Von einer Sozialtante und klarem Basler Wasser

Donnerstag - War gestern wieder mal Gast in einer Talk-Runde.
DAS LETZTE MAL - sage ich euch.
DAS LETZTE MAL!
Mit-Talkerin war so eine Sozialtante mit grobmaschigem Pullover, an dem sie rumknetete wie Bäckermeister Gilgen an seinem Zopfteig.
Die Frau stand arg unter Stress. Es schien schier, dass ich der Grund dieses Stresses war. Thema war nämlich «Lifestyle und Umwelt», und als ich erklärte, ich sei Besitzer eines kleinen, buckligen VWs, den ich liebevoll «Wölkchen» getauft hätte, schaute die Diskussionsleiterin triumphierend zur Sozialfühlenden und schüttelte den Zeigefinger: «... aber, aber Herr -minu. Haben Sie denn kein schlechtes Gewissen gegenüber der Umwelt?»
Die Sozialtante nickte heftig Zustimmung, so dass sich ihr Tutt auflöste und sie nun endgültig wie Schneewittchen nach 30 Jahre AHV-Bezug aussah.
Ich blieb cool: «Ich fahre für meine Umwelt, liebes Fraueli...» Das «liebe Fraueli», sass. Die Diskussonsleiterin zog ihre ohnehin schon schmalen Lippen zu einem Strich und die kleinen Schweinsäuglein blitzten Feuer: «Wie soll ich das verstehen?»
Ich schaute sonnig: «Ganz einfach...» Ich taxierte vielsagend ihre knackig getrimmte 36er-Konfektionsfigur : «... unsereins kann sich den Arsch nicht im Fitness-Studio zwei Stunden im Tag stramm fitten. Nein. Unsereins schaut, dass die Umwelt zu essen hat, kocht für Dutzende von Menschen und schleppt so die Ware an. Da ich Supercenters genau so hasse wie Einzahlungsscheine vom Polizeidepartement, kaufe ich in der Stadt in Kleinläden ein. Und tue so etwas für diese Art von Umwelt. Leider ist es mir nicht möglich, alle meine Tonnen nach Hause zu schleppen, da ich alt und plattfüssig bin...»
Die Diskussionsleiterin rümpfte die Nase. Sie ist 35. Sie hat aber schon jene verwitterte Klugheit dieses alt Bundesrates, der sich auch immer zu Wort meldet und die Welt aus der Sicht der Gruft verbessern will: «Nun übertreiben Sie mal nicht - keiner schleppt Tonnen für ein Essen heim...»
Also: die bestimmt nicht. Da wird ein Joghurt gegessen und Lifestyle ist fertig.
Die Sozialtante hat ihre Grobmaschen bereits zu klaffenden Löchern durchgeknetet, so gebe ich ihr mit meinen Erklärungen den Blues. Sie versucht vergeblich die Mitte zu finden und zischt nun: «Aber Ihre Art von Völlerei ist doch echt dekadent... und wenn man dazu noch ein Auto benötigt...»
«Das Auto völlert nicht», sage ich honigsüss, «es läuft mit 7 Litern auf 100 Kilometer. Und es bezahlt Steuern in Basel-Stadt. Es bezahlt übrigens auch die meisten Parkbussen in diesem Kanton. Und es bezahlt sie gerne, weil es diese Stadt liebt, in dieser Stadt lebt - UND IN DIESER STADT AUCH EINKAUFEN MÖCHTE!»
«Sie kommen vom Thema ab», sagt die Diskussionsleiterin spitz. «Mann muss sich den Tag eben richtig einteilen und...»
DIESE DUMME KUH! Holt sich mit einer Stunde Gesprächsleitung ein Honorar, für das ich mir sieben Tage lang die Finger flach sauge.
Sie löffelt Joghurt, während ich für meine Umgebung noch währschafte Fleischsuppe mit Flädli koche.
Daneben spult unsereins noch hurtig ein paar Artikel runter, recherchiert zum Thema «Wo gibts Schoggihasen mit Mohrenkopffüllung?» und «Weshalb ein Stapi und keine QUEEN für Basel?» - Derweil hockt dieser Giftzahn im Fitness-Studio und kurbelt sich den Ranzen flach.
NA DANKE.
Eine zarte Stimme meldet sich aus dem Publikum: «... aber Frau Bundespräsidentin Calmy-Rey hat am Autosalon auch gesagt, dass sie Autos liebe und diese sexy finde...»
HAT SIE DAS?!
DA MUSS ICH ABER DIESEM DIMITRI-VERSCHNITT ABBITTE LEISTEN UND DAS DÜRRE MÄDCHEN AN MEIN GROSSES MÄNNERHERZ DRÜCKEN: Gut gesagt, Micheline!
Da die Sozitante, das Gespräch nicht mehr einmitten kann, versucht sie die versöhnliche Tour über Alkohol: «Wie haben Sies denn mit einem feinen Gläschen?»
ICH HABS DA ÜBERHAUPT NICHT. ICH SAUFE KEINEN ALKOHOL.
Die Schlitzschweinchenaugen der Talkmeisterin öffnen sich zu heidelbeergrossen Punkten: «Auch nicht ein glitzekleines Schlückchen, wenn Sie kochen?
NUN KOCHE ICH ABER RICHTIG: «Nein. Ich trinke Wasser. KLARES, KALTES BASLER WASSER. HARASSENWEISE. Und transportieren Sie die mal umweltfreundlich! Ich bin überdies der Meinung, dass Alkohol mit einer Umweltsteuer belegt werden müsste, weil dann erstens weniger getrunken und zweitens das Geld für Alternativ-Energieforschung gebraucht würde...»
O.k. Ich komme vom Thema ab. Aber «Hört! Hört!», meldet sich ein Abstinent aus dem Saal.
Und «SO EIN QUARK!», ruft ein anderer.
Das Pubikum diskutiert nun untereinander und die Talk-Meisterin versucht verzweifelt wieder die Zügel in die Hände zu bekommen. Sie kehrt das Thema um 180 Grad: «... und was sagen Sie zu DJ Bobo und seinem rauchenden Vampir-Song?» «Wunderbar - ich rauche auch!»
An dieser Stelle gabs Pfiffe und Applaus.
Die Diskussionsleiterin bedankte sich hurtig bei allen.
Und die Sozialtante hatte ihren Pullover endgültig durch.

Donnerstag, 29. März 2007