Von den drei römischen Orangen und Italiens Wahlkampf

Donnerstag - Ach Kinder! Mein Orangenbaum!

MEIN ORANGENBAUM!!
Ich sage nur so viel: drei Stück hängen dran. Es ist Puccinis Lied und meine persönliche Oper der «drei Orangen».
Franco, das Monstermaul und Portiere des Palazzo verteidigt sich: «WAS SCHAUST DU DAMICH an. Ich habe diese verdammten Orangen nicht geklaut. Sie waren eh strauig wie eine durchgerittene Hurenmatratze und?»
WESHALB WEISS ER, DASS SIE STRAUIG WAREN?
Ich bin in diesem Land von orangenfressenden Gaunern umgeben. MEINEN GEFRESSENEN ORANGEN.
«Jetzt krieg dich aber wieder ein!», knurrt Franco. «Dafür kommt der Farn wunderschön.»
WUNDERSCHÖN?

Vor der Eingangstür zu meiner römischen Höhle, in welcher einst die vornehmen Kutschen des Palazzos eingestellt worden sind, habe ich in Erinnerung an goldenere Zeiten zwei Riesenamphoren aus Marmor hintransportieren lassen. Die Amphoren waren das antike Grabmahl der seligen Mutter eines längst verblichenen Freundes. Die Söhne haben mir die Amphoren geschenkt, damit ich auf das restliche Erbe verzichte.

O.K. NICHTS DAGEGEN. ZWEI VERWITTERTE STEINVASEN KANN JA JEDER GEBRAUCHEN!
Nur waren die Amphoren schwerer als drei Rheintanker. Und der Transport vom calabresischen Cimitero in den Hinterhof nach Rom kostete in etwa so viel wie drei Reisen um die Welt der Luxus-Kategorie.

Als die vier calabresischen Transporteure die weissen Ungetüme vom Karren abseilten und sich einer beim Zupacken auch noch einen Hexenschuss holte, war mir das Halleluja der Männer sicher. Ich salbte ihre rohen Seelen mit süsser Schweizer Schokolade. Und was haben die mir zum Dank gesagt: «Sie können sich Ihre verdammte Schokolade sonstwohin stecken, Signore!»

Sie hievten die Ungetüme vor meine Tür. Wischten sich die Stirn. Und rieben die Rücken mit Kampfer ein: «Mögen die Vipern darin nesten!»
NA JA - IRGEND SO EINE CALABRESISCHE REDENSART!
Damit solches nicht geschieht, habe ich mir auf dem Campo dei Fiori sechs Farnstöcke erstanden. Franco hat mir die - zugegebenermassen schon damals etwas gelblich kränkelnden Pflanzen - eingesetzt:
«Die kriege ich mit Speckschwarten wieder hin?», orakelte er geheimnisvoll.
Und mischte gewürfelte, ranzige Pancetta-Scheiben unter die Erde.

Am nächsten Tag war der Farn umzingelt von zwei Dutzend kauenden Strassenkatzen. Das war Gaudi für die Miezen. Und der endültige Exitus des Farns.
Nun hat Franco also wieder frisch aufgestockt: «Mimma und ich haben am Mimosenfest die Villa d?Este besucht. Die antiken Tonvasen Adrians waren dort voll von Farn?»
WAREN.
Nun farnt Adrians Grün in meinem Hinterhof. Der Kaiser wird mir verzeihen - er kennt die Seinen?

Freitag - Seit Alessandra, die zarte Nichte des kleinwüchsigen Duce mit den polierten Stiefeln und der ebenso hochglänzigen Schlächterglatze, in einer Talkshow erklärt hat, «Lieber tausend Faschisten als eine einzige Tucke», seit dieses zarte Freudenkind mit der rabenschwarzen Gesinnung also den Wahlkampf zum Prodi-Brodeln gebracht hat, lächeln mir an Roms Mauern die Kandidaten so falsch wie ihre Zähne entgegen.

«Ist eh egal, was gewählt wird!», lamentiert Franco. «Korrupt sind sie alle. Und jeder arbeitet nur in die eigene Tasche?»
DAS IST HIT NUMMER EINS IN DER VOLKSMUND-SOUNDPARADE.
Na ja - Berlusconi hat immerhin noch einen gewissen Unterhaltungswert, seit er bei Celentano den Clown machte, bei Annunziata die Show verliess und sich für all dies hinter dem Schlitzohr liften liess. ABER SOLL DIESES LAND VON EINEM MIT «CAPELLO NUMERO 5» GEFÄRBTEN CLOWN REGIERT WERDEN?
O.k. Mich gehts eh nichts an. Ausländer haben hier nichts zu melden. Als Ausserirdischer hast du in diesem Land so viele Rechte wie die Laus im Barte des Propheten. NEIN. AUSLÄNDERN KLAUT MAN NUR DIE ORANGEN VON DEN BÄUMEN!

Trotzdem - ich wünschte mir für die Zukunft Italiens endlich jüngere Fernsehmoderatoren ohne diese halbnackten Weiber, welche hochhackig herumtrippeln und alles nur noch verwelkter machen. Und ich wünschte mir endlich wieder diese warmen, italienischen Sommer von einst.
Aber da ist Frau Mussolini wohl dagegen?

Montag - Gehe nichtsahnend auf den Campo dei Fiori, um hier die letzten Puntarelle und die ersten «Carciofi Romani» einzukaufen. Maria-Luisa, die Marktfrau, empfiehlt mir noch von der hausgemachten Orangenkonfitüre. Sie sei göttlich. Und sie habe die Gläser von einer wunderbaren Köchin zum Verkauf bekommen. Die Frau lebe in einem Palazzo an der Via del Gesu. Und da habe ein Orangenbaum im Hinterhof tonnenweise Früchte getragen?

MEINE LIEBEN - ICH SAGE NICHTS.
Aber heute pflücke ich mir noch die drei letzten Orangen.

Donnerstag, 30. März 2006