Die Tasche

«Ach Ulli!» – Rena lag ihrem Mann in den Armen. «Du hast sie mir wirklich gekauft…!»

Das war am Heiligen Abend gewesen.

Und Ulli hatte tatsächlich.

Allerdings nicht in der eleganten Boutique an der Nobelstrasse. Sondern er konnte die Vuitton-­Tasche von einem Arbeitskollegen für einen ­Drittel des Preises bekommen: 1000 Eier! Das war für diesen Sack immer noch mehr als genug.

Als Rena die Tasche am Neujahrstag erstmals ­ausführte, sah sie den hellen Fleck auf dem dunklen Leder. Zwei Tage später untersuchte eine gestylte Verkäuferin mit Namensschild «Monique» den Fleck. Und schüttelte den Kopf: «Es tut mir leid – diese Tasche ist eine billige Fälschung. Nur der Fleck ist echt!»

Drama. Heimkrieg. Renate sperrte Ulli aus ihrem Schlafzimmer. Dann Stummfilm.

Ulli stand schliesslich reumütig vor Frau ­«Monique»: «eine Vuittontasche bitte – so eine!», er zeigte das Duplikat: «…aber in echt!»

Verkäuferin «Monique» lächelte honigsüss: «Aha!»

Es schien, als hätte sie mit Ehemännern und ­solchen Geschichten ihre Erfahrungen.

«Hier!», sagte Ulli daheim. Und: «…Kann ich jetzt wieder drüben schlafen?»

Er konnte. Und bewunderte einmal mehr Renate für die Idee, was er mit der falschen Tasche ­anstellen könnte: «Rolli, dieser alte Geizhals, wird darauf springen», lachte sie. Und streichelte ­kreisend seinen Bauch.

Am andern Tag rief er seinen Golf-Kollegen an: «Renate hat mir gesagt, deine Erika hätte gerne eine Vuitton-Tasche. Dummerweise haben wir zwei – Renate hat eine von mir und eine von ihren Eltern geschenkt bekommen. Ich trete sie dir gerne für einen Tausender ab. Sie ist noch ganz neu… wäre doch etwas für den silbernen Hochzeitstag…»

Die Lüge mit den Eltern und den Hinweis auf den «Hochzeitstag» hatte ihm auch Renate gesteckt. Erika und sie waren das, was die Frauenwelt «beste Freundinnen» nennt.

«Ok», seufzte Roland. «Aber nur 800!»

Renate hatte die Tasche bereitgestellt. Der Handel fand in Ullis Auto statt – das Drama dann daheim. Renate stürzte ihrem Mann heulend in die Arme: «Ich habe dir die falsche Tasche mitgegeben…»

Er lachte: «Aber die falsche war doch richtig…»

«Eben nicht», schluchzte sie, «die Richtige hat nun sie. Und ich die falsche…»

«JA VERDAMMICH…!»

Renate heulte auf wie ein angeschossenes Reh.

Wieder Drama. Dann Stummfilm. Dann ­Ausschluss aus dem Paradies.

Ulli pennte wieder auf der Coach.

Einmal startete er einen Versuch: «Ich könnte doch Roland anrufen und ihn bitten, die Taschen auszutauschen. Da ist ja nichts dabei…»

«ULRICH!»

Es blieb bei den Nächten auf dem Sofa.

Nachdem er sich dort einen Hexenschuss geholt hatte, stand er wieder vor Verkäuferin «Monique»: «Noch eine – bekomme ich Prozente?»

Sie schaute ihn an, als ob er in all dem Nabel zum Noblen nach einer grünen Kuh gefragt hätte. Zu Hause bettete Renate Ulli wieder neben sich ein.

Dann rief sie Erika an: «Hallo Liebes – es hat geklappt. Monique hat mich vor einer ­Viertelstunde kontaktiert – er war in der Boutique. Am Dienstag führen wir die beiden Taschen ganz gross aus… ich lade dich ein!»

Jubelschrei am andern Ende des Hörers.

Renate lachte: «…Diese versnobte Anneliese im Fitnessclub hat mir die Fälschung für 500 Franken abgekauft. Mit dem Geld lassen wirs jetzt ­krachen… Du ich muss… ich höre das Auto…»

Als Ulrich mit dem Vuitton-Sack unter der Türe stand, hüpfte ihm Renate an den Hals: «Ach Ulli, du hast sie mir wirklich gekauft?!»

Montag, 12. Januar 2015