Rosenkrieg

Sie war das Übel auf zwei magern Beinen.

Früher war sie einfach nur eine Krawallschachtel gewesen.

Die Jahre machten sie leiser. Aber giftiger.

Esmeralda Hoffmann war kinderlos. Sie hasste Kinder, Nachbarn und Haustiere.

Liebevollere Gefühle brachte sie nur ihrem Bankkonto entgegen. Und den Rosenbeeten.

Sie leistete sich kein Hausmädchen. Aber einen Gärtner. Ihr Park war ein echter Rosentraum.

Dieser Traum wurde nun arg gestört, als die Busers ins Nachbarhaus einzogen!

Die Busers hatten Kinder. Und bliesen schon am ersten Sonnentag ein Gummibassin auf.

Hinter Esmeraldas Hag herrschte ein Treiben wie an einem Grümpelturnier.

«Ich hätte gerne Ruhe! Wir sind uns solchen Lärm in dieser Gegend nicht gewohnt!», brüllte sie über den Hag.

Frau Buser liess sich nicht auf die Nase pinkeln: «Ach ja? In unserer Gegend haben wir es gerne fröhlich …»

Es wurde Krieg. Ein Rosenkrieg. Denn: «… eure grosse Tanne macht meinen Rosen Schatten. Drei Beete serbeln schon. Der Baum muss weg …»

«Bei uns sterben keine Bäume!», fauchte Ernestine Buser. Auf ihrem T-Shirt lächelte das Smiley der Sonnenenergie. Müssen wir noch mehr sagen?

Esmeralda hetzte Carlos, ihren mexikanischen Gärtner auf den Baum los: «TU ENDLICH WAS!»

Er schaute sie fragend an.

«Du wirst doch irgendeinen Kniff kennen, wie man eine Tanne ins Jenseits befördert. Mach hier nicht auf Papst!»

Carlos war eingeschnappt:

«Wir nix töten Leben, nur töten Schlangen wo Giftzahn …»

«Weichei», blaffte Esmeralda.

Sie googelte sich durchs Internet. Stichwort: BAUMMORD.

Nach einer halben Stunde wusste sie Bescheid. Und schüttete nun Nacht für Nacht einen Eimer mit trübem Gebräu über den Gartenzaun. Esmeralda streichelte ihre Rosen: «Bald gehts euch ­besser, ihr Lieben …»

Unter den Rosen hatte sie vor drei Jahren ihr Erspartes vergraben. Nachdem Obligationen nichts mehr brachten und die Aktien nur noch Verluste einfuhren, hatte sie alles Geld vergoldet. Und Carlos die Barren verbuddeln lassen. Allerdings schien das Gold den Rosen nicht sonderlich zu behagen … sie welkten früh …

Eines Tages klingelte Ernestine Buser an der Türe. «Haben Sie um Mitternacht Wasser auf unsern Baum geschüttet?!»

«Ich habe Gescheiteres zu tun!» – PENG!

Die Türe knallte ins Schloss.

Nach zwei Monaten zeigten die Tannenäste im Nachbargarten eine gelbliche Farbe. Nach vier Monaten verloren sie die Nadeln.

«Jesus!», schüttelte Carlos den Kopf, «ein schwarzes Wunder … Baum sterben!»

Am andern Tag fielen dann auch bei ihr die Nadeln – im übertragenen Sinne. Die Polizei fand Esmeralda Hoffmann mit einem Strick erwürgt im Fernsehsessel.

Natürlich gabs eine riesige Aufregung in den Medien – etwa: «KILLERSTREIT IM GARTEN …» Oder: «ZUERST DIE TANNE, DANN DIE TANTE …»

Die Polizei ermittelte fieberhaft. Und Ernestine Buser musste dreimal zum Verhör antanzen. Aber da sie nachweislich dem buddhistischen Glauben verpflichtet war, war ihr selbst eine Fliegenmade heilig. Im Übrigen habe sie den Abend an einer Ooohm-Sitzung bei ihren tibetanischen Tempelfreunden verbracht.

DAS ALIBI WAR EINWANDFREI.

In Esmeraldas Haus fehlte nichts. Alles Bargeld noch in der Handtasche. Also konnte auch «Raubmord» ausgeschlossen werden.

Der Fall wurde unter «unaufgeklärt» ins Polizeiarchiv abgelegt. Der Staat rieb sich die Hände, weil er eine nette Villa mit Garten erbte.

Und in Mexiko versilberte Carlos die Goldbarren. Er eröffnete mit dem Geld ein «Bed and Breakfast» in der Sierra Madre.

P.S. Der Staat funktionierte das Haus zu einer Kinderkrippe um. Mit Gummibassin.

Montag, 22. September 2014