Jürgen Mack (Geschäftsführer Europa-Park): «Wir wollten einen Park, der allen Spass macht»

Er begrüsst uns vor dem Kolosseum. Und er ist wohl der einzige Hausherr in Europa, der nur einen Steinwurf entfernt von Schneewittchen wohnt.

Vor dem Apéro karrt er seine Gäste schon mal kurz in ein isländisches Dorf. Oder zu einer Bob-Fahrt in die Schweiz.

Auf seinen 95 Hektaren empfängt seine Familie in einem Jahr knapp fünf Millionen Gäste. Da sind schon mal Stéphanie von Monaco, Eisprinzessinnen wie Katarina Witt oder Denise Biellmann, Fussballlegende Franz Beckenbauer oder ein einstiger amerikanischer Präsident dabei.

Jürgen Mack lächelt bescheiden: «Nun ja – es sind alles Freunde…»

O.k. – aber wer kann seinen Freunden schon mit einem Dutzend Ländern, fünf eigenen Hotels und 4500 Betten vor der Haustüre auftrumpfen?

Jürgen Mack kann es. Zusammen mit seinem Bruder Roland und den beiden Neffen Michael und Thomas ist er der Herr über den bedeutendsten Freizeitpark in Europa. Seine Familie – nun in der achten Generation – versinnbildlicht das Wunder von Rust. Oder eigentlich: Die Macks s i n d Rust. Und der ­Europa-Park.

Jürgen Mack führt uns über die italienische Piazza. Man atmet Venedig (mit stachelndem Gondoliere im Boot), Florenz, Rom – und im Ristorante breitet ein Jünger Cesares die Menükarte aus: Spaghetti, Pizze, Saltimbocca, Insalata Caprese … und dies (muss man neidisch zugeben) in einer Qualität, welche jede Touristen-Osteria am Tiber glatt in den Schatten stellt.

«Qualität ist das Allerwichtigste», erklärt Mack, «wenn wir in unserm Erlebnisbereich Frankreich eine Crêpe servieren, muss diese dem Gast Paris auf die Zunge zaubern. Sie muss einfach besser sein, als jede Crêpe rund um den Eiffelturm. Daran arbeiten wir hart. Qualität und Kreativität – das macht den Park aus. Das Europa-Park-Familienunternehmen hat sich immer zum Ziel gesetzt, junge und alte Herzen höher schlagen zu lassen – und dies nicht nur auf der Achterbahn!»

Die Geschichte des Familienunternehmens ist einzigartig. Auch faszinierend: «Unsere Vorfahren waren Brunnenmeister. Dann Holzbauer. Die Familie war in Waldkirch angesiedelt. Im vorletzten Jahrhundert haben wir dort noch Kutschen gebaut. Später Wagen. Wir haben für den Circus Krone die meisten Zirkuswagen gebaut. Die Kundschaft bestand vorwiegend aus Schaustellern. Für sie ­haben wir die Wohnwagen konzipiert – später auch Karussells. Dann Bahnen. Und so hat eigentlich alles angefangen…»

Es war 1972 als Franz Mack mit seinem älteren Filius Roland in den USA die Vision zum eigenen Freizeitpark hatte: «Mein Vater wollte ein ‹Schaufenster›, wie er das nannte. Er wollte einen Park, wo er die Bahnen, welche unsere Firma ‹Mack Rides› herstellt, aufstellen konnte. Damit sich die Kunden ein Bild von dem machen konnten, was sie bei uns bestellten…»

Es galt eine genügend grosse Ausstellungsfläche zu finden. Zuerst war Breisach im Gespräch: «An der deutsch-französischen Grenze gelegen, schien die Stadt ideal für einen Freizeitpark. Mein Bruder war schon damals der Meinung, dass es kein regionales Vergnügungsland werden sollte – sondern, dass man sich da zum Ausland hin öffnet. Auch mit den Themen­ideen…»

Es gab Probleme. Das Wasser- und Schifffahrtsamt stellte sich quer – also musste ein neuer Standort gesucht werden: «…unser Interesse stiess nun auf ein Gelände, das direkt an der Bundesautobahn Karlsruhe–Basel in der Nähe von Neuenburg lag. In Rust wurden wir auf das Land um einen Jahrhunderte alten Schlosspark aufmerksam. Das war der Anfang…»

Und wie haben die Leute von Rust reagiert?

«Nun – das war 1975. Rust war ein Dorf mit 2000 Leuten. In einer Gemeindeversammlung wurde abgestimmt. Und die Leute standen sofort hinter uns. Sie fanden das Projekt spannend – auf Forderung des Bürgermeisters haben wir dann einen Passus in den Vertrag eingebaut, dass jeder Ruster immer freien Eintritt in seinen Vergnügungspark hat…»

Es lohnt sich also einen Ruster zu heiraten?

Jürgen Mack lacht: «Rust ist immer ein Gewinn…»

Immer?

Er wird nun ernster: «Nun – wir brauchten drei Jahre Bauzeit, um unsern Traum umzusetzen: eine Kombination aus Parkanlagen, Unterhaltung, Kultur und den hauseigenen Bahnen.»

Natürlich gab es viele Unkenrufe. Und die anfängliche Skepsis war sehr gross. Auch die Presse hielt nicht mit ­negativen Schlagzeilen zurück: «Der Pleitegeier schwebt über Rust…» und: «Was geschieht mit der Freizeitruine im badischen Fischerdorf?» Na danke. Da kam nicht gerade Euphorie auf.

«Als aber mein Vater und mein älterer Bruder 1975 zur Eröffnung bliesen, war der Ansturm enorm. Wir hatten schon in der ersten Saison 250 000 Besucher – ein Jahr später beinahe das Dreifache…»

Was war das Ziel?

«Wir hatten eigentlich kein kommer­zielles Ziel – sondern einfach, dass die Sache gefällt. Wir wollten einen Park bauen, der allen Spass machen sollte – Alt und Jung. Natürlich träumte mein Bruder schon mal laut ‹das absolute Highlight wäre, wenn wir eine Million Besucher in einer Saison zählen könnten …› Die Mil­lion war so eine Zahl, die irgendwo hoch oben in den Wolken schwebte…»

Und wann wars so weit?

«Bereits 1978! Da verstummten die Unkenrufe definitiv. Und wir begannen, die europäischen Themenkonzepte zu ­planen, wozu wir den Filmarchitekten Ulrich Damrau hinzuzogen. Gestartet wurde 1982 mit Italien … es folgten Holland, England, Frankreich, Skandinavien, die Schweiz, Spanien, …na ja: Wir waren da schon fast Pioniere. Jedenfalls haben wir Europa auf spielerische Art vereint.»

Und ihr habt sogar die Schweiz ins Vereinigte Europa reinbekommen!

«Stimmt. Wir haben ein Walliser Dorf gebaut. Samt Bob-Bahn. Immerhin machen die Schweizer heute 20 Prozent unseres Besucheransturms aus. Und man kann sicher sein: Sie wollen ihre Raclettes im Walliser Dorf, wie auch die Italiener sich ihre Pizza auf der Piazza reinziehen wollen…»

Es gibt in der Walliser-Schweiz aber auch einen Basler-Teil…

«Ja. Zu Ehren von Selmeli Ratti. Das Popcorn-Selmeli, wie es die Basler genannt haben, hat sicher über 600 Reisen mit Bedürftigen oder Behinderten zu uns unternommen. Eines Tages stand es einfach da – in seiner Basler Tracht. Und mit der unverkennbar scherbelnden Stimme: «Wo isch dr Chef?!»

Mein Bruder wurde gerufen. Und Selmeli zeigte auf seinen alten Autobus: «Das sind alles Behinderte – willst du ­denen eine Freude machen …?»

«Das war der Anfang einer grossen Freundschaft. Im letzten Jahr, mit 94 Jahren, hat es uns das letzte Mal besucht. Ich bin mir nicht sicher, ob es alles noch mitbekommen hat – wir haben Selmeli in sein Haus mit den alten Puppen und den wunderbaren Puppenkleidern, die es uns ­überlassen hat, geführt. Es sass in seinem Rollstuhl. Und in seinem Gesicht war ein Lächeln. Es hat uns alle unglaublich berührt – das Selmeli ist ein Stück unserer Europa-Park-Geschichte…»

Man sagt der Europa-Park sei heute mit fast fünf Millionen Besuchern pro Jahr das meistbesuchte Tourismusziel in Deutschland?

«Nun. Stimmt nicht ganz. Das zweitmeiste. Der Kölner Dom steht an erster Stelle…»

Nun gut – aber ihr seid der besucherstärkste saisonale Freizeitpark weltweit.

«Ja. Das stimmt. Natürlich gibt es das Tivoli, den Prater in Wien, den Luna-Park in Rom – aber das sind Städte-Parks. Zu uns reisen die Leute extra hin. Das ist der Unterschied. Und wenn sie hierher kommen, wollen sie auch etwas länger bleiben. Deshalb haben wir fünf Vier-Sterne-Hotels und ein Camp-Ressort gebaut. So können 4500 Gäste übernachten…»

Wie hoch ist die Auslastung?

«Über 90 Prozent...»

Das sind Zahlen, von denen andere Hoteliers träumen.

«… es bringt aber auch einen enormen Erwartungsdruck mit sich. Wir müssen jede Saison zwischen November und ­Ostern frisch renovieren. Der Verschleiss ist recht hoch. Die Touristen, die uns besuchen, erwarten eine Märchenwelt, in der alles perfekt funktioniert...»

Dazu braucht es viele, viele Hände…

«Ja. Über 3500 Angestellte während einer Saison mit Saisonarbeitern, dazu rund hundert Auszubildende – wir sind dennoch eine grosse, kleine Familie. Alle ziehen am selben Strang. Familienmitglieder und Mitarbeiter. Deshalb wohnen wir auch hier auf dem Gelände … mein Bruder mit seiner Familie, ich mit meiner. Wir wollten das auch nie anders. Wir haben das von zu Hause so mitbekommen…»

Und das heisst?

«Nun. Der Wagen-, Karussell- und Bahnenbau fand vor unserer Stube statt. Mein Vater ging auch an Feiertagen in sein Büro. Und wenn meine Mutter sich beklagte, ‹nicht einmal an einem Sonntag bist du daheim›», lachte er nur; «aber ich bin doch da…»

Apropos – ihr seid eines der letzten grossen Familienunternehmen. Das ist heute schwierig. Kein Börsengang in Sicht?

«Das werden wir immer wieder gefragt. Aber da sind wir unisono dagegen. Als Familienunternehmen sind wir beweglich. Wir können Entscheidungen sofort treffen – das ist speziell in einem Betrieb wie unserem, der schnell lebt und innovativ sein muss, sehr wichtig. Die Macks wollen nicht von Aktionärsstimmen abhängig sein, die nur den Reingewinn am Jahresende sehen…»

Aber ihr wächst und wächst. Jetzt ist auch China Kunde von euren Bahnen…

«Gottlob. Das ist eine ganze Jahres­produktion, die wir dorthin liefern können…»

…aber was ist denn der Vorteil eines Familienunternehmens gegenüber eines grossen Konzerns?

Jürgen Mack überlegt: «Ich glaube, mein Bruder Roland hat es mal genau auf den Nenner gebracht: Das Familienunternehmen ist die beste Form der Unternehmungsführung überhaupt. Das sagen ja auch die Politiker – aber wenn es darauf ankommt, werden wir von ihnen gerne vergessen. Wir können und wollen nicht die Koffer packen und wegziehen – Konzerne praktizieren das. Aber eigentlich erwarten wir bessere Rahmenbedingungen vom Staat. Schauen Sie sich nur einmal das deutsche Erbschaftssteuergesetz an … ein Durcheinander, keine Planungssicherheit. Es sind zu viele Sonntagsprediger in der Politik – wenn gerade die Familienunternehmen den Ruf Deutschlands weltweit geprägt haben, müsste das doch von der Politik auch unterstützt werden…»

Liebäugeln mit der Schweiz?

Wieder lacht Jürgen Mack auf: «Wir lieben die Schweiz. Aber als Ferienland. Wir sind oft im Tessin und fühlen uns dort wohl. Und auch in Basel – wir sind da alle FCB-Fans. Entsprechend unterstützen wir den Verein mit Sponsoring – auch wenn unser Herz für den SC Freiburg schlägt…»

Sie leben mit Ihrer Frau und den beiden Kindern hier auf dem Gelände. Die Familie Ihres Bruders auch…

«…ja klar. Wir kennen gar nichts anderes. Das ist unser Heim. Unser Leben. Wir wohnen im Park und identifizieren uns zu hundert Prozent mit ihm und Rust.»

Reisen?

«Natürlich – manchmal gönnen wir uns ein bisschen Auszeit. Ferien. Wir lassen uns von andern Parks inspirieren. Aber heute kommen die meisten Kunden – ob China, Dubai, Disneyworld – zu uns hierher. Da muss immer jemand da sein. Sie kommen nicht einfach zur Firma. Sie kommen zur Familie.»

Und das Familienunternehmen ist jetzt in der achten ­Generation?

«Ja – die achte ist bereits in den Betrieb einbezogen: Die Söhne meines Bruders sind schon voll involviert. Unsere Kinder sind auf dem Weg – der Sohn hat eben das Studium begonnen, die Tochter geht noch in die Schule. Die neunte Generation ist bei meinem Neffen auch schon da … wir haben eben eine Familien-Charta ausgeklügelt – Frauen und Kinder, wir beiden Brüder, einfach die ganze Familie. Wir haben ausdiskutiert, wohin die Reise soll. Und was unsere Werte sind … jeder hat seinen Teil zur Charta beigetragen.»

Er strahlt: «Eigentlich ist alles auf ­guter Fahrt…»

Pläne?

«Nun, wir eröffnen diesen Frühling unsere aufwendigste Indoor-Attraktion ‹Arthur – Im Königreich der Minimoys›. Die Sache versteckt sich unter einer riesigen, 16 Meter hohen Kuppel und hat ein Volumen von 45 000 Kubikmetern. Die Bahn, die nach Luc Bessons Kino-Hit gestaltet wurde, ist gigantisch – und wird sicher ein Renner … Für die nächsten Jahre haben wir auch bereits unser nächstes Projekt in Planung: einen Wasserpark…»

Er macht eine kleine Pause. «In unserm Beruf wäre Rasten eine Kata­strophe … Kreativität ist das A und O … apropos: Mag jemand ein Gelato? … Hausgemacht … ist mindestens so gut wie auf der Piazza Navona…»

Davon sind wir überzeugt.

Donnerstag, 17. April 2014