Treue

Sie sassen in der Stube. Wortlos. Aber auf leise Art glücklich.

Lucie strickte an einem Shawl für ihren Grossneffen. Farbe: Rot-Blau.

Patricks Herz schlug für den FCB. Und neuerdings auch für eine gewisse Sandra.

Lucie schaute mit einem zärlichen Lächeln über die vibrierenden Stricknadeln zu Walti. Der war in sein Sudoku vertieft. Und knurrte genervt. Irgend- etwas mit den Zahlen wollte nicht aufgehen…

Erschienen am: 
Montag, 13. April 2015

Von der alten Primadonna und der Casa Verdi

Illustration: Rebekka Heeb

Die Alte stützte sich auf den Rollator. Sie hatte Rouge auf ihren faltigen Bäckchen – es sah aus, als würde Abendrot über eine aufgerissene Strasse aus­gegossen. «Sono Lucia», stellte sie sich nun vor. «LUCIA DI PARMA – SIE ERINNERN SICH?»

Ich war ein stummes Fragezeichen. Und das gefiel Frau Lucia gar nicht. Also gab sie etwas Schützenhilfe: «1946. Gleich nach dem Krieg. Zuerst im San Carlo von Neapel. Dann hier an der Scala. LA GRANDE LUCIA, LA DIVINA!»

Erschienen am: 
Dienstag, 7. April 2015

Von den Pariser Monaten und der Kroketten-Zeit

Illustration Rebekka Heeb

Georges war ein Weichei. Mutlos. Er lebte in seiner ­verlogenen Welt.

Ich meine: Er ging allen Schwierigkeiten aus dem Wege.

Daran musste ich denken, als «der Kreis», dieses bejubelte Schweizer Film-Lamento über ein trauriges Schwulenleben über mich hereinbrach.

Ich habe Georges in der Pariser Oper kennengelernt. Vorne tanzte Nurejew. Hinten stand ich. Es war die Zeit, als ich dem russischen Tänzer und dessen pompösem Paket im Tricot überall hin nachreiste.

Natürlich beachtete mich Nurejew nicht.

Erschienen am: 
Dienstag, 31. März 2015

Schall und Rauch

Es war seine letzte Zigarre.

Noch einmal spielte er mit den Lippen am Deckblatt. Und spürte, wie der sanfte Rauch ihn benebelte.

Dies alles würde nun vorbei sein.

«Die Erlösung naht», hatte sein Arzt gegrinst. Es war ein Doktor des schwarzen Humors. Deshalb mochte Edi ihn. Und seine dunklen Sprüche.

Vermutlich würde er seine Havannas vermissen. Doch bestimmt nicht die jammernden Ratschläge seiner Umgebung: «Hör endlich mit dieser Pafferei auf. Schaust du dir nie das Bild einer Raucherlunge an …»

Doch.

Erschienen am: 
Montag, 30. März 2015

Vom Besuch im Bundeshaus und von grauem Stein

Illustration Rebekka Heeb

Das Bundeshaus hat mich nie heiss gemacht. Einfach nicht.

Wenn jemand mit Sissi und Schneewittchen gross geworden ist, hatten Herrscher­häuser anders auszusehen:

MEHR GOLD.

MEHR TÜRMCHEN.

MEHR GLANZ.

Als Politiker und Gewerkschafter hatte mein Vater allerlei Beziehungen zum Bundeshaus. Er schleppte alles und jeden hin. Es gibt kaum einen Bergbauern in Adelboden, der mir heute nicht mit geröteten Augen die feuchten Hände entgegenstreckt: «Dyn Ättel hett mi denn no is Bundeshuus brocht…»

Erschienen am: 
Dienstag, 24. März 2015

iPhone-Problems

Lilly schaute etwas ratlos auf ihr iPhone.

Steve hatte ihr eines auf den 60. Geburtstag geschenkt: «Zeit, dass du mit der modernen Technik zurande kommst, Omi!» – Sie zuckte beim Wort «Omi» noch immer zusammen.

Bei «moderner Technik» zuckte sie noch mehr.

DIE ZEIT JAGTE ZU SCHNELL.

Sie erfanden irgendwelche Ströme, wo man Geschriebenes auf Wolken schicken konnte. Aber sie hatten noch immer keine Lösung, wie man ein Döschen Sardellen problemlos öffnen konnte.

VERRÜCKTE WELT.

Erschienen am: 
Montag, 23. März 2015

Vom Café Kranzler damals und von Berlin heute

Illustration Rebekka Heeb

Berlin war ja nun wirklich nie meine Stadt.

Als ich 20 Lenze war, hat mir Fred Spillmann die Hucke vollgesabbert, dass Berlin seine beste Zeit gewesen sei: «Du kannst dir ja gar nicht vorstellen …»

Basels blühendste Drag-queen klapperte mit den ­Wimpern. Sie drehte an ihren Klunkern. Und ­streichelte die wuchtige Schlüsselkette am Hals. An der Kette hing ein tellergrosser goldener Affe mit einem fingergrossen Penis. An diesem Stück fädelte Fred seine Schlüssel auf.

ES WAREN VIELE SCHLÜSSEL.

Erschienen am: 
Dienstag, 17. März 2015

Air Fresh

Sie mochte die neue Technik nicht.

ABER GAR NICHT!

O.k. Es war schön, nur aufs Knöpfchen drücken zu können. Und nicht an den Arsch frieren zu müssen.

In früheren Zeiten ist es mindestens drei Mal monatlich passiert, dass sie frühmorgens mit ­eisigen Zehen vor dem erloschenen Ofen stand. Das Öl war ausgegangen! Also runter in den ­Keller. Und eine Kanne in die Wohnung hochschleppen.

Erschienen am: 
Montag, 16. März 2015

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