Von Schneewittchen und Hitzewellen...

Donnerstag Nachdem die Hitzewelle in Italien aus meinen Pomodori Dörrtomaten und aus den Rosen Strohblumen gemacht hat, ist klar: ZURÜCK IN DEN COOLEN NORDEN!
Es gibt für Schwergewichtler nichts Angenehmeres als ein Sommer im Lande der dahinschmelzenden Gletscher.
Die Insel wird jetzt zum Jammertal. Da schwitzte ich mich durch die Nächte und tropfte schon um neun Uhr morgens wie die Niagarafälle. Nie ist mir die Schweiz lieber als zur Sommerszeit, wenn die Eidgenossen in den Süden pilgern, um dort ihrerseits die Nächte durchzuschwitzen.
UND NUN DIES! 33 Grad im Schatten empfangen mich. UND DAS KANN ICH SO WENIG GEBRAUCHEN WIE DER EISBÄR DIE NERZSTOLA!
Gut. Gut. Auf der Insel warens schon mal 47 Grad unter der Sonne. DAUERSOLARIUM quasi? das Wetter ist dort ein Dauerbrenner. Deshalb sehnt sich die abgekochte Seele ja auch nach der Schneekönigin und Eisblumen am Fenster.
Und dann EMPFÄNGT SIE 33 GRAD UNTER DEM APFELBAUM!
Wenn sich einer auf ein Gelato freut, ist der Glühwein wirklich nicht das Wahre, wenn ihr kapiert, was ich meine... na ja? ich war jedenfalls gefrustet, als die Eier auch hier auf dem Asphalt zu kochen begannen (bildlich).
Meinem Freund Innocent kann die Hitze nichts anhaben. Er läuft auch bei 60 Grad noch mit hochgeschlossenem Hemd und Rheuma-Leibwäsche unter der Wollhose rum. Das einzig Kühle, nach dem er sich sehnt, steht entkorkt im Eiskasten. Da kann ich lange jammern: «Bei dieser Hitze sollte man Temperiertes trinken. Nimm ein laues Lindenblütengebräu. Nicht umsonst nippen die Araber auch im Sommer am heissen Tee der Minze und...»
«Bei denen brennt doch die Birne? schau mal ihre Ölpreise an!»? ruft Herr Innocent fröhlich aus der Küche. Hier wird? PLOPPP!? ein zweites Fläschlein vom Weissen geköpft. Liebevoll streichelt er die Tauperlen, die wie Tränen an der grünen Flasche runterkullern.
Ich träne auch? aber rundum und überall. Dabei komme ICH nicht aus dem Eiskasten. Ganz im Gegenteil. Wer diese Temperaturen durchlitten hat, weiss jetzt genau, was es heisst: «Jemanden ins Schwitzkästchen nehmen.»
Mitten ins Heisse schickt mir Hugo Mozzarella eine Postkarte aus der Arktis. COOL: «Wusstest du, dass die Eisbären Linkshänder sind...?»
Auf der Postkarte schwimmen Eisschollen wie Würfel im Whisky-Glas. Ich stelle mir Hugo vor, wie er mit weitem, verklärtem Blick auf dem Russenkahn an der Reling steht. Eingemummt in seinen dicken Allwettermantel zieht er an diesen Tierchen vorbei, die vor 50 Jahren noch als Porzellan-Putz jedes Omi-Buffet gekrönt haben. Der Kapitän brummt: «28 Grad minus.» In seinem Bart tropfen Eisperlen. Und der Schiffskoch verspricht zum Nachtessen: «Rippchen auf Bohnen!»
Als Coupe Surprise dann das Naturspektakel der Eisbären. Sie hauchen weissen Nebel aus den gefrässigen Mündern. Und winken Hugo zu.
Dies mit der LINKEN Hand.

Freitag BINGO! Auch unser kleiner Gartenrasen im Elsass ist nur noch Steppe. Und Staub.
Die Einzigen, die immer noch so frisch aussehen wie damals, als die Herren Grimm sie geboren haben: Schneewittchen und die sieben Gartenzwerge. In ihnen steckt das Geheimnis ewiger Jugend.
MÄRCHENHAFT.
«Wir lassen einen Rasen ausrollen», meint Innocent grossspurig, «das haben sie auf dem Joggeli an der Euro auch gemacht...»
Na bitte? für so etwas reicht das Geld. Aber wenn ich mir wünsche, dass die Leintücher, in denen schon seine Ahnen gezeugt wurden, endlich ausgewechselt würden, wird abgewinkt: «Die paar Jahre tun sies auch noch...»
Im Nu ist unser Kleinstgärtchen eine Baugrube. Erdklumpen werden rumjongliert wie die kleinen Angestellten in Grossfirmen? endlich ist alles egalisiert sprich: flundernflach. Und schon wird der Teppich auf dem Topfebenen ausgerollt? ein grasgrüner Matten-Perser ab Meter.
Ich muss zugeben, dass die Sache aussieht, als hätte man für Roger Federer den Tennisrasen ausgebreitet. Da weht ein Hauch von britischem Wimbledon mitten im Sundgauer Storchendorf.
Der Gärtner strahlt in seinem elsässischen Charme so crèmig wie Münsterkäse an der Sonne: «Jä un wos sooge-n-er jetzt??»
Ich sage nichts, weil es mir vor Staunen die Sprache verschlagen hat. Ich finde diese erst wieder, wie Herr Schöchle seinen erdigen Zeigefinger schüttelt. «... un jeede Doog mien-är-en vier muul spritze... und säggs Wuche long derfet-er nit druff ummeloife...»
WOZU HABE ICH EINEN NEUEN RASEN, WENN ICH IHN NICHT BETRETEN DARF?
Ich funkle Innocent giftig an: «Das hast du jetzt davon? wir werden diesen Sommer den Garten nur vom Stubenfenster aus geniessen können!»
Innocent: «Dir kann man aber auch gar nichts recht machen!»

Samstag Es regnet. Nach den 33 Hitzegraden fegt ein Gewitter alles Backofen-Feeling weg. Und tristes Novembergrau rein.
Wie ein Schwamm saugt der Auslegerasen das meteorologische Nass auf? er hat übrigens schon drei braune Stellen.
Wie gesagt: Nur Schneewittchen und die Gartenzwerge überdauern schadlos diese klimageschockte Welt.

Donnerstag, 17. Juli 2008