Von Onkel Nudelstadts Totalrevision und wenns einem raucht?

Montag - Also. Vor einem halben Jahr habe ich den letzten Zug genommen. Kippe weggeworfen. Danke. Das wars.

DAMIT IST MEIN ZUG ZUM RAUCHEN WEG.

Und ausgerechnet jetzt sagen mir die SBB, ich dürfe nie mehr in einem Zug rauchen.
Die Reaktion?
Habe sofort meine alten Stängel hervorgeholt. Und meine Wut hat sich in Rauch aufgelöst.

Es gibt wohl kein besseres Propagandamittel als das Verbot. Wenn man mir etwas verbietet, sehe ich rot. ICH SEHE IN DEN LETZTEN 10 JAHREN NUR NOCH ROT. Sie verbieten uns nämlich alles. Und jeden.

Die Kirche verbietet den Pariser.
Die Römer verbieten den Sonntagsverkehr.
Die Gesundheitstante verbietet ein Sushi, das nicht mit Mundschutz gerollt wurde.
Urinieren in Schwimmbecken ist verboten.
Und weisse Socken sind es auch.

Ich darf im Lift nicht mehr als 80 Kilos haben (Schindlers Durchschnittsberechnung). Ich darf überhaupt nicht liftfahren (Arzt), sondern soll Treppen steigen. Ich darf nicht mehr als 500 Kalorien täglich zu mir nehmen (Therapeut) und ich soll keine gekauten Kaugummis unter die Beizentische kleben.

Ich darf nach zehn Uhr nachts Elvis nicht auf Volltouren abschmettern. Ich soll nicht schwarz Tramfahren und ich darf einem Mohrenkopf nicht Mohrenkopf sagen.
Fräulein Schweizer verbietet mir ein für allemal ihr Fräulein und macht sich zur Frau und es ist verboten vom Münsterturm runterzuspucken.

DER STAAT HAT ALLES FEIN GEREGELT. UND ALLES TOLL UNTERSAGT. WIDERREDE VERBOTEN!

Das nervt.
Ich rauche aus Protest wieder in vollen Zügen.
(Auch wenn diese stehen bleiben.)

Dienstag - Mein Fitness-Abo ist abgelaufen. Sie geben mir 30 Tage Zeit zur Erneuerung. ICH ERNEUERE NICHT.

Ich bin nun drei Jahre an den Maschinen gehangen. Habe die Bauchmuskeln getrimmt und den Bizeps geklopft. Das Resultat: sie haben die Maschinen erneuert. Nur bei mir ist alles beim Alten geblieben.
Mein fitter Vetter, der als Trainer mit Bumbum-Musik und «eins, zwei, hopsassa»-Gebrüll die Bewegungshungrigen zum Keuchen bringt, schaut mich vorwurfsvoll an: «Willst du als Ruine enden?»
«Alles endet als Ruine» - doziere ich. Aber das ist wohl verschleuderte Philosophie bei einem, der zu Mozart hüpft.

Mittwoch - Immer wenn ich Innocent in Rheinfelden besuche, bekomme ich den Gong.
Ich meine: all diese energisch aufsetzenden Gehstöcke mit den gebeugten Menschen dran gehen dir doch schwer ans Herz. Innocent, der wie eine Schildkröte daherrobbt, schnürt meinen Hals. Die Tränen stürzen aus mir wie der Engstligenwasserfall über die Fluh - «jetzt reiss dich zusammen!», knurrt der. «Was sollen auch die Leute denken.»

«Du fehlst mir einfach», schnüffle ich und putze die Nase mit dem Brillentuch. «Ohne dich ist mein Alltag ganz gewöhnlicher Alltag. Niemand der reklamiert, wenn die Zahnpasta in der Mitte angedrückt wird. Keiner der meckert, dass die Zeitung falsch zusammengelegt wurde. EINFACH NICHTS!» «Na ja», räuspert sich Innocent nun selbstgefällig, «jetzt siehst du mal, wies ist. Hast du meinen Bademantel auch wirklich mit Weichspüler behandelt - ich kann hier nicht wie ein Stück Karton rumturnen?!»

Sagts. Und drückt mit dem Gehstock den Liftknopf: «Komm - ich stelle dich der Leni vor. Sie hat bereits die dritte Hüfte und ein neues Schulterblatt!»
ER zumindest hat nette Abwechslung.

Donnerstag - Also das Rezept mit den Haselnüssen und der Kondensmilch haut wirklich hin. Alles total simpel: Du nimmst grob geriebene Haselnüsse und Kondensmilch. Alles halb-halb. Dann mischst du eine Paste daraus. Kleisterst diese auf kleine Brotwürfel. Und backst alles bei 180 Grad im vorgeheizten Ofen 7-10 Minuten aus.

DAS IST DIE THEORIE.

Die Praxis ist mein Onkel Nudelstadt, der mich ans Telefon ruft: «Hier iss dein Ondel? isss hab Ssmerzen im Tssssahn?» Der liebe Onkel hat sich seine Beisserchen neu einschrauben lassen. Nun macht das Weichei voll auf Mutter Dolorosa: «? es isss ass würden sie deinen Kopf ssssersssägen!» Seit Jahren kaut der Onkel nur noch das Weiche vom Weggen. Schon bei der kleinsten Brotkruste beginnen seine Kronen zu schaukeln, wie die Boote bei Sturm. Immer mal wieder bringt ein Kellner einen seiner Zähne auf dem Teller zurück: «Gehört das nicht noch Ihnen, lieber Herr?»

NUN ALSO TOTALSANIERUNG.

Und der Onkel jammert mir die Tüte voll. Ich höre ihn ab, weil ich ja mal sein Erbe antreten muss. UND DA IST EIN OFFENES OHR ANGESAGT. Doch plötzlich wird mir schwarz vor den Augen: dicke, fette Rauschwaden ziehen ins Büro und: «ICH MUSS - KAUE VIER SARIDON!» brülle ich in den Hörer und werde mir erst später bewusst, dass der Gute ja gar nicht mehr kauen kann.
Um es kurz zu machen: Wenn ich nicht rauche, raucht der Ofen.
PS. Und die Nussbrötchen mit dem sehr einfachen Rezept können auch als Holzkohle verwendet werden.

Dienstag, 26. Juli 2005