Von Spitalbesuchen und dem Ersatzteillager...

Montag - Klar. Wir sind nun im Alter, wo das Ersatzteillager zum Zug kommt: neue Ohren...schärfere Augen...die Hüften mit neuem Scharnier. Und das dritte Kinn wird zum vierten Mal weggesaugt.
MEDIZINGOTT SEI DANK.
Bei Innocent sind's die Knie. Gleich beide.Sie wollen ihn nicht mehr tragen. Und wenn man seinen Bierranzen darüber hängen sieht, kann man jedes seiner Knie verstehen.
Nun packt er also das Köfferchen und mir bricht dabei schier das Herz, das weiche: "Wo ist die Lebensversicherungs-Police?".
Innocent wirft mir einen giftigen Blick zu: "Ich bekomme keine Vollnarkose, du Dummi. Die legen nur die Beine unten lahm..."
"Das ist ja nichts neues!".
Ok. Der war unter der Gürtellinie. Aber das sind ja Innocents Beine auch.
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Dienstag - Die Aerzteschaft , die da schafft hat mich gebeten, Innocent am Auswechseltag nicht zu besuchen. Dann hat einer der Weisschürzen geschürzt, pardon: gescherzt: "Du bist ja auch nicht dabei, wenn dein Auto neue Stossdämpfer bekommt..."
Ich habe dann Innocents nüchternes Krankenzimmer mit Rosenwasser besprüht, zwei Hummelbildchen aufgehängt und Brummbrumm auf sein Bett gelegt. ER SOLLS GEMÜTLICH HABEN WIE DAHEIM. Aber das mit Brummbrumm war ihm doch zuviel - als der Teddybär mit dem total abgeschmusten Fell verloren durch die beiden Glasaugen auf die Fiebertabelle stierte, zischte Innocent : "Bring den raus! Was sollen auch die Leute denken! Die meinen ja ich hätte nicht mehr alle...und wo sie hier so hygienisch sind. Da kommt man doch nicht mit diesem verlausten Teddybären daher und..."
Er hat nur zwischen deinen Beinen gelegen..." meinte ich spitz.
Die Schwetser Oberin errötete leicht: "Also von uns aus können Sie Ihren Mutzibären behalten, Herr Innocent...wir legen Ihnen auch gerne eine Gummiente zur Douche. Nur möchte ich sie doch sehr bitten, ihre Frühstücksbütterchen nicht im Kasten zu horden. Er duftet schon ganz ranzig!".
"Herr Innocent ist eben sparsam", zwinkere ich der Schwester zu. "... und wir können die Schmiere zum Einölen der neuen Kunststoff-Gelenke benutzen, hähä!".
Es war eine Art von Humor, welche die Schwester Oberin nicht goûtierte. Jedenfalls hat sie die Gummiente nie ins Bad gelegt.
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Mittwoch - Also das schlimmste ist ja immer das Kateder. Erstens weiss keiner ob man's mit th schreibt und einem -t- in Silbe 3. Und zweitens, wenn man so sieht, wie' und wo das alles angemacht wird - also ehrlich. Das geht dir psychisch ziemlich auf den Sack.
"Tu nicht so empfindlich", rügt Innocent aus dem Krankenbett. Er surrt sich hoch wie ein Warenlift. Hol' mir mal die Stöcke. Und dann reibst Du meinen Rücken mit Nivea ein. Ueberdies brauche ich meine Abdeckungssalbe gegen die roten Nasen-Aederchen und...
HEEE - ICH HABE NOCH EINEN BERUF UND BIN NICHT DER GEDULDIGE SAMARITER!
"Da haben wir's" , macht das Weichei jetzt auf weinerlich. "Kaum ist einer mal etwas lädiert, wird er von seinen Freunden fallen gelassen wie eine heisse Kartoffel. Wie du damals in Davos das Bein gebrochen hast, bin ich tagelang herumgejagt und habe dich aufopfernd gepflegt..."
HERUMGEJAGD?!
Beim Schnaps ist er gehockt, hat Karten gespielt und ich habe mir die Scheichen selber eingipsen müssen!
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Donnerstag - Natürlich ist es heiss im Spital. Sehr heiss. DENN ES IST EIN FIEBRIGER SOMMER. So kommt es auch, dass Herr Innocent um zehn Uhr nachts das verschwitzte Handtuch wirft und einen Klimatisator alarmiert. Der Mann mit dem coolen Wind baut ihm um Mitternacht noch eine Klimaanlage ins Zimmer, stösst morgens um zwei Uhr mit dem Hallodri auf die neuen Knies mit einem Bierchen an und hat um vier Uhr den Krankenraum so runtergekühlt, dass sich Eisblumen am Fenster und Frostbeulen auf den Rosen bilden.Nichts gegen so viel Effiziens - aber ich möchte nur in Erinnerung rufen, dass unsereins mit einem Haushaltungsbudget von Fr.1.60 pro Tag auskommen muss, während andere Leute sich einfach ganz rasch eine Klimaanlage reinpfeifen können!
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Samstag - die drei Zimmer links und rechts neben ihm haben reklamiert: er telefoniert zu laut. Seit er diese Eisenschrauben im Knie hat, hat's dem Hörapparat den Gong gegeben. Tatsache ist, dass Innocent so laut in die Gegend brüllt, dass man glauben könnte, er baue ein ganzes Rockprogramm auf.
Eine Frau Bitterli , die wegen ihrer neuen Hüfte auf 272 liegt, hat alle seine Telefongespräche mitnotiert. Nun will sie diese als Memoiren an den Verlag "rotes Lämpchen" verkaufen. Und Herr Zirngibel, Zimmer 268 (Knie und Hüfte) hat darauf bestanden in ein schalldichtes Zimmer eingeschlossen zu werden, weil er dieses telefonische Süssholzgeraspel mit einer gewissen Frau Liesel aus dem Salzkammergut einfach nicht mehr anhören könne. ER SEI SCHLIESSLICH DIABETIKER!
Mittlerweilen turnt sich Herr Innocent das Knie in den 90 Grad Winkel und verkündet lauthals, die Heilung sei so rasant vorangeschritten, dass er in 2 Wochen wieder in den Spagat hüpfen könne.
MAN STELLE SICH VOR, WIE DIE METALLERNEN GELENKE DA AUF DEM LINOLEUMBODEN AUFSCHEPPERN!
Dann Telefon. Und: "Ach Lieselchen...ja , die Nervensäge ist hier...natürlich denke ichimmer an Dich..."
Innocent hat also zwei neue Schrauben. Und noch immer die alte in Salzburg...

Dienstag, 12. Juli 2005