Vom Gastro-Journalismus? wo Politik kein Thema ist

Donnerstag - «Journalisten habens gut», sagte Friedi an der Einladung. «Immer gratis fressen und überall dabei?» Friedi ist Elfriede. Und Elfriede arbeitet am Staat. Genauer: in einem dieser vielen Ämter, wos noch mehr Beamte hat. Basel wird stets kleiner. Doch der Beamten sind es immer mehr? Beamten-Friedi also: «Journalisten habens gut. Immer gratis fressen und überall dabei?» NUN GUT? DA SIND WIR EBEN WIE REGIERUNGSRÄTE: DIE SIEHT MAN VOR DEN WAHLEN AUCH AN JEDEM SALZSTANGEN-ANLASS. Ich bin da gar nicht contra. So machen die Leutchen nichts Dümmeres? wie etwa ein neues Gesetz oder ein Harry-Potter-Mitternachts-Verbot; und vor allem streiten sie nicht untereinander, weil sie vor dem kalten Buffet ihre warme Contenance wahren müssen. Aber das ist nicht das Thema zum Tag. Sondern das Thema sind Journalisten, die Quicksüppchen löffeln. Und dann über irisches Lamm schreiben? Heute leistet sich jedes Quartierblatt eine hochglänzige Lifestyle-Seite mit Kochrezepten und Leserumfragen zum Thema, ob das Eisbein im Pulswärmer serviert werden soll. Vor einem halben Jahrhundert war die Marinade eines Schweinshals kein Thema für Medien. Nur unter Grossmüttern. Als wir Ende der 60er-Jahre die Serie «Was kochen Sie heute?» in der Wochensitzung vorschlugen, mussten wir den Herren Redaktoren die Coramin-Tabletten stangenweise reichen. Sie hatten Birnen, als wären sie im Wein gekocht (um im kulinarischen Bild zu bleiben), und Reden drauf wie: «Dich hats ja wohl? wir machen hier Politik und keine Spiegeleier!» Es war dieser Typ von Mann, der später als «68er» in die langhaarige Mediengeschichte einging. Er konnte Polizisten klopfen. Aber kein Spiegelei in die Pfanne hauen. Natürlich habe ich dann gnadenlos meine Idee samt Rezepten an eine Zürcher Zeitung, die «Brückenbauer» hiess, verkauft. Und wie immer war das, was aus Zürich im Medienwald rauschte, den Baslern bald einmal Offenbarung und Psalm : «Weshalb haben wir bei uns keine Kochrezepte?» So kam ich via Limmat auch am Rhein an den Herd. Das Arge in diesem Beruf ist, dass wenn du einmal über Kochen geschrieben hast, du immer über Kochen schreiben musst. Die Welt hat dich unter Kategorie «Pfanne» ins Cliché-Schublädlein abgelegt. Andere Themen sind nun für dich gestorben. Ich meine: Auch als schreibendes Rührwerk möchtest du gerne einmal über kulturell Wertvolles wie Traviata oder Gottschalk schreiben? aber natürlich geht das nicht. Die Redaktion schüttelt entsetzt den Finger: «Bleib du am Herd!» Diese Klugscheisser, die nach aussen laut die Emanzipation der Unterdrückten fordern, machen aus der Redaktionspfanne das Heimchen am Herd: «? lass die Kelle von Dingen, die du nicht verstehst!» (Somit möchte ich anfängliche Zeilen über zu viele Beamte auch sofort wieder in den Ausguss abschütten, weil ich kein Gramm von Politik kapiere. ODER NUR SO VIEL: was zu viel ist, ist zu viel!). Meine Kolleginnen und Kollegen verstehen vom Kochtechnischen so viel wie ich von der Staatsrechnung. Natürlich knetet sich trotzdem jeder durchs Thema Essen. Das ist ein ungeschütztes Gebiet. Hier kann JEDER mal anbeissen. Nun hat kürzlich der Chefredaktor eines von links umbuhten und rechts hofierten wöchentlichen Weltblatts ein E-Mail geschrieben: «Beschreiben Sie uns das politische Design einer waschechten Basler Seele?» Ich schrieb zurück: «Sie verwechseln mich. Ich bin die Pfanne vom Dienst?» Daraufhin hat sich der Mann nochmals an die Tasten bemüht: «Das weiss ich. Ich habe mich an ihrem russischen Rührei versucht. Die Familie verdaut immer noch? vielleicht haben Sie ein leichteres Rezept zum Thema: «Wie reissen wir Basel wieder aus dem Sumpf?!» Also, ich meine? das ist ja nun wirklich nicht meine Welt. Und meine Schublade. Wenn die in Zürich wissen wollen, wie man Basel wieder auf Kurs schicken kann, sollen sie doch mal unsere Regierung anfragen. Und nicht das Soufflé vom Dienst. O.K. Der Regierungs-tross hockt vor den Wahlen bei den Salzstangen-Apéros? aber sicher hätte einer eine Lösung, wie man unserm schwindsüchtigen Kanton die Stange halten könnte? Überdies gibt es Tausende von Redaktorinnen und Redaktoren, die zu diesem Thema schreiben wollen. AN DIE MÜSSEN SIE SICH WENDEN, LIEBER MANN! Dort geht die Post ab. Ich habe dem Chefredaktor dann ein neues Weichei-Rezept gemailt: L??uf mollet au caviar d?Iran. Er: «Ich wollte keinen Iran-Kommentar!»

Samstag Komme eben von einem staatlichen Apéro zurück: Die frisch gepflanzten Bäume meiner Strasse wurden öffentlich gepredigt und gefeiert. Blatt für Blatt ein Fest! Friedi war auch dort. Sie fauchte mich an: «Gratis fressen? und dann mies über die Politik schreiben!» Ich verabschiedete mich hurtig. Und verfasste daheim einen Kommentar zum Thema: «Weshalb bekommen Anisbrote krumme Füsse?»

Donnerstag, 22. November 2007