Fleck auf Schlitz

PLATSCH!

«Leck mich!», stöhnte Cédric.

Er sah, wie das Gemisch von Mangomark und Joghurt langsam über seinen Hosenschlitz schwabbte – eine weissgelbliche Flutwelle in Zeitlupe.

«VERDAMMICH!» – Cédric erhob sich vorsichtig. Und streckte die Genitalzone nach vorne, damit die Flutwelle nicht weiter rutschten konnte. Dann tauchte er die Frühstücksserviette in das Glas Wasser, das neben dem Espresso stand.

Langsam begann er an der prekären Stelle zu rubbeln.

«Alles sein gut?», schaute ihm die Kellnerin ­interessiert zu.

Es war eine Slowenin. Sie steckte in einer dieser Fantasietrachten, die das Wiener Service­personal zu einer trächtigen Einheit kleidet.

Diese dumme Trachten-Kuh hatte Cédric zum Joghurt verführt.

Eigentlich hatte er nur einen Espresso bestellt. Aber dann hatte sie ihm dazu noch ein dickes Glas angeschleppt – das Kleingefäss sah aus, wie eines dieser Einweckdinger, in denen seine Grossmutter früher Konfitüre eingemacht hatte. Und in denen die «neue Küche» jetzt einfach alles serviert – von Kopfsalat bis Hummercocktail.

Hier also: Magerjoghurt mit püriertem Mango-Mark.

«Mussen essen, schönes Mann», hatte die Trachtentrine ihn angemacht.

Bei Süssem war er schnell schwach. Und eben als er den etwas übervollen Löffel zu den Lippen führte – DLAGG! Und Volltreffer.

«Soll putzen?», schaute die Serviererin Cédric mit zwinkernden Augen an.

«Geht schon», bellte der gereizt. Aber nichts ging. Als das Wasser trocknete, blieb ein Fleck auf dem Hosenschlitz zurück, der nach allem aussah – nur nicht nach Magerjoghurt aus einem hippen Einweckglas.

«LECK MICH!», griente Cédric.

Er hatte keine Ersatzhose dabei. Und ausgerechnet mit diesem Schmierschlitz sollte er nun zu einem Auftragsgespräch bei Schmitt und Co.

Cédric war am Vorabend nach Wien geflogen. Er hoffte, den Auftrag für seine Firma in Luzern an Land zu ziehen. Schmitt und Co eröffnete dort eine Filiale. Cédrics Eventfirma stand fürs ­«Opening» in der engen Wahl.

Nein – es blieb jetzt weder Zeit für eine Quick-Schlitzreinigung. Noch für den Kauf einer neuen Hose. In 20 Minuten wollte Herr Schmitt ihn persönlich im «Demel» treffen.

Im Taxi überlegte Cédric, was er sagen sollte – etwa die Zahnpasta sei ihm von der Elektrobürste gerutscht? Oder ganz einfach die Wahrheit? – MANCHMAL SAH DIE WAHRHEIT AM ­VERLOGENSTEN AUS!

Er schaute sich im dunklen Teil von Demels ­Kaffeehaus um. Ein kleiner Herr mit effektvollem Rondpoint winkte ihm zu: «Herr Cédric?»

«Herr Schmitt?», winkte Cédric zurück.

Da hievte sich das Männchen mit seinem dicken Bauch aus dem Plüschsofa hoch. Und streckte Cédric jovial beide Arme entgegen.

Leider sitzt man bei «Demel» sehr eng. Zwischen Tisch und Plüsch hats kaum Platz – vielleicht für ein paar Japaner und Chinesen. Aber nicht für die Wiener Wampe von Herrn Schmitt.

Der Tisch kippte um – das Kännchen mit dem Rahm direkt auf Cédrics Hose.

«JESSESMARIA!», hauchte Schmitt von Schmitt und Co. «Alles halb so wild», lächelte Cédric. Und rubbelte los.

«Natürlich vergüten wir Ihnen die Hose», ­entschuldigte sich das Männchen zum dritten Mal. Eine Stunde später feierte Cédric sein Glück mit einer Portion Buchteln im «Hawelka». Sie waren mit herrlicher Topfencreme gefüllt.

Er verdrehte genüsslich die Augen. Biss zu.

Und PLATSCH!

P.S. Cédric kam mit dem Auftrag von Schmitt und Co nach Luzern zurück. Und mit drei Paar Hosen.

Montag, 1. Dezember 2014