht ganz dicht … oder haben Sie hier ein Krematorium ­eröffnet? Ihr Grill stinkt das Gotterbarm. Unsere Terrasse ist schwarz wie ein bayrisches Dorf. Sie wissen genau, dass man auf die Gartenseite ­hinaus nicht grillieren darf. So steht es in der ­Hausordnung…»

«Ja, ja…», murrte Hilde.

«UND UNSER BASILIKUM GEHT BEI IHRER ­EWIGEN GRILLEREI AUCH IMMER EIN!» – tobte nun Erwin Schott.

«Sie geben zu viel Wasser», sagte Hilde knapp. Und schlug die Türe zu.

PS: Die bösen Hubers von unten waren übrigens in den Ferien.

Montag, 11. Juli 2016