Nicht jeder hat die Queen am Bett

Dienstag - Greth ruft an. Greth ist meine Freundin. Sie hat in den späten 70er Jahren schon zusammen mit meiner Mutter Adelboden unsicher gemacht und dort alle Tanzabende in der alten Taverne aufgemischt. Kurz: Sie gehört zur Familie.

Greth Itin also kommt soeben von einem Spitalaufenthalt zurück. Und telefoniert vom Bett aus: «Nun war ich doch im Bethesda-Spital?» Stimmt. Sie lag dort wie ein Häufchen Elend nach einer Operation in den Kissen. Ich wollte sie ein bisschen aufmuntern. Holte im Zauberlädeli den Gummilarvenkopf der Queen. Packte Lindas Handtäschchen. Und steckte mir eine Dreikönigskrone aufs Kunsthaar.

ICH MEINE: NICHT JEDER HAT DIE QUEEN AM BETT.

Als die Königin in eleganter Pose das Krankenzimmer betrat, bekam die arme Patientin einen Lachanfall. Fast wären ihr alle Nähte geplatzt. Der Oberarzt wollte mich auf der Stelle umspritzen, die Krankenschwestern wollten mich für ihren bunten Abend engagieren und Greth schüttelte sich in den Kissen: «Ich darf doch nicht lachen? ich darf doch nicht lachen?» Und nun ist also Greth am Telefon: «Hör mal - alle reden immer wieder davon, dass die Dienstleistungen im Krankenwesen schlechter würden. Dass alles mieser ist als früher. Dass?» «Ja und? - Das Meckerlied ist doch die alte Leier der Menschheit!»

«Eben - und da wollte ich dich bitten, mal deutlich zu schreiben, dass dem nicht so ist. Im Gegenteil. In diesem Spital haben sich alle die Finger aufgerissen. Die Leute tun das Menschenmöglichste - dabei sind sie immer noch sonnenstrahlender Laune, und zwar vom Hilfspfleger bis zum Putzpersonal, von den Therapeuten bis zum Oberarzt. Wenn du da als hundeelendes Häufchen im Bett liegst, brauchst du keine Queen am Kissen, sondern liebevolle Betreuung, ein paar Streichelmomente - und einfühlende Menschen. Und hier stimmts bei uns in der Spitalwelt noch. Auch wenn die Leute immer meckern - ich habe diese Bethesda-Menschen jedenfalls bewundert. Und das kannst du ruhig mal schwarz auf weiss schreiben!» Hier: schwarz auf weiss.

Donnerstag - Da ich jetzt schon mal die Queenlarve habe, stellt sich die Frage «Welches Kostüm dieses Jahr?» wohl kaum. Allerdings kann man bei diesen Gummigesichtern nur schlecht ein Pfeifermäulchen ausschneiden. Wenn ich Elisabeths Oberlippe wegsäble, kann ich auch als Grippenvirus gehen.
«Ich habe an der Fasnacht nichts anzuziehen», erkläre ich Vetter Thommy. Der baut sich ein Kostüm als «Alexander». Tausendmal habe ich ihm erklärt, dass Fasnacht in unsern Gassen nicht «Richesse» und «Beautiful» bedeutet, sondern eine Basler Fasnachtsmaske hat lustig, einfallsreich, inspirierend, karikierend und auch witzig zu sein.

ALEXANDER IST NICHT WITZIG. Alexander war nur ein Kriegsheld und sehr hoch zu Ross. Im Übrigen hat Alexander nicht ausgesehen wie im Film. Er hat sich zwar auch parfümiert, schielte aber leicht, hatte Plattfüsse und neigte in seiner Art eher zu Sissi.

«ALSO VERGISS DAS GANZE UND BAU DIR ETWAS PASSENDERES» - gab ich Thommy den Tarif durch.

Dann kaufte ich 14 Meter vom scharlachroten Samt, 5 Meter meeresgrünen Taft und 26 Meter handgesponnene, goldene Seide. Ich gehe als Königinmutter - als Kopf pinsle ich mir das Trudy Gerster vom vorletzten Jahr um. Irgendwo muss ja gespart werden.

O.k. Ich höre sie schon jaulen: Was ist am englischen Königshaus schon witzig?
GAR NICHTS. Aber Fasnacht ist für uns auch dazu da, endlich mal unsere Träume ausleben zu dürfen.

Wenns sein muss, halt auch in Samt und Seide?

Samstag - Selbst ist der Mann. Ich rüsche mir die «Königinmutter» persönlich zusammen. Immerhin habe ich im Realgymnasium das Freifach «Werken» gebucht. Und dort sind auch der Kreuzstich sowie Knopflochnähen geübt worden.
Seide, Samt und Taft werden nun gerafft wie Schuggis Runzelbirne beim Lifting. Dann nähe ich die Stoffbahnen auf ein ausgeleiertes Nachthemd meines lieben Freundes Innocent. Vermutlich ist es der einzige Königinnen-Rock dieser Welt, dessen Basis schlafende Bärchen und die Aufschrift «Mamis Liebling» sind.

Innocent baut gleich eine Oper daraus: «DU HAST MEIN NACHTHEMD GERAUBT? DAS MIT DEN BÄRCHEN DRAUF BRINGT MIR DIE BESTEN TRÄUME UND?!» Auch Thommy gibt sich eingeschnappt: «Was soll dieser Fertigwaggis aus dem Warenhaus? SO LAUFE ICH NICHT HERUM!»

Ja Herrgott nochmal! Hätte sich die Königinmutter von einem fummeltrinigen Macho-Alexander im Vortrab die Show stehlen lassen sollen!

«Ein Waggis ist richtig Fasnacht», doziere ich.
Und stecke die Krone ins Haar.

Dienstag, 25. Januar 2005