Von Roger Federer (natür) und einem Glas Melanzane-Sugo

Donnerstag - Maria-Luisa ist wie eine Hummel um mich herumgesurrt: «Du kennst ihn doch? ist er natür auch so stattlich? ich meine, ich habe ihn noch nie unter der Dusche gesehen und?»
ICH AUCH NICHT.
O.k. Ich habe mit Roger ein bisschen dick angegeben.
Wir Eidgenossen haben im Ausland zurzeit eh einen schweren Standpunkt.
Zuerst haben sie geglaubt, wir seien die reichen Hässlichen, die in Milch und Nutella baden.
Das vom Hässlichen hat sich dank der Durchmischung mit einer Zweit-Ausländer-Generation etwas gelegt.
Aber dann haben sie eben auch gemerkt, dass das viele Geld gar nicht UNS, sondern ihren eigenen Landsleuten gehört. Und statt nun auf diese Steuerflüchtlinge sauer zu sein, sind sies auf die Schweizer: «Zuerst habt ihr von der Arbeitskraft der andern gut gelebt - und nun vom Geld ausländischer Steuerhinterzieher?»
WAS ANTWORTEST DU DENEN DARAUF, WENN DU NICHT DEN GANGLIEN-GANG EINES SVP-PRÄSIDENTEN DURCHLÄUFST? Da hockst du tief in der Kacke, die am Dampfen ist. Und versteckst dein Schweizerkreuz-T-Shirt in XXL. Das Schweizerkreuz ist zwar zu einem wunderbaren Verkaufsschlager geworden - aber die Gesinnung der Schweiz findet nur in Grösse «small» Anklang.
UND DA BIN ICH AUF FEDERER GEKOMMEN.
Ich meine: Mit IHM ist doch die personifizierte bewegte, charismatische, schöne und sympathische Schweiz am Ball.
Deshalb habe ich bei Maria-Luisa auch etwas hoch übers Netz geschlagen: «Ich kenne ihn gut? wir sind quasi Freunde? sehr, sehr gute Freunde? seine Mutter ist ja so etwas von reizend und der Papa Federer so unkomliziert?»
Dies alles auf Italienisch.
In Wirklichkeit habe ich Roger nur ein einziges Mal seinen berühmten Tennisarm gedrückt. Das war bei Arthur Cohn an einem Empfang.
«Hallo Roger.»
«Hallo -minu.»
Das wars auch schon. Aber im Sinne der Völkerverständigung und der Aufrüstung unseres angeschlagenen Image darf man das nicht so genau nehmen. Deshalb: «Er ist wie du und ich. So ganz natürlich?»
Ich wollte eben noch ein Episödchen aus unserer gemeinsamen Schulzeit erfinden, da fiel mir GOTTLOB RECHTZEITIG ein, dass ich ja noch zur Zeit der Stehpulte die Maikäfer sezierte. Und Roger aus der Playoff-Generation stammt. So hängte ich eine unverfängliche Schnake an: «? und einen Appetit hat er immer?»
Maria-Luisa war total hysterisch. «Appetit worauf?», japste sie. Und ich schwieg vielsagend, was ihre Fantasie zum Explodieren brachte.
Jedenfalls jagte sie in den Keller. Holte ein Glas von ihrem sagenhaften Melanzane-Sugo. Umklammerte meine Knie und befahl mir auf alle Heiligen und meinen Monatslohn zu schwören, dass ich diese Köstlichkeit ihrem Liebling persönlich in seine durchtrainierten Arme drücken würde.
Und: «Portami una foto dedicato?»
«Dedicato ist sehr delicato», versuchte ich die Hürde zu umgehen. «Roger lässt sich nicht fotografieren. Und sein Schreibfinger ist vom letzten Match noch entzündet. Er?»
Sie hat mich mit einem Blick durchbohrt, wie 1000 Sargnägel die letzte Kiste: «Wenn dus mir bringst, bekommst du sechs Glas Sugo?»
Ich muss Federer haben. In Bild. Und «Für Maria-Luisa - Dein Roger».

Dienstag - Damals, als wir Papst Ratzinger besuchten und mit ihm über die Basler Trommeln plänkelten (ER: «Die Basler haben ein ganz speziell dünnes Fell?»), war es ein Kinderspiel. Es ist einfacher, dem weltlichen Papst die Hände zu küssen, als dem Tennispapst ein Glas Melanzane-Sugo zu überreichen.
Überall wurde ich gereizt abgewimmelt. Nur wers erlebt hat, weiss, wie es der Schmeissfliege über dem Butterbrot zumute ist.
Es piepste alle sechs Minuten mein SMS-Fensterchen. Maria-Luisa. Wie ein konstantes Wetterleuchten kam aus der Ewigen Stadt die Frage: «WAS HAT ER ZU MEINEM SUGO GESAGT?»
Der andere Roger, Turnierdirektor und eine Seele von Mensch, konnte mir auch nicht helfen: «Du musst verstehen? er will keinen Rummel? wenn er schon mal in Basel ist, will er seine Freunde treffen?»
KEINER VON DENEN HAT IHN UNTER DER DUSCHE GESEHEN - NIEMAND WOLLTE DARÜBER SPRECHEN!
Ich stellte mich also mit so vielen, die guter Hoffnung waren, am Spieler-Ausgang an. In meinem Herzen die Verzweiflung, in den Händen das Eingemachte.
ABER ER KAM NICHT.
Der Einzige, der auch durch den Spielerausgang seinen Abschied nahm, war Beni Thurnheer.
«BENI!» - schrie ich. «GIB MIR EIN AUTOGRAMM!» Ich streckte ihm den Sugo hin. Er aber wollte Davidoff-Zigarren.
Daraufhin habe ich Benis Autogramm mit den guten Wünschen für Maria-Luisa per SMS nach Rom angekündigt.
Sofort hats wieder wettergeleuchtet. «WER IST BENI THURNHEER?»
Da wusste ich, dass ich das schöne Schweizer Image bei Maria Luisa auf immer und ewig verspielt hatte...

Donnerstag, 8. November 2007