Von einem falschen Nussknacker und Karlchen...

Donnerstag - Klar. Die Sache mit der Nuss war vollarschdumm.
Ich wollte bei Karlchen die grosse Nummer raushängen. Karlchen ist mein Neffe. Gerade aus den Pampers raus.
Wenn Eva an irgendeine dieser Feinfühlsitzungen zum Frauen-Stamm geht, deponiert sie Karlchen etwas unfeinfühlig bei mir: «In deinem Alter tun kleine Kinder nur gut? das sprengt die betonierte Platte? erweitert deinen Horizont?» Dann haut sie ab. Und hält mit ihren Frauen Händchen.
Man ahnt, was Evchen für eine ist. Karlchens Vater hat jedenfalls bald einmal das Weite gesucht. Und sich einer Männerverbindung angeschlossen.
O.K.: Das ist auch nicht der Weg. ABER HIER NICHT UNSER THEMA. Das Thema sind Karlchen, die Nuss und mein unterer «Dreier rechts».
Es schien nämlich, dass Karlchen sich bei mir langweilte. Ich habe ihm alle Malbüchlein, Märchen-Puzzles und Gummi-Enten hervorgeholt - NICHTS. Karlchens Blick war ein müdes Gähnen.
Es wäre schrecklich, mein Neffe würde in 20 Jahren herumerzählen: «? und dann war ich bei diesem dicken, kleinen Onkel, einem tranigen Stinker ohne Pfeffer in den Ganglien!»
DAS NICHT!
Und deshalb nahm ich dann die Nuss aus der verstaubten Obstschale und tat schrecklich geheimnisvoll: «Soll ich dir zeigen, wie man die mit den Zähnen knackt, wie ein Nussknacker??»
Karlchen bekundete schwaches Interesse.
Daraufhin legte ich Tschaikowsky auf. Nussknacker-Suite.
Schliesslich pflückte ich die braune Walnuss zwischen Zeigefinger und Daumen - alles hochdramatisch mit «Adakadabra».
Nun war Karlchen ganz bei der Sache.
Ich schiebe also die Restfrucht vergangener Adventsfeiern zwischen die «Dreier» oben und unten. Knacke zu. ES KROST.
Die Nuss ist ganz - der Zahn halbiert.
Wie erwähnt: VOLLARSCHDUMM!
Aber Karlchen zeigte ein glucksendes Lachen. Und das war alle Zähne wert.
Als Evchen - von ihrer «Ooohhm»-Erfahrung zurück - das Kind abholte, schaute sie mich kopfschüttelnd an: «Umshimmelswillen - du siehst aus wie die Hexe aus Hänsel und Gretel - gehst du nie zum Zahnarzt??» BLÖDE KUH!
Ich hätte ihr gerne Zähne gezeigt - aber eben: Erst können vor Lachen!
Nur so viel: Nicht alles, was im Kreise Händchen hält, hat auch Feingefühl?

Montag - Es gibt Tage, da fragst du dich, weshalb du überhaupt aufgewacht bist.
HEUTE IST SO EIN TAG!
Erstens ist die Kaffeemaschine verkalkt. Innocent hat irgendwo Tabletten dagegen. Aber er weiss nicht mehr wo. Die Verkalkung ist nicht nur auf die Maschine beschränkt.
Dann höre ich ein Krachen und Scheppern von der Strasse. Ich denke: Es sind wieder die Bauarbeiter, die seit Jahren unser Quartier zu mehr Wohnqualität umackern. Ehe dieser Plan bestand, war es hier gemütlicher. Nun sind überall karge Bäumchen und Begegnungszonen, wo keine Sau sich trifft. Früher jagten die Autos vorbei - jetzt: Bäumchen. Hundekegel. Und die einsame Stille eines Mondflugs.
«Aufwertung der Wohnqualität» nennen sie das. Inmitten dieser Qualität nun also Scheppern und Krachen. Eines der Mulden-Autos hat meinen kleinen VW rasiert.
Der Chauffeur tobt: «Hier dürfen Sie gar nicht parken - das ist Wohnzone.»
Ich: «Hier wohne ich ja auch.»
Er: «Dann rufen wir eben die Polizei!»
Ich: «O.K. Dabei sollte ich zum Zahnarzt.»
Er: «Und ich sollte diesen Schutt abladen.»
Beide: «Also. Wir einigen uns im Guten.»
Aus dem Natel eine Stimme: «Hallo - hier spricht Notruf 117. Wir kommen sofort!»
Wir: «Alles erledigt - wir machen das unter uns.»
117: «Gott sei Dank - wir sind am Kaffee?!»
Auf dem Zahnarztstuhl hat dann Herr Bossi meine Lücke frisch aufgefüllt. Dazu hat er mir von seinem Liebesleben erzählt. Er hat Zoff, weil seine Freundin abends eine Wohlfühlgruppe besucht und er ihr Söhnchen hüten muss.
«Was sagen Sie dazu?», jammert er. Und poliert das frisch Aufgefüllte so energiegeladen, als wäre mein neuer Zahn für den Wohlfühlkurs seiner Tussi verantwortlich.
«Werfen Sie alle alten Nüsse weg?», sage ich.

Mittwoch - Da will ich mir genüsslich «Adelheid und ihre Mörder» reinziehen, und wie immer wird der Genuss durch das Gedudel des Natels unterbrochen. Evchen ists. Das Wohlfühlige hat sie verlassen, sie keift auf total unoohhhmige Art. «Das war das letzte Mal, dass ich Karlchen bei dir deponiert habe. Weisst du, was er gemacht hat?»
Ich weiss es nicht.
Evchen: «WELCHES NASHORN HAT IHM DIE SACHE MIT DER NUSS GEZEIGT?»
Karlchen hat «adakadllaba» gesagt. Die Nuss dann aber nicht verbissen. Sondern geschluckt. Innocent gibt mittlerweile aufgeregte Zeichen aus der Küche. Im Tiefkühlfach hat er die Entkalkungswürfel gefunden.

Donnerstag, 23. August 2007