Sven Epiney: «Musik war ja schon immer mein Ding»

«Ist die Pelikano-Bar o.k. für dich?»

«Ja klar!»

Natürlich kenne ich die Pelikano-Bar nicht. Sie liegt in Zürich Downtown. Und ich bin ein Basler Dreiländereck-Ei. Aber wer gibt das schon zu? Deshalb also: «Ja klar!»

Später sitze ich im Düstern.

Die Bar ist in das legendäre Kauf­leuten integriert. Sie hat wunderbar freundliches Personal (und um dieses freundliche Service-Personal kann man als Basler schon neidisch werden) – da wedelt auch bereits so ein fröhlicher Barista mit einem blinkenden Handy an: «Herr Epiney liegt im Hörer…»

Dessen Stimme tönt rau-verstaubt. Später erfahre ich, dass er sie mit ­Emser-Pastillen über Wasser hält. Denn sie ist am Absinken. Und das wäre jetzt der absolute GAU – denn jeden Abend steht Sven in der Kleinen Zürcher Niederdorf-­Oper auf den Brettern. UND SINGEN SOLLTE ER AUCH NOCH.

Und: «…machst du mir den Gong, wenn ich dich vom Kaufleuten weg in die Purpur-Bar abrufe? Wir sind da noch an Besprechungen. Du kennst doch die ­Purpur-Bar?»

«Ja klar!» (Siehe oben.)

Der Taxichauffeur kennt die Purpur-Bar auch nicht. Er kommt aus Anatolien und könnte mir eine andere Bar empfehlen, wo es feurige Mezze und noch feurigere Bauchtänzerinnen gibt.

Ich wechsle auf einen andern Chauffeur. Der fährt mich zum Bahnhof ­Stadelhofen: «Jetzt müssen Sie einfach fragen… es ist hier irgendwo!»

ABER HALLO! – JETZT KOMMST DU AUF DIE WELT! Da soll mir keiner mehr schräg über die Zürcher wettern. DIE SIND JA SO WAS VON NETT. UND FREUNDLICH. Gleich drei haben diese hypermodernen Flachhandys mit den Grossbildschirmen gezückt. Drauf rumgefingert. Und mir den Weg per Google City Information auf einem Hand­drucker rausgehustet.

Da ich keine Karten lesen kann, hat einer mir den schweren Pralinensack von Sprüngli abgenommen: «Das ist kein Problem, guter Mann. Ich zeigs ­Ihnen gerne!»

BITTE: ZÜRICH! DIE WISSEN DORT, WOS LANGGEHT – UND ZEIGEN ES DEN ANDERN!

Da waren wir auch schon am Ziel – wieder etwas düster zwar. Aber marokkan-ägyptisch gemütlich. Mit Kuschelkissen. Nischen. Und diesen stimmungsvollen Lampen, wie sie auf dem grossen Bazar von Istanbul vom Himmel hängen.

Sven grinst: «Sorry. Ich bin sonst nicht so, aber heute ist ein Wahnsinnstag. Und dann noch die belegte Stimme…»

Er singt, spielt und tanzt den Gauner Willy. Dies schon in der dritten Saison. Und es macht ihm noch immer viel Spass: «Ich muss meine Gurgel einfach wieder auf Vordermann bringen…»

Klar. Wäre ja nicht gerade das Gutzi, wenn ausgerechnet der Moderator von «The Voice of Switzerland» nur Krähenkrächzer rauslässt…

Er ist jung (später merke ich, dass dies täuscht und der Jüngling statistisch erhobene 42 Jahre auf dem Tacho hat). Dazu ist er dynamisch. Und vor allem: erfrischend unkompliziert. Dies alles macht es wohl aus, dass er zum helvetischen Fernsehliebling geworden ist. Und hier immer wieder die entsprechenden Publikum-Awards abgesahnt hat (Prix Walo 2004, Glanz & Gloria Award 2007, TV-Preis usw.).

Er bestellt Tee mit viel Zitrone – «ja klar, wegen dieser heiseren Stimme». (Das Heisere ist aber echt heiss und brummt ihm einen unglaublichen Sexappeal in jeden Satz). Dann plaudern wir über seine Jugend: Eigentlich ist er Walliser (und nicht Berner, wie viele glauben). Er ist in Naters geboren. Dann Kinderschuljahre in Sion: «Da habe ich mich ein bisschen in die französische Sprache eingefühlt. Hat etwas gebracht.»

Tatsächlich plaudert er französisch so geläufig wie deutsch und moderierte gar ein Jahr lang eine französischsprachige Livesendung auf TSR.

Umwerfend ist aber sein butterweiches Berndeutsch – «…ich bin als Siebenjähriger in die Bundesstadt gekommen. Später habe ich in Köniz das ‹Lehrersemi› gemacht. Und studierte Jura an der Berner Uni…»

Ein juristisch gewandter Primarlehrer also, der nach dem Studium die Kurve zur Moderation gekratzt hat?

«Überhaupt nicht. Ich war schon mit 12 Lenzen Moderator. Und zwar beim Lokalradio Förderband. Die haben junge Leute gesucht. Ich kam. Blieb. Und habe mit 16 Jahren dann bereits hin und wieder das Tagesprogramm moderiert…»

UND DIE SCHULE?

Er lacht: «Das w a r doch die beste Schule! Natürlich habe ich daneben die Schulbank gedrückt – aber jede Sekunde meiner Freizeit war Mikrofon-Time. Das wurde schon damals meine Welt…»

1993 entdeckte ihn das Schweizer Fernsehen bei einem Casting für das Tagesfernsehen (TAF). Und dann gings erst richtig los…

«Ja. Ich hatte Glück…»

…hatte aber auch die gute Nase für Show. Dazu eine zünftige Portion Kreativität. Er konzipierte die erste eigene Sendung – TAF-Star. Und wurde ihr Moderator. Daneben hörte man ihn am Radio in den Morgenshows und bald schon landete er auch bei DRS 3, wo er sich der Schweizer Hitparade annahm.

«Musik war ja schon immer mein Ding. Bereits als Fünfjähriger habe ich in die Tasten gehauen und Klavierstunden bekommen. Später ging ich aufs Konservatorium in Bern. Und dann kam die Zeit der Pure Pleasure…»

Das war seine Band, die er mit Reto Peritz, dem einstigen Moderator von Radio 24 gründete.

Ihr habt da richtig rumgerockt?

«Aber ganz sicher. 1996 kam unsere Single gar in die Schweizer Charts – na ja: nur 44. Position. Aber immerhin! Und einmal durften wir gar die Vorgruppe bei den Backstreet-Boys im Hallenstadion sein. HEEE – DAS HAT MEGA SPASS GEMACHT!»

Du weisst also, wovon du redest, wenn du demnächst in Kopenhagen den Song Contest kommentieren musst?

«Ja. Irgendwie bringt es schon etwas, wenn man sich selber mal in diesem Metier ausgetobt hat. Man weiss, wie sich alle fühlen – freut sich oder leidet mit ihnen. Es ist spannend…»

Viele finden die Sache absoluten Shit. Und herausgeschmissenes Geld…

«Also die Sendung hat viele Fans – überdies ein Riesen-Echo in den Medien. Den Zweiflern sage ich immer wieder: Wir gehen ja nicht nur mit dem heissen Gedanken zu gewinnen dorthin. Wir machen mit, sind dabei … aber bitte: Das war doch irgendwo mal der olympische Gedanke! Wir fahren ja auch an die Fussball-WM – und keiner erwartet, dass wir mit dem Pokal heimkommen.

Natürlich ist es genial, wenn dann einer der Schweizer im Finale ist – man kann an so einem Anlass nämlich auch wachsen. Sich perfektionieren. Erfahrungen sammeln. Wie etwa Anna Rossinelli. Der Baslerin hat der Finalplatz im Song-Contest viel gebracht. Sie kann heute als Profi-Sängerin leben…»

Wie sieht denn der Grand-Prix-­Abend im Mai für dich aus?

«Na ja – das ist nicht wichtig: Kabine. Mikrofon. Eine Tonne Infos. Und keiner sieht mich. Wichtiger ist, wie der Abend für die Schweizer aussieht. Ich sage da meinen Freunden immer: Macht euch eine tolle Nacht … geniesst den Event in einer Clique, mit der ganzen Familie, mit Kollegen … wettet mit … das gibt ein echt spannendes Happening. Man muss einfach unvoreingenommen an die Sache herangehen. Und ihn sich als grossartiges Spektakel reinziehen…»

O.k. Aber nochmals: Wie sieht das bei dir aus?

«Nun. Wir spicken uns Tage vorher mit Daten voll… recherchieren über die Gruppen und Sänger … nun ja, ums so richtig übertrieben auszudeutschen: Wir kennen alles bis zu den Schuhnummern der Grossmütter… und können gut fundiert starten. Viele der Gruppen trifft man vorher an den Proben – mit einigen ist man im selben Hotel. So lernt man eigentlich alle näher kennen. Und fiebert mit jedem mit. Dieses Mitfiebern versuchen wir dann auch den Zuschauern rüberzubringen…»

Das wäre dieses Jahr am 10. Mai?

«…also eigentlich am D o n n e r s t a g, 8. Mai. Da steigt unser Tessiner Sänger für Helvetien in die Vorentscheidung. Am 10. Mai ist dann das Finale – also die Nacht der Nächte, wenn du so willst…»

Hat die Schweiz eine Chance?

«Das kann man nie voraussagen – es kommen da so viele Dinge zusammen, die das entscheiden. Doch eben: Ich finde es nicht sonderlich wichtig, wer da gewinnt. Sondern, dass es ein total verrückter, spannender und hypobunter Abend wird…»

«Voice of Switzerland» – sind da Parallelen?

«Abgesehen vom Singen nicht. Bei ‹The Voice› entscheidet am Anfang nur die Stimme über das Weiterkommen oder Ausscheiden. Die Coaches haben die Talente vor ihrem Auftritt noch nie gehört oder gesehen. Das ist als Moderator bei einer Live-Sendung natürlich eine Herausforderung – da muss man dann eben improvisieren, flexibel sein. Und auch ein paar Takte Einfühlungsvermögen mitbringen…»

Irgendwo habe ich gelesen, du seist der absolute Sport-Freak.

«…ich habe mich schon als Kind gerne bewegt und viel Sport gemacht. In Bern wurde ich Jugend-Judomeister meiner Kategorie. Ich habe bis zwanzig Handball gespielt – und war Fitness- sowie Konditionstrainer der Berner Berufsfeuerwehr. Ich bin eben ein Bewegungsmensch. Heute fahre ich viel Ski, jogge und tobe mich einmal pro Woche beim Badminton aus…»

Und Musik?

Er grinst: «Ich habe mir jetzt einen Mini-Flügel gekauft. Und fange wieder an, auf den Tasten rumzuspielen. Doch was die Basler vermutlich vielmehr interessiert: Ich dirigierte und arrangierte als Tambourmajor fünf Jahre die Berner Guggemuusig ‹Gassefäger› – heee war echt heiss!»

Na dann – und heute weckst du die Schweizer auf SRF 1 mit «Morgenstund hat Gold im Mund»?

«Ja. Nach zwölf Jahren SRF 3 – dem einstigen DRS 3 – macht mir die Arbeit in unserm Morgenteam immer noch viel Spass.»

Pläne?

«In diesem Beruf hast du tausend Pläne … musst immer auf dem Quivive sein … heute schneit das herein, morgen das. Bald stehen zum Beispiel die Proben für die ‹Variété-Show› an, mit der ich im ‹Das Zelt› bis Ende Dezember immer wieder unterwegs bin. So etwas verlangt einem viel geistige Beweglichkeit, Flexibilität und Improvisation ab.»

Improvisieren kann er, weiss Gott! Meine Kleinstkamera geht nämlich nicht. Ich verstehe eh nichts vom Fotografieren und sollte ihn dennoch im Bild haben – Sven nimmt mir den Apparat aus der Hand: «Fotografieren ist auch ein Hobby von mir …»

Er kann bestimmt auch schneien.

Dann werkelt er an diesem Höllending herum: «So. Jetzt stehe ich dorthin. Dann musst du nur noch abdrücken!»

«Scheissbilder!» – knurren sie später auf der Fotoredaktion.

Mein Gott – da wird doch was zu machen sein. Die sollten mal bei Epiney improvisieren lernen!

Samstag, 3. Mai 2014