Vom Feuer auf der Insel und einem Louis-Vuitton-Helm...

Donnerstag - Als der südliche Teil dieser Insel so dürr war wie die arme Twiggy nach der Sauna, da stieg plötzlich graues Grauenvolles zum Himmel.
UNSERE HERZEN BEBTEN - DENN WIR WUSSTEN: Nun lodert wieder der furztrockene Erika-Teil bei den Serpentinen - wie alte Kirchen-Weiber, wenn ihnen ein junger Vikar die welken Hände schüttelt.
Sofort hob am Himmel das Brummen der hiesigen Flug-Feuerwehr mit ihren Propeller-Löschern an, deren Design Foie-Gras-Gänsen nachempfunden worden sein muss. Sie kreisten überm Feuer. Und liessen Wasser.
Kunstvoll ist die Flotte dann wieder aufs Meer gebrummert, hat sich sanft auf die Wellen gesetzt und gierig Flüssiges reingezogen wie Innocent seinen ersten Campari, wenn die Uhr sechsmal geschlagen hat.
In den Häfen von Porto Ercole und Santo Stefano mahnten die Glocken zum Gebet. Hurtig wurde die heilige Agatha mit Blumen geschmückt. Und jeder im Ort stellte eines der Gips- oder Holzfigürchen, die vor Bösem und dem Miesen dieser Welt schützen sollen, ans Fenster. So möge der oder die Weihwassergeweihte das Unglück vom eigenen Haus ab- und andern zuwenden. Amen.
Dann schlugen die Insulaner das Kreuz. Und drückten sich in ihre Fiats. Alle jagten auf die Passhöhe des Silberbergs, um nahe beim Spektakel zu sein.
In einem Ort, wo die Potenz des schönen Fischhändlers, das Rätsel um die befleckte Hose des Padre und die gefälschten Data-Etiketten der Alimentari-Händlerin Loretana die einzigen Sensationen der Saison sind, kommt so ein Feuer gerade recht.
Ein ellenlanger Blechzug an zuckelnden Kleinst-Fiats keucht den Berg hinauf. Fernando, das Schlitzohr des Dorfs, holpert mit seinem Dreirad-Laster voraus. Er hat ihn beladen mit Popcorn-Tüten und acht Kanistern Tranksame. Im akustischen Gemisch des gespenstisch flüsternden Feuers und dem rauen Donnern der Wasserflugzeuge hört sich Fernandos fröhliches «POPCORN... GELATI... COLA-LIGHT...» wie eine Pavarotti-Arie aus dem Jenseits an. Es ist der richtige Ton, um dem Spektakel die Würde einer grossen Oper zu verleihen.
Da nach den Serpentinen kaum ein Furz wohnt, interessiert sich auch keine Sau, ob das Feuer gelöscht werden kann oder nicht.
Hauptsache: ACTION.
Und für einmal Abwechslung zum alltäglichen Tele-Quark mit den langbeinigen Assistentinnen, die den AHV-Quiz-Onkeln von Media-Set nicht nur vor dem Bildschirm die Stange halten.
Ausser oben erwähntem Furz wohnen WIR noch auf der gefährdeten Seite. Dies nur nebenbei. Da wir Fremde sind, zählen wir natürlich nicht.
Entsprechend sind die Bemühungen der fliegenden Feuerwehr auch nicht so sehr darauf abgestimmt, die ausländischen Alpenkälber aus dem fernen Hirtenland vor dem Höllenfeuer zu retten, als vielmehr die Gelegenheit beim Steuerknüppel zu fassen und mit Loopings oder gewagten Tiefsturzflügen bei den Tausenden von Zuschauern Applaus rauszuschinden.
«Nun ists aber genug!», jammert Innocent. Und begiesst zum dritten Mal sein Portemonnaie mit der Spritzkanne. «Morgen kaufe ich eine eigene Feuerwehrpumpe - dann bin ich nicht mehr auf diese Armleuchter angewiesen!»
Noch einmal flammt das Feuer zum Himmel. Noch einmal ein jubelndes «EVVIVA!». Dann erstickt unsere Inselseite im teerschwarzen Rauch. Mit nassen Tüchern vor dem Kopf sitzen wir im Zimmer unseres Häuschens. Wir hören die davonjagenden Hufe der Wildschweine.
«Tsssumindessst sssind nun auch die Hornussssen weg?», näselte Innocent hinter dem Tuch hervor.
Und als der Morgen erwachte, war klar: Wir würden bald eine hauseigene Feuerwehr haben.

Samstag - Natürlich wars Fernando (der mit dem Popcorn), der dann Innocent die Löschpumpe angedreht hat. Jedenfalls kam Letzterer mit ellenlangen Schläuchen, mit etwas, das wie ein Fiat-Motor aussah, und einer Rohrspritze angefahren. Er jauchzte: «Das funktioniert pumpensicher! Wir tauchen die Schläuche in den Pool. Dann spritzen wir los - ich habe dir auch einen Feuerwehrhelm mitgebracht!»
Es gibt zwei Dinge, die hier richtigzustellen sind: Unser POOL ist ein Wasserloch, an dem sich die Schweine laben und in das Innocent manchmal hineinhüpft, wenn das Duschwasser ebbe ist.
Aber schon seine liebe Mutter pflegte am Tisch zu rufen: «Heribert - richte er das Fleisch an!» Und hat dann die weissen Handschuhe angezogen, um der Familie selber den hauchdünn aufgeschnittenen Cervelat auf der Silberplatte herumzureichen.
Und zweitens: Ich bin gerne bereit, beim nächsten Feuer einen Pompiere-Helm aufzubüxen - ABER ES MUSS SCHON EIN LOUIS-VUITTON-LABEL DRAUF SEIN?

Donnerstag, 25. Oktober 2007