Vom Oben-ohne-Erlebnisund der Geburt in der Mütze...

Dienstag - Abschied von der Insel. Sie heulen Rotz und Tränen. Sie werfen sich auf den Boden und umklammern schreiend meine (frisch gebügelte) Hose: «MISERICORDIA! Nicht gehen! MADONNASANTA. Du kannst uns doch nicht verlassen!»

DAS WAR IM TRAUM.

In Wirklichkeit küssen sie den Kühler meines Autos und kreuzen den Zeigefinger über den Mittelfinger als Zeichen gegen das Böse: «Komm nicht zu früh zurück - du weisst: Es ist eine heisse Zeit!»

DIESE SCHWEINEHUNDE. Kaum bin ich weg, machen die es sich in meinem Garten göttlich. Ich weiss nicht, weshalb ich da im späten Frühjahr tonnenweise Tomaten und Zucchini, Prezzemolo und Melanzane anpflanze. NUR DAMIT DIESE INSEL-HALLODRIS MEINER ARBEIT MÜHE ERNTEN? Das Dummi bin ich.

Wenn ich jeweils Leine ziehe, sind die Tomaten noch so grün wie diese kämpfende Gesinnungspartei gegen Atomkraft und Brauselimonade. Der Prezzemolo ist nadelkopfgross. Und die Auberginen haben noch nicht einmal ihre Viola-Blüten geöffnet. Zuckle ich Ende August in Vorfreude auf die saftigen Pomodori an, hat die Saison aus den Tomaten Dörrgemüse und aus dem Prezzemolo Stroh gemacht. Die Auberginen wurden von den Stachelschweinen aufgefressen und die Zucchini sind so furztrocken, dass die Kinder mit ihnen Sandburgen bauen. JA DONNER UND DORIA - WESHALB ERNTEN BEI MIR STETS DIE ANDERN? BIN ICH DENN DER INSELCLOWN?

«Gutmütigkeit ist der Anfang von Dummheit», gibt Innocent das Wort zum Dienstag durch. «Seit Jahren predige ich dir, den Garten endlich aufzugeben. Für all die Arbeitsstunden, die du Gianni für drei Tomaten hinblätterst, könntest du dir den Salat aus dem «Ritz» einfliegen lassen?!» AUS DEM «RITZ»? Wer will das schon, wenn er seinen Gästen die Insalata Caprese mit einer nonchalanten Geste auf den Garten und mit den so nebenbei hingeworfenen Worten «alles vom eigenen Boden» hinbetten kann.

Das macht dann auch nichts, dass die Tomaten vom Supermercato in Orbetello kommen.

Mittwoch - Gianni schleppt murrend und knurrend meine paar Wenigkeiten wie drei Hutschachteln, vier Kleidersäcke und 18 Koffer zum Parkplatz und dort steht schon mein alter Freund mit etwas Neuem, Glitzerndem.
«Was ist das?» - frage ich spitz.
«WAS SAGST DU?», fragt er munter. Und macht mal wieder auf «Hörapparat im Eimer».
«Was ist das für ein seltsamer Schlitten?» Nun druckst er herum, stämpfelt ein bisschen mit den Füssen und hüstelt heiser: «Also ich habe mir auf meinen Geburtstag einen Jugendtraum erfüllt? pass auf!»

Jetzt überschlägt sich seine Stimme vor Aufregung. Er versinkt in der grauen Büchse, die sich plötzlich wie von Zauberfäden gezogen auseinander zwiebelt. Das Dach steht hoch wie die Haare meiner lieben Mutter, als noch Fahra Diba Trumpf war. Und «was sagst du jetzt?», vibriert Innocent schrill und total aus der Fassung. «IST DAS NICHT D E R WAHN?!»

Nun muss ich aber doch leicht säuerlich werden: OBEN OHNE? In seinem Alter? Da hat er sich mit 80 Lenzen und 225 Pfunden auf den Hüften doch in letzter Midlife-Crisis-Sekunde und einem Anflug von «Wars-das-Wirklich?»-Panik tatsächlich einen Sportflitzer unter den Arsch klemmen müssen.

Innocent schweigt beleidigt. Dann bellt er. «Es sind 60 Lenze und 120 Pfund. Überdies darf ja auch ein alter Gaul mal springen? man fährt immer so jung, wie einer sich fühlt?» Er fingerlt am Handschuhfach herum. Schliesslich stülpt er sich ein eidotteriges Schildmützchen, auf dem «FUCKING» steht, aufs Haar. Er hätte so wortlos jeden Witzwettbewerb gewonnen.

«Ich hab dir auch eins gekauft», posaunt er grossspurig.
(Sehen S i e mich eigelb bemützelt als fucking Lachnummer auf dem Nebensitz? - Na also.)

Ich stiere noch immer das Auto an. Das Kunststoffdach steht wie die Innsbrucker Schanze vom Gebäckträger hoch: «? und wo geht dieses Dach jetzt hin?», frage ich ahnungschwanger.

«In den Kofferraum», strahlt Innocent.
IN DEN KOFFERRAUM? DORT SOLLTE DOCH MEIN GEPÄCK HINEIN!

Nun druckst der Schumi-Verschnitt ein bisschen herum: «Aehemmm? wir haben ein ganz, ganz klein wenig weniger Platz und?» Innocent nistelt nervös an irgendwelchen Knöpfen. Dann meldet er kleinlaut: «?überdies haben wir da ein kleineres Problem? die Computersteuerung ist soeben ausgefallen.» Als Orlando, Spezialist für Kraftwagen, in Grossetto Innocents Flitzer mit dem offenen Steilwanddach über sämtliche Haarnadelkurven unserer Insel abschleppte, da lag im offenen Fonds selig Negrita mit ihren Jungen. Die Katze hatte die Gelegenheit benutzt und die offenherzige Kutsche sowie das gelbe Fucking-Käppchen als Geburtsort für ihre Jungen auserwählt. Und ehrlich gesagt: den Kleinen steht Eidottergelb besser ins Gesicht als irgendwelchen postmodern herumflitzenden Oldies, die auf «Hoppereite» und «hoppla - jetzt geht die Post ab» machen wollen?

Dienstag, 5. Juli 2005