Berset bei Candle-Light: Ein privater Besuch

Basel. Mein Problem: Wie empfange ich den Herrn Bundesrat?

Mehlsuppe? Oder ein Schlücklein Fribourger Weisswein? Fondue? Oder Käsekuchen?

UND DIE HÄRTESTE NUSS: WO BEKOMME ICH AN EINEM MORGE­STRAICH UM HALB SECHS LICHT HER?

Im «Trois Rois» ist es dunkel wie im Magen einer Fribourger Kuh. NICHTS MIT LICHT.

Also lasse ich Kerzenleuchter in der Bibliothek aufstellen – dort, wo vor gut einer Woche der Dalai Lama gelächelt und Claudia Cardinale vor drei Tagen ihr Sexleben ausgebreitet hat.

Zugegeben. Es sind keine Scheinwerfer. Für einmal muss Herr Strahlemann Berset eben mit einem Kerzenlicht auskommen.

LEIDER HABE ICH NICHT AN DIE FEUERMELDER GEDACHT.

Jedenfalls ging der Alarm schon los, noch bevor der Bundesrat aufgetaucht war.

Natürlich sind sie zu spät. Pünktlichkeit ist nur die Höflichkeit der Könige. Aber nicht die des Bundesrats.

Und an einer Fasnacht ist eh jeder Zeitplan zur Sau. Zudem ist mir die ­Verspätung avisiert worden: Der Herr Bundesrat ist in seiner eigenen Gässle-­Faszination stecken geblieben.

(Trotzdem – ich erinnere mich an die Queen. Sie kam auf die Minute. UND DIES AN EINEM 1. MAI!)

Somit bleibt also noch Zeit, gescheite Fragen zu überlegen.

Gottlob gibts Google.

Fasnachtssujet hin oder her – m i r hat das Internet voll krass geholfen. Und erfahre all das, was Herr Berset der Schweizer Illustrierten Privates ausgeplaudert hat: drei Kinder mit «A»-Namen (das mit dem «A» sei jedoch reiner Zufall). Ein Grossvater habe als Bähnler gearbeitet und geweint, als sein Enkel zum 115. Bundesrat gewählt wurde.

Also ich werde Berset ganz bestimmt nicht bei Kerzenlicht und Mehlsuppenduft mit käsefädigen Polit-Fragen löchern.

ABER HIMMEL – WIE SPRECHE ICH IHN AN?

Herr Schloss-Baron?

Oder mit einem flockigen Spruch:

Bongschuur, Alain Fédéral.

N’est-ce pas: C’est kaibe frieh à Bâle!?

Oder etwa:

«Vous êtes le doué Süperheld

und stets wie aus dem Ei gepellt.»

Und dann kommt er. Nicht gepellt. Nein. Im Pullover. Und mit Wanderschuhen.

Er ist fröhlich. Locker. Sportlich.

UND MINDESTENS SO HEISS MIT SEINEM CHARISMA WIE DIESER GRIECHISCHE FINANZMINISTER, DER ZURZEIT DIE WEIBERWELT INS HYPERVENTILIEREN BRINGT.

Nein. Unser Alain ist noch besser. Er hat einen festen Gang. Und hampelt nicht diese Merkelschrittchen wie der griechische Macho-Jannis.

Wie wars?

«Also», er knipst sein Strahle­lachen an, wie die Lampenchefs das Gaslicht in den Laternen: «Wunderbar. Ich war zuerst im Rathaus eingeladen …»

ABER DAS IST DOCH GENAUSO ÖDE WIE IN DIESEN PREMIUM-­LOUNGE-AQUARIEN, WO MAN EIN FUSSBALLSPIEL HINTER GLAS SIEHT –MAN MUSS UNTER DIE LEUTE! MITTEN HINEIN INS LEBEN!

Wieder das Lachen. «Justement – deshalb bin ich auch auf die Strasse. Und ein bisschen herumspaziert!»

Und Eindrücke?

Er überlegt: «… du unter den Leuten. Plauderst. Es ist wie an einer Party. Und dann geht plötzlich das Licht aus. Und du tauchst ab in eine andere Welt … dieser Vier-Uhr-Moment ist unvergesslich. Die Dunkelheit. Und die Laternen, die einzigen Lichter in der Nacht. Trommeln, Pfeifen – das ist stark. Ich habe ganz kleine Grüppchen gesehen. Nur drei Pfeifer, ein Tambour – sie sind im grossen Sturm untergegangen. Und doch tapfer voranmarschiert …»

Ist die Schweiz im politischen Sturm dieser Welt nicht so ein kleines Schyssdräggziigli? (Na ja – ein bisschen Politik wollte ich dann doch noch in die Suppe streuen.)

Er schüttelt energisch den Kopf:

«Die Schweiz ist wie diese kleine ­Clique: Sie kann sich behaupten … und ist wichtig!»

Erste Basler Fasnacht?

«Ja. Ich habe mir immer vorgenommen, einmal den Morgestraich zu besuchen – dieses Jahr hats geklappt!»

… und hatte wohl mit der Ernennung zur Kandidatur für das Unesco-Kulturwelterbe zu tun?

«Sicher auch – aber wir haben in Fryburg schliesslich ebenfalls eine Fasnacht. Und in meinem Jahr in Brasilien habe ich dort den Karneval miterlebt. Aber hier ist eben doch alles anders. Und ich bin froh, dass ich dies alles mal hautnah spüren durfte!»

Wir haben viele Cliquen, die sich mit ihrem Sujet von der Schweiz trennen wollen – man hat genug von Bern. «Basel ist nicht Schweiz!» – sagen etwa die Kerzendrepfli. Und lancieren eine Volksabstimmung zur Abspaltung. Spüren Sie in Bern diese Unzufriedenheit der Basler?

«Nein – das ist mir nicht aufgefallen. Dabei habe ich viele Laternen bewundert. Ich habe viele weltpolitische Sujets gesehen. Das hat mich erstaunt. Ich dachte immer, die Basler würden sich in ihren Themen auf die eigene Stadt fokussieren …»

Wir haben eine schlechte Welt – das macht die Stimmen lauter.

«Das ist eben das Besondere an der Fasnacht – es ist der Zeitpunkt, wo man seine Sorgen aussagekräftig loswerden kann. Das ist wichtig. Das ist auch einer der Gründe, weshalb der Bundesrat die Basler Fasnacht als eine von acht Schweizer Traditionen für die Unesco-Liste des immateriellen Weltkultur­erbes einreichen möchte.»

Aber ihr habt zuerst die Fête des Vignerons ins Rennen gechickt.

«Ja. So kommt es vermutlich. Jedes Jahr kann nur e i n Vorschlag eingereicht werden. Basel kommt zur gegebenen Zeit ebenfalls an die Reihe …»

Was verbindet Sie ausser dem heutigen Fasnachtsbesuch noch mit der Stadt am Rhein?

«Ich bin öfters hier. Basel ist für mich ein sehr wichtiger Ort – das kulturelle Umfeld hier ist einzigartig. Im Juni treffe ich beispielshalber den öster­reichischen Kulturminister an der Art. Ich habe ihn zur Messe eingeladen …»

Er überlegt:

«Ich habe ja auch einige Monate in Hamburg gelebt …»

Aha – deshalb das perfekte Deutsch?

«Nun ja – Deutsch lernte ich auch in der Schule. Aber ich wollte sagen: Zwischen Hamburg und Basel gibt es Parallelen – man spürt bei beiden Städten irgendwie die weite Welt, schmeckt die Ferne, beide haben einen Hafen, von wo die Träume zum Meer getragen werden – ich finde Basel die ‹offenste› Stadt der Schweiz.»

DAS HAT ER JA NETT GESAGT.

Und Parallelen zum Kanton ­Fribourg?

«Tinguely. Ich habe ihn noch zu Beginn der 90er-Jahre im Restaurant von Corpatoo kennengelernt. Und wenn da auch eine gewisse Rivalität zwischen den Tinguely-Museen von Basel und Fribourg besteht – sie sind beide wichtig …»

Tinguely war ein grosser Fasnächtler. Er gehörte den legendären Kuttlebutzern an und hat Züge entworfen, Masken kreiert …

«Das wusste ich nicht …»

Was würden Sie zum Schluss all diesen Leuten in unserer Stadt raten, die denken, sie seien in Bern ungehört. Und keiner würde die kleine Stadt am Rheinknie wahrnehmen.

Wieder das Strahlelächeln: «Sich zu Wort melden. LAUT. Die Probleme ­thematisieren – und nicht nur an einer Fasnacht!»

Er muss weiter: Zuerst nach Graubünden. Gegen Abend nach Zürich. Das braucht Kondition.

«Ich war früher Mittelstrecken­läufer. Ziemlich gut. Seit einiger Zeit habe ich das Joggen wiederaufgenommen – Joggen und Klavierspielen. ­Wunderbar gegen Stress!»

Er ist wirklich speziell – und speziell sympathisch.

Dennoch – wir müssen ihm punkto Fasnacht noch ein bisschen auf die Sprünge helfen:

«… und bi dr näggschd Kultur-­ Erb-Wahl

dänggsch an dr Carneval de Bâle,

autrement c’est fertig luschtig

et le Bebbi mega fruschtig.

Tu n’es plus le conseiller

Mega sexi et doué.

Non – tu serais (das muesch begryffe)

Comme les andere six Pfyffe!»

«Die Schweiz ist wie eine kleine Clique. Sie kann sich behaupten und ist wichtig.»

«Und plötzlich geht das Licht aus. Und du tauchst ab in eine andere Welt.»

Unvergesslicher Vier-Uhr-Moment.«Also … wunderbar.»

Dienstag, 24. Februar 2015