Von Innocents fitten Erfolgen und deren Auswirkungen...

Donnerstag Als Herr Markus, das persönliche Weihnachtsgeschenk für Innocent, vor der Tür stand, machte Letzterer nur kurz «Ohhh».
Dann jagte er in Panik ins Badezimmer. Pflasterte zwei Pfund von dieser «Lifting in fünf Minuten»-Creme an all seine Hängeteile und kam im Missonitrainer strahlend an den Fuss der Matte, die Herr Markus schon mal ausgelegt hatte: «Hallo Marki? hier bin ich. Fit wie der Biber am Holz. Es kann losgehen!»
Später, als Herr Markus bereits einen nächsten Kunden persönlich zurechtbog, machte Innocent vorwurfsvoll auf Schmoller: «DU HÄTTEST MIR SAGEN SOLLEN, DASS ER SO GUT AUSSIEHT. ICH WAR JA NICHT MAL RASIERT. DAZU GANZ OHNE DEO, ZAHNDUSCHE UND SCHNAUZGEL...»
Innocent ist jetzt in einem Alter, wo er sofort Feuer fängt? seis bei der Wäschefrau, die ihn anschleimt: «Ach Herr Doktor, keiner trägt saubere Kragen so locker wie Sie...», seis beim Elsässer Metzger, von dem er sich mit seinen 72 Lenzen heiss angemacht fühlt: «Und wenns dich zerreisst vor Eifersucht? aber er hat meine Wädlein taxiert wie der Öster Göpfi die Milchkuh...»
In solchen Momenten übe ich mich in Gleichmut und Toleranz. Ich weiss, dass alte Männer im April lodern wie dörres Reisig im August. Und wie dieses blühen sie auch nicht mehr. Deshalb kann unsereins sich coole Grosszügigkeit leisten? und Personal-Fitnesstrainer verschenken wie das Supercenter die doppelten Cumulus-Punkte bei drei Aktionsschachteln Waschpulver.
Und wenn Innocent anfänglich auch von einem «saublöden Präsent» gemotzt hat, so hat ihn dieses doch bewegt. Dank Herrn Markus geht er nämlich neue Wege. UND DIES ZU FUSS.
SEINE NATUR HAT IHN ALLERDINGS ABRUPT WIEDER EINGEHOLT? REIN SPORTLICH GESEHEN. Er kalkuliert heute mit seinen Kalorien wie mit den Rappen im Haushaltbudget. Zum Frühstück rapst er sich einen Apfel runter und schaut den Gipfelikauenden (der dieses noch nachbuttert) mit der missbilligenden Verachtung des «Ich habs geschafft»-Menschen an, welcher die Sucht hinter sich und den New Yorker Marathon vor sich hat:
«SO WIRST DU NIE SCHÖN UND SCHLANK!»
Es ist saumässig fies, so etwas jemandem zu sagen, der als «das Gute im Haus» das Leben der anderen prägt:
«ICH? brauche mich nicht schlank und schön zu hungern. Schönheit ist nämlich in einem drin...»
«Bei dir ist es jetzt das vierte Gipfeli», lächelt Herr Innocent süffisant.
Dann: «Weshalb streichst du überhaupt Butter drauf. Weisst du nicht, dass der Gipfel des Gipfels 30 Gramm Butter pro Stückteig ist...»
KLUGSCHEISSERISCH KOMMT ER MIR JETZT AUCH NOCH!
«Ich war schon mit vier Lenzen ein Strickmuster-Modell. Deshalb sind mir so müde Sprüche also wirklich so etwas von egal... ABER ICH FREUE MICH, DASS DU MEIN WEIHNACHTSGESCHENK DOCH NICHT GEGEN EINE KISTE FERNET-BRANCA EINGETAUSCHT HAST!»
Innocent grinst. Sein liebes Gesicht hat durch die Diät etwas von der schönen Prallfülle verloren, so dass sich sein breites Lachen in Hunderten von entfetteten Hautschläuchen verliert. Aber immerhin trägt er jetzt Hosengrösse 52 und so meine drei Kästen mit diesen Jeans aus, die ich für den Moment «wenn ich wieder reinpasse» weggeschlossen habe.
Überhaupt gibt er sich jugendlich. Er mützt sich zum Autofahren die Kappe «UBS? for you and us» hipp mit Schild rückwärts auf? diese Werbe-Mütze aus einer Zeit, wo wir alle den Spruch «die UBS will deinen Kopf» noch nicht richtig gedeutet haben.
Er bindet sich auch schreiend-farbige Sportpullis mit diesem schwanzschweren Label-Krokodil um die Hüften. Der Neid muss gestehen: Man kann seine Hüftknochen wieder erkennen. WESHALB ALSO ZUDECKEN?
Das Allerschlimmste jedoch: ER RENNT ZWANZIG MAL UM DEN BLOCK. KOMMT MIT RIESENHUNGER HEIM. UND NAGT DANN AN ZWEI UNGESCHÄLTEN KARÖTTCHEN RUM.
Unsereins aber haut aus Frust derart in die Vollen, als hätten wir die vierzig Runden gedreht!
«Du solltest Herrn Markus auch ausprobieren», sülzt nun Innocent mit der gutmütigen Gelassenheit des Winners. «Anfangs stinkts einem krass? aber jeder sollte mal seinen inneren Sauhund überwinden...»
Dann maliziös: «Bei Grösse 58 hört die Hose ab Stange nämlich auf...»
Die Frage ist nun einfach, ob ich im Alter in einer Pferdedecke oder als Karöttchen nagender Hase herumgehen soll.
Innocent tätschelt meine Hand: «Ach Pfludderchen? wir leben nun fast vierzig Jahre zusammen. Du warst für mich stets ein überbordender Quell der Heiterkeit... An meinen Gefühlen für dich tun hundert Pfund zu viel am Knochen keinen Abbruch... aber ich denke an deine Gesundheit. Dein Wohlbefinden. Und deshalb habe ich dir zum Hochzeitstag ein ganz besonderes
Geschenk...»
Er zückt ein Couvert.
Und ich erkenne die Handschrift von Herrn Markus.
Meine Lieben: Ab morgen Karotten... Runden ums Quartier... und natürlich ein halbes Döschen von dieser Quick-Lifting-Creme bevor es mit Herrn Markus auf die Matte geht...

Donnerstag, 10. April 2008