Vom stinkenden Arturo und MOSCHU 2

Dienstag - Arturo schaut mich mit seinen glasigen Augen so traurig an wie die Spigole, die seinem Vater ins Netz gegangen sind. Sie grüssen nun am Fischstand aus dem Jenseits.
Für die Fliegen ist das ein Fressen. Und Arturo ist es für die Fliegen auch. Sie umsurren ihn in Verzückung - etwas, das die Frauen bei ihm nicht tun. Deshalb sein Problem. Deshalb die glasigen Augen.

Arturo ist sicher ein netter Kerl. Trotzdem: nicht unbedingt mein Typ. Zu jung. Nur Bizepsmäuschen statt Aktienpakete. Keinen Cent im Portofolio. Und einen IQ voll von Fitness - da ist kein Plätzchen mehr für Einmaleins und Abc.

Kurzum. ES IST NICHT DER SCHWIEGERSOHN, DEN ICH MIR FÜR MEINEN TEDDYBÄREN WÜNSCHTE!

Und nun snieft mir also Arturo mit seiner roten Nase über seine Tintenfische hinweg: «-minuino. Du hast doch die Welt hinter der Insel gesehen? also kennst du auch die Weibsbilder und ihr kompliziertes Innenwesen? WAS IST LOS MIT MIR?!» Huch! - Er wird sich doch nicht vom Fischer-Boy zur Meerjungfrau umbauen lassen wollen?
Sein nächster Satz bringt Klarheit wie ein Schuss aus der Kanone: «VOGLIO UNA DONNA!» Da muss ich aber sofort an Fellinis Amarcord und den Mann im Baum denken. Der Verrückte wollte auch eine Frau - alle Verrückten wollen eine Frau. UND WAS SOLL ICH IN DIESER OPER?

«Was ist an mir schief, dass die Mädchen mich nicht beachten?» (nun tropfen seine gelblichen Fischaugen Tränen) «Sie rümpfen die Nasen und drehen mir den Rücken zu».

WIE SAGT MAN EINEM FISCHERJUNGEN EINFÜHLEND, DASS DAS DEO IHN SEIT JAHREN IM STICH LÄSST? Arturo stinkt. Da weht immer dieser Wind von ausgeweidetem Kabeljau und weggeworfenen Fischköpfen um ihn. Da vergeht doch allen Weibern die Romantik - da können die ja direkt in die Fischsuppe hinein küssen. Arturos Nike-Latschen und das Armani-Leibchen machen das Elend auch nicht besser - Fischmief mit Label ist wie Lebertran aus dem Riedelglas.

OK. Nehmen wir mal allen Mut zusammen und bringen die Sache Arturo so einfühlsam bei, wie dies eben nur weichbesaitete Tucken tun können, solche, die wissen, wie Sissi unter der Schwiegermutter gelitten hat - deshalb: «ARTURO - DU STINKST, DASS GOTTERBARM. SO ETWAS MÖGEN NUR DIE FLIEGEN!» Daraufhin ist der Fischjunge über einem Schwertfisch zusammengebrochen und hat Rotz und Tränen geheult: «Lo sapevo? Ich wusst es ja? Schon bei meinem Vater war der Geruch stärker als zehn Seifen. Und meinem Grossvater konntest du nur mit der Nasenklammer begegnen - es ist die Rache der Fische, weil sie ihr Leben lassen müssen. Sie tränken unsere Familie mit der stinkenden Schmach?» Da habe ich mich überwunden, dreimal durchgeatmet und wie eine dieser nasenklammernden Synchronschwimmerinnen den Atem angehalten, weil Arturo in mein neues «FUCK OFF»-T-Shirt von Dolce&Gabana sniefte. Ich klopfte ihm männlich die Schulter: «UNSINN, DU DUMMERCHEN - es gibt doch noch?MOSCHU 2?. Das übertüncht jeden toten Fisch. Auch deinen. Morgen besorge ich dir ein Fläschchen?»

Als Dank hat mir Arturo dann drei Makrelen geschenkt - sie waren noch vom letzten Freitag und hatten diesen penetranten Duft, der an miese Witze erinnert?

Freitag - Ich will mich nicht näher über MOSCHU 2 auslassen. Nur so viel: SELBST DER HÄRTESTE ELEFANT BEKOMMT DA DEN GONG. Eine Schraubumdrehung am goldenen Knopf, und schon duftets die nächsten 100 Kilometer, als würden dreitausend orientalische Räucherstäbe mit dem Durchmesser eines Hochkamins synchron Dampf ablassen.
Als ich Arturo das Fläschchen an den Stand brachte, warf er sich mir tränend vor Glück an den Hals: «Das werde ich dir nie vergessen!»
Zum Dank wieder 3 Makrelen (siehe oben).

Eine Woche später - schon von weitem ist es zu sehen: Der Ansturm an Arturos Stand ist gigantisch. Arturo steht glücklich hinter seinen toten Fischen, verteilt Kusshändchen an die Ragazze und schnalzt gegenüber den älteren Weibern obszön mit der Zunge, so dass diese schrill lachend mit den Hüften wackeln und ihm mit dem Zeigefinger drohen: «Arturino? Arturino!»

Plötzlich ist da wieder so ein Schwall von vermoderter Makrele - es ist Arturos Vater, der mich auf die Seite nimmt: «Ich könnte Sie in der Luft zerreissen, Signore - was haben Sie unserer Familie angetan?! Arturo tränkt sich wie eine alte Schwuchtel mit diesem Parfum. Die Weiber spielen verrückt und unser Sohn ist kaum mehr zu Hause?» «Das ist doch wunderbar», lächle ich den alten Stänkerer an. Doch der tobt los: «? und die Fische. DIE FISCHE?! Seit vier Tagen verkaufen wir kein Gramm mehr. Und alles nur, weil jeder Spigola nach diesem verdammten Moschu stinkt?» MAN KANN IM LEBEN NICHT ALLES HABEN!

Dienstag, 7. Juni 2005