Von Anti-Fasnächtlern und einem herumreisenden Käsekuchen...

Freitag - Wir sind drei, vier Exoten auf dieser Redaktion. Exoten heisst: Wir finden Fasnacht MEGA. (Um im Original-Dialekt-Ton dieser Zeit mitzuschwimmen.)

Unsere Kollegen meiden Fasnacht wie der Teufel das Weihwasser. «Um Himmels Willen - bleib mir vom Blatt mit diesem Seelenwärmerbrei für Kleinkarierte. Basel würde seine Energie gescheiter anderswo verpulvern...» JA WIE UND WO DENN BITTE?

Sollen wir unsern Esprit ins Synchronschwimmen investieren? Oder ins Sortiment eines Stadtladens, das so lustig ist wie ein Besta(d)ttungsinstitut im November?

Nein. Da investiere ich lieber in drei Tage Fasnacht. Ich meine: FASNACHT IST KREATIVITÄT. Vor allem aber ist Fasnacht auch: Aussage. Kritik. Zeitspiegel. UND GANZ EINFACH IRRE GEIL (um nochmals im Sprachsalat der Moderne mitzukauen).

Man vernimmt an einer Fasnacht mehr über das Unwesen im politischen Umfeld dieser Stadt als in 30 Redaktionssitzungen. LEST DIE LATERNENVERSE! Und übrigens: an einer Fasnacht kann der Mensch in diese Rolle schlüpfen, die er am liebsten mag. Da ist jeder sein eigener Music-Star. Seine eigene Greta Garbo. Seine eigene Schwiegermutter.

Und wenn ich als Frau Holle gehe, so ist das meine Sache. Auch wenn meine Redaktionskollegen die Nase rümpfen: «Als ob du nicht auch sonst schon Schnee von gestern wärst...»

Samstag - Mein Schreiholz ist so heiser wie Big Willi, wenn er mit den Schmalzdackeln unterwegs war. Ich meine: da kommt kein Ton mehr. Ich strenge mich an, dass mir die Halsadern wie Glockenseile herausstehen - NICHTS. Nur: pfffft! UND LAULUFT- SCHEISSPICCOLO!

Gehe also zu jung Oesch. Schon der Alte war Piccolo-Doktor in dieser Stadt. Nun hat er die Hölzer seinem Sohn übergeben. Und der schaut, dass ganz Basel die Klappe hält.

«Dieses Piccolo ist stumm wie ein Fisch!» «Aha!» Oesch nimmt es an den Mund. Dann spielt er Vivaldi. Lupenrein. AUF MEINEM STUMMHOLZ. Ich schaue stumm wie dumm.

Oesch legt das Instrument vor mich hin: «Es liegt nicht am Piccolo!»

Ich nehme es auf. Blase. Und «pfffft!»

«Vielleicht ist es zu gross gebohrt - ein "spezial" eben. Im Alter bleibt die Luft weg. Kurz vor der AHV kommt jeder auf kleine Löcher und meidet die grossen Bohrungen...» DIE UMGEBUNG KICHERT. Das habe ich gerne - sich auf mein Loch hin noch den Buckel voll zu grinsen!

Oesch hält mir ein Instrument hin: «Da...».

Ich spiele Vivaldi. Allerdings kleinloch. Ich meine: Der Ton braust nicht wie zu meinen volllungigsten Zeiten. Doch immerhin!

«Gut - ich nehme das Neue da!»

Zu Hause dann Riesenzoff mit Innocent, der einen Aktionsklöpfer in ein Arbeiter-Cordon-bleu umpaniert: «Ja musst du dir denn in deinem Alter noch ein neues Schreiholz zulegen...» Die kleinen Löcher nun beim Piccolo, die grossen am heimischen Herd!

Mittwoch - Karin wünscht sich von mir eine Käsewähe: «Wir brauchen so etwas für die Kochspalte in der Sonntagszeitung. Vor der Fasnacht sollte es etwas Typisches aus Basel sein - und da haben wir an deinen Käse gedacht!»

Schöne Töne. ABER WESHALB AUSGERECHNET KÄSE? Zwiebeln kann ich auswändig. Da zwieble ich einen Kuchen im Schlaf hin. ABER KÄSE! Mit Fonduewolken kann man mich jagen! Und wie entsteht überhaupt kochtechnisch so etwas? Ich meine: Wie macht man ein beissfestes Fondue mit Teig?

Lasse mir also vom meinem Quartier-Käser den Emmentaler (rezent) und Gruyère (mild) raffeln. Das Ganze sieht aus wie gummiertes Seifenpulver von einst. Dazu mixt mir der Käser noch einen Trick mit: «Nehmen Sie Backpulver - Backpulver macht die Welt leichter!»

Also verkleppere ich Eier, gebe Milch zum Ganzen und «WEIN MUSS HINEIN!» ruft Innocent aus dem Bad, wo er sich wieder seine Schnauzhaare färbt. JA MUSS ER DENN WIE DER BRIEFTRÄGER VON OMAR SHARIF AUSSEHEN?

«Es braucht nicht überall Wein zu sein», rufe ich giftig zurück. Und greife zum Backpulver. Zwei Esslöffel davon über den Käse - und ab in den Ofen.

Als meine Freundin Bea mich anrief, wurde es ein langes Gespräch. Mit Bea wird es IMMER ein langes Gespräch. Dieses nun wurde abrupt unterbrochen, als der Käsekuchen dampfend aus der Küche um die Ecke kroch.

Schickte Karin eine E-Mail nach Zürich: «Das mit dem KÄSEKUCHEN ist Scheisse. In Basel ist ZWIEBELKUCHEN Tradition...»

P.S. Dem Käser gab ichs mündlich: «Danke für den Pulvertipp - da ging ja richtig die Post ab. So ein Käsekuchen kommt ganz schön in der Welt herum. Der mit dem Backpulver hat mir aus Hamburg-West eine Karte geschrieben...»

P.S. 2 Habe mich dann mit dem «Nunnefirzli» auf dem neuen Piccolo abreagieren wollen. Ok. Es nonnelt und fürzelt noch nicht, wie es sollte. Nach der dritten Strophe knallte Innocent jedenfalls total entnervt die Türe: «Ich gehe spazieren...» Er trauert noch immer dem stummen Piccolo nach.

Dienstag, 8. Februar 2005