Von einer Festtagstafel und ganz trockener Gans...

Donnerstag Oh Stress lass nach!
Also diese paar Wochen vor dem Halleluja-Singen sind ja immer reinster Horror.
ZUMINDEST FÜR MICH.
NO HALLELUJA AT ALL (das war Englisch!)
Innocent hat den Horror dann erst im Januar, wenn die Rechnungen aller Lebensmittelhändler, Blumenlieferanten und Süssbäcker reintrudeln.
DAS WIRD KEIN SCHÖNER JANUAR. DENN ICH HABE GROSS ANGERICHTET.
Ich halte nun mal nichts von diesen «gemütlichen kleinen Einladungen», nach denen sich Innocent zurücksehnt und wo seine liebe Mutter die Gästeschar mit Dampfnudeln vom Grill befriedigte. Danach: drei Anisbrote, hart wie das Beil in der Steinzeit. Und fromme Worte: «Möge die Welt besser werden...»
Die Anisbrote wurden nie weicher. Und die Welt nicht besser...

Freitag Einmal pro Jahr ladet mir Onkel Nudelstadt seine Welt der Politik und Wirtschaft auf die Teller. NICHT, DASS ER KEINE EIGENEN TELLER HÄTTE. Aber meine sind schöner. Und so habe ich dann nicht nur seine Gäste, sondern auch den Dreck am Hals.
Immerhin? bei ihm kann ich aus dem Vollen schöpfen: «Sie sollen sich wie im Paradies bei dir fühlen...» gibt er mir Anweisungen und zieht das Scheckbuch.
Die Tante rümpft die Nase. «Beim Durchschnittsalter dieser Herren sollte das nicht allzu schwierig werden? sie sind schon sehr nahe beim Paradies daheim...»
Dann geht wieder dieser vorweihnachtliche Zoff ab, der die Herzen und Blutgefässe belebt? und ich benutze die Gelegenheit, hinter der Ziffer auf dem Check noch zwei Nullen hinzuzaubern...

Samstag 44 Gäste sind angesagt. Ich decke drei Tische. Thema: das Christkind und der Börsenkurs. Ich habe einen neapolitanischen Krippenjesus auf Schokoladen-Goldtaler gebettet.
Dazu ein Lebkuchenherz von Frau Schmelzer mit der zuckrigen Inschrift : «Gold hätte man kaufen sollen!» Und viel, viel Anemonen zum blauen Tischtuch.
Innocent schaut sich die ganze Bescherung an und versprüht Giftwolken: «Mein Gott? es fehlt nur noch, dass du den Pudding zum Schluss als «Magdalenas Erzittern» auf die Menükarte setzt. Und weshalb blaue Anemonen? Haben wir Ostern?... Nein. Es soll sie an ihre Blue Chips erinnern...» Natürlich hat dann keiner der Gäste diese feinen Anspielungen verstanden.
Alle waren sie zu fest mit sich selbst und ihrer Verdauung beschäftigt: «Nein. Keinen Pfeffer... kein Eigelb... nein, auch kein Brötchen.»
Das war wegen der Zähne. Ich hätte daran denken und pflaumenweiches Einback bestellen sollen. Natürlich war dann der Flan nicht das Einzige, das stürzte. Die alte Ministerin fiel mir doch tatsächlich über den Korb mit den antiken Weihnachtskugeln, den ich in der Garderobe immer als Dekor-Moment für schöne Festtagsgefühle aufbewahre. Die dumme Kuh hatte mit ihren 89 Lenzen zu diesen Schuhen gegriffen, die vorne so spitz sind wie Innocents Bemerkungen, wenns um den Parteivorstand der Liberalen geht. Natürlich waren ihr die Hacken zu hoch. Und die Breite zu schmal? da musste das alte Mädchen ja kippen.
Also: hinein in den Topf mit den alten Kugeln? UND ALLES EIN KLIRRESCHRILLER SCHERBENHAUFEN AUS GLIMMER UND GOLD.
Weihnachtsbaumvögel, deren hochempfindliche Schwänze wir jahrzehntelang sorgfältiger behandelt hatten, als alles, was da sonst in dieser Welt herumschwänzelt, hatten Köpfe und Contenance verloren. Mit stierem Blick lagen die Zerbrochenen neben halbierten Kläusen und geviertelten Engeln. MEIN URALTER FAMILIENWEIHNACHTSSCHMUCK WAR DURCH DEN BÖSEN FALL GLITTER-PANIERMEHL GEWORDEN.
Als Gastgeber darfst du da natürlich nicht loslegen «blöde Geiss? das waren die Erinnerungen an 38 Familienweihnachtstragödien rund um die Kembserweg-Omi und deren jeweiligen Festtagssticheleien («Ich will ja nichts gegen deine Weihnachtsgans sagen, Lotti? aber wenn ich meinem Jules am Stephanstag so etwas Trockenes vorgesetzt hätte, wären wir an Silvester geschieden gewesen»)!»
Die Ex-Ministerin rappelte sich aus den Scherben hoch, klopfte den Glimmer vom Tailleur und schüttelte unwillig den Kopf. «Ein Korb mit altem Kugelramsch gehört auf den Estrich? und nicht in eine Garderobe. Ich hätte mir ja sämtliche Knochen brechen können...»
Das war ein frommer Wunsch, der nicht in Erfüllung gegangen war.

Dienstag «... und am Heiligen Abend machen wir gar nichts. GAR NICHTS. Café Complet und das Fernsehprogramm. Das bringt den Kleinen wieder auf die Erde zurück...»
Mit dem «Kleinen» ist nicht etwa das Strahlenkind vom 24. Dezember gemeint. Mein Freund Innocent nennt seine gesetzlich registrierte andere Hälfte auch nach 38 Jahren noch «der Kleine»? dies obwohl dieser Kleine im Alter zugegebenermassen geschrumpft ist, aber immerhin noch gut einen Zentner (ohne Knochen) wiegt.
DER «KLEINE» DENKT NATÜRLICH GAR NICHT DARAN, SICH MIT CAFE COMPLET ZUM FEST ZUFRIEDENZUGEBEN. Es wird Gans geben. Ein gans schönes Gans-Fest. Und natürlich wird der Vogel trocken sein, wie der Humor des britischen Kabinetts...
Worüber sollten wir denn sonst am Heiligen Abend streiten?

Donnerstag, 6. Dezember 2007