Von Luxus und dem Himmel auf Erden

Illustration Rebekka Heeb

Augusta wollte Luxus.

Nein. Stimmt nicht.

Die Schuld liegt bei m i r. Ich wollte Augusta mal im Luxus baden lassen.

Augusta badet sonst nicht. Das heisst: Sie hat nur einen Waschtrog. Dort putzt sie sich die Zähne. Ihre rundlichen Pfunde. Und auch meine Wäsche.

Will Augusta es mal richtig feudal haben, besucht sie ihre Freundin Giuseppina. Die ist Köchin bei einem römischen Pfarrherrn. Wenn das Pfäffchen in seiner Kirche betend die Runden dreht, füllen die beiden Freundinnen dessen Wanne voll.

UND REIN DAMIT!

Aber das ist nicht das Ding – das Ding ist, dass ich für eine Modefirma irgend so einen Wischiwaschi über Tops mit Strass schreiben musste.

Diese vollstrasskrassen Tops sollen an vollfetten Girls (die hier nur «vollfett» sind, weil vollfett ein heisses Neudeutsch-Wort ist), die Funkel-Fetzen also sollen in den Salons eines Schweizer Luxuskasten fotografiert werden. Ich habe dort eine Suite zur Verfügung (da habe ich mich beim Vertrag sehr klar ausgedrückt!).

Nun aber nörgelt Innocent: «In so einen Kotz-Schuppen bringen mich keine zehn Rösser.» (Er sagt Rösser, und nicht Pferde!)

Ich: «ABER DER LUXUS IST DOCH EIN TEIL MEINES LOHNS!»

Er: «Wieder mal typisch – Luxus statt Geld für das Alter!» Er wird 80. Und seine absolute Horrorvorstellung vor dem letzten Pfiff: leere Sparsau. Und ein roter Saldo. Ich rufe also Augusta, meine Römer Waschfrau an. Sie soll sofort in den Zug hüpfen. Und nach Interlaken fahren.

«NUR MIT GIUSEPPINA!» – gibt sie den Vertrag durch.

O.k. Ich penne in der Badewanne – die beiden bekommen das Himmelbett. Wer ein Leben lag einem römischen Pfäffchen für 500 Euro im Monat die Pasta nudelt, hat sich den Himmel auf Erden verdient …

Das Wunderbare am Luxus ist, dass er nie Fragen stellt. Ich erinnere mich an meine liebe Mutter, die manchmal so schusselig war, dass sie vergass, ihren Jupe anzuschnallen – die Gute gab im «Waldorf Astoria» (zu dessen Glanzzeiten) also ihren Zimmerschlüssel ab: «Organisieren Sie mir einen Wagen!» Der Concierge zuckte mit keiner Wimper, obwohl die liebe Mama oben mit einer Tailleur-Jacke und unten im Unterrock vor ihm stand. Erst der Chauffeur machte sie dann auf das Manko aufmerksam.

So wurde die Geschichte immer wieder als Zeichen des wahren Luxus an Familientagen herumgeboten: «IN DIESEN LUXUSHÜTTEN FRAGT KEINER WESHALB UND WIESO. DA GEHÖRT DAS ÜBERKANDITELTE ZUM ALLTAG WIE DIE MAYO ZUM FISCHSTÄBCHEN!»

Als meine beiden Römer Fischstäbchen in die Halle stürmten, musste ich dann doch viermal tief durchatmen. Sie hatten sich mit all dem Zeug aufgerüscht, das chinesische Händler am Porta-Portese-Wochenmarkt für «TUTTO 1 EURO!» anbieten.

Augustas starker Busen wogte unter einem feuerroten T-Shirt, das mit goldenen Elefäntchen bestickt war. Und auf Giuseppinas Mini-Jeans war über die beiden riesigen Po-Backen das Wort «WELCOME!» (mit Strasssteinen aufgeklebt) zu entziffern.

Wenn ich der Concierge gewesen wäre, hätte ich mit den Augen gezwinkert und «welcome» geflüstert. Aber eben: Das wäre flutsch daneben und vulgär gewesen. Der nette Mann hingegen deutete nur eine knappe Verbeugung an. Zeigte auf mich. Und lächelte: «Ihr Herr Strass-Schreiber erwartet die Damen bereits!»

ICH MEINE: D A S IST DOCH WAHRE KLASSE: STRASS-SCHREIBER! WEM FÄLLT SCHON SO ETWAS DEZENTES FÜR EINEN GEWÖHNLICHEN KOLUMNEN-FUZZI EIN …

In der Suite drehten die Weiber dann total durch. Hippe Happiness in all dem Überfluss. Sie packten von der Obstschale bis zu den Good-Night-Schokomäusen, von den Badeschaum-Flakons bis zu den Hotelfinken alles in ihre Rucksäckchen.

Immer wieder schleppte das Personal neue Kugelschreiber an. Und etwas verärgert stellte Augusta fest: «Die haben den Fernseher direkt in die Wand gekleistert – hatten wohl Angst, dass da einer klaut!»

Beim Frühstücksbuffet verlangte Augusta 20 Garnituren Tupperware-Geschirrchen. Sie packte drei Tische ab. Nur das «Schwyzer Birchermüesli» blieb verschont («sieht ja aus, als hätte das einer schon mal rausgegeben!»).

Und als sie dann am dritten Tag den Feueralarm auslösten, weil Giuseppina «von all diesem halbrohen Frass» genug hatte und meckerte, ob man in diesem Land denn nirgendwo eine anständige Pasta reinpfeifen könne – als sie da also ihren Petroleumkocher anwarf, um das Spaghettiwasser kochen zu ­lassen, da schrillten alle Sirenen, Glocken und Feuerzeichen des Luxushotels.

Im Foyer versammelten sich tosende Scheiche in langen Unterhosen, daneben kreischten Frauen mit Schleiern und rabenschwarzer Reizwäsche aus dem Beate-Uhse-Katalog. Da war auch eine etwas verklemmte Delegation der Schweizer SP-Spitze, die mich bekniete, ihre Anwesenheit doch journalistisch auszublenden. Sie seien rein zufällig hier.

Und was sagte der nette Concierge höflich zu meinen beiden Frauen? – «Wir haben ihr Spaghetti­wasser abgestellt, meine Damen.»

ABER HALLO! WENN DAS NICHT NOBEL IST.

Als ich meine Feuer-Mädchen dann in Interlaken auf den Zug brachte, umarmten sie mich herzlich: «Es war wunderbar – nur Pasta kochen können sie nicht!»

Dann hievte ich ihre sechs Koffer und die ­beiden Rucksäckchen in den Gepäckträger. Die Koffer hatte ich ihnen spendiert. Sie waren voll mit Mini-Konfitürchen, Käse-Portiönchen, ­Salzstreuern und all den Strass-Tops, die wir ­fotografiert hatten. Giuseppina hatte sie dem Manager abgeluchst. Und der hat dafür ihren ­«WELCOME»-Po fotografieren dürfen.

Vermutlich wird das die Luxus-Linie fürs Jahr 2017.

Dienstag, 10. März 2015