Von einem Kofferproblem und rosa Tupfen

Donnerstag - Die Ankunft in New Orleans war heiss. Sehr heiss. Hot arrival, sozusagen.

Die nette Frau, die von Arthur zum Flughafen geschickt worden war, hiess Beth. Sie war nicht gerade das, was man für einen Nobelpreis vorschlagen könnte - aber sie war willig. Und mit der Sonne des amerikanischen Gemüts beschenkt. «Hi Love!», strahlte sie.
Dann liess sie ihre Kulleraugen kreisen. Und wippte mit den Hüften, weil irgendwoher irgend eine Kleinstmusikband in die Klampfe hieb. Es hat Unmengen von Kleinstmusikbands in New Orleans. Und Unmengen von wippenden Hüften.
Beths rabenschwarze Haut war glatt. Samtweich. Und trocken.
Ich: rumpflig. Dotterig gelblich, da mich im Flugzeug das Kötzi überfallen hatte. Und dazu: pflotschnass. 45 satte Grad im Flughafengebäude, dazu eine Luftfeuchtigkeit wie die Pampers von Tante Irmgard im Altenheim - na danke!
«And where?s your luggage, love?» ALSO DAS FRAGTE ICH MICH AUCH.
In Rom hatte ich meinen wunderschönen, zugegeben etwas aus der Mode gekommenen Wildlederkoffer aufgegeben, den schon mein lieber Vater in den Sechzigern auf seiner politischen Aufklärungsreise ins Reich der Chinesen geschleppt hatte. In New Orleans kam etwas an, das wie eine abgeschossene Kuh aussah.
Und: «Ohh dear!», hauchte Beth.
«Oh dear», hauchte auch ich.
Der Koffer hatte auf dem Flug endgültig den Geist aufgegeben. Ähnlich wie ich, als ich anderthalb Stunden auf die Einreisebewilligung warten musste. Schliesslich von einem Dreizentner-Muni (der weissgott nicht Minu hiess) an den Schalter gewunken wurde. Dort meine Finger in ein undefinierbares Loch stecken musste. UND DABEI DANN NOCH OHNE VORWARNUNG FOTOGRAFIERT WURDE(!), sodass ich nun nicht weiss, ob meine Pickel auf dem Bild drauf sind, oder ob sie einer wegretuschiert hat.
ES WÄRE MIR SEHR PEINLICH, MIT EINEM PICKEL IM LAND DER AKNEFREIEN HAUT REGISTRIERT ZU WERDEN!
Doch zurück zum Koffer, der keiner mehr war!
Auf dem Laufband, das Ukulelen, Weinkisten aus Frascati sowie Rucksäcke, Rucksäcke, Rucksäcke anspulte - kamen immer mal wieder ein paar Unterhosen. Dann drei weisse Hemden. Und ein T-Shirt mit einer gähnenden Katze und der Inschrift «MAMAS LIEBLING» drauf.
Ich erkannte Mamas Liebling sofort. Und auch die Unterhose, auf die ein Werbemensch «give me a last chance» draufgestickt hatte.
Wir sammelten also meine sieben Zwetschgen ein. Entsorgten den Koffer an Ort. Und fuhren zuerst auf den French Market, um einen Koffer zu erstehen.
«It?s the best place!», strahlte Beth und liess ihre falschen Perlen wie Lola-Lola , wenn sie Charleston tanzte, um den Hals zwirbeln. «Spottbillig dazu!»
Spottbillig waren sie. Aber die Koffer waren alle aus Hartplastik. Hatten einen lindengrünen Grundton. Und rosa Tupfen.
«DAS DANN DOCH NICHT!», sagte ich.
Worauf mich Beth zu einer Filiale von «Sacks - 5th Avenue» führte. Und dort hatten sie das Richtige: einen schweren, schwarzen Lederkoffer, der auf Knopfdruck Räder sowie einen halbmeterlangen Handgriff hervorzauberte, weil es ja keine Gepäckträger mehr gibt, und die Generation des 21.Jahrhunderts ihre Bürden selber schleppen muss.
Für den Preis des Koffers hätte ich allerdings vier Mal um die Welt reisen können. Aber eben: gepäcklos.

Dienstag - In New York holt mich Ed am Flughafen ab.
«Where is your luggage?», äugt er zum Transportband, das nun lindengrüne Koffer mit rosa Tupfen sowie Rucksäcke, Rucksäcke, Rucksäcke aus New Orleans ausspuckt.
Da kommt mein Prachtstück schon. Seine Räder sind draussen, wie beim Jet vor der Landung. Der Handgriff ragt anklagend in die Luft hinaus. Und dann ist es mit diesem Griff wie mit dem Unaussprechlichen nach einer Überdosis Viagra: KEINER BEKOMMT IHN RUNTER!
Wir drücken am magischen Knopf. NICHTS!
«So kannst du nicht ins Hotel», sagt Ed. «Und so kannst du vor allem den Koffer nicht mehr aufgeben, wenn du nach Rom zurückfliegst!»
Statt Music-Shows, Moma und Met zu besuchen, verbringe ich die New Yorker Tage damit, einen Kofferreparateur ausfindig zu machen, der mein Millionending wieder runter kriegt.
Ich telefoniere schliesslich der Kofferfirma, die ihren Sitz in Washington hat. Und man verspricht mir, die Sache in Ordnung zu bringen. Die Filiale an der 5th Avenue würde mir einen Ersatz schicken.
ALSO BITTE - FÜR 2000 EIER DARF MAN DAS JA WOHL VERLANGEN!
Ich hole also mein Problemstück beim Portier ab. WILL HOLEN. Denn der hat mittlerweile strahlend meinen herausragenden und nicht mehr zurückwollenden Handgriff abgesägt: «Sie können ihn ja an einer Schnur ziehen, Sir!»
Als der Mann der Kofferfirma dies sah, schlug er das Kreuz und wimmerte. «Aber das hier können wir natürlich nicht umtauschen!»
Ich wimmerte ebenfalls: «Was nun?»
Er gab mir die Adresse eines Koffergeschäfts in der Bronx: «Very cheap!»

Mittwoch - In Rom holt mich Innocent ab: «Wo ist dein Koffer?»
Auf dem Laufband kamen Rucksäcke, Rucksäcke, Rucksäcke - und ein lindengrüner Koffer. Hartplastik. Mit rosa Tupfen.

Donnerstag, 31. Mai 2007