Joggi La Roche

«Wir machen kein schnelles Geld, aber sicheres»
Seit 226 Jahren eine Familie von Bankiers … Eigentlich heisst er Hebdenstreit. Johann Jakob Hebdenstreit.
Aber die Bankenwelt kennt ihn als Joggi – Joggi La Roche. Privatbankier. Und dies in der achten Generation.
Um es bescheiden zu sagen: Die Bank La Roche 1787 («Das ist das neue Branding!») ist die älteste Privatbank in Basel – und auch eine der ältesten auf dieser Welt.
Er kommt auf die Sekunde genau. Mit Krawatte («Sonst eher nicht … ich bin da mehr der sportlich-legere Typ»). Und mit diesem Lachen, das jede Befangenheit des Gegenübers wie Schnee in der Sonne schmelzen lässt.
Also – zuerst die Frage zu dem Hebdenstreit. Wie kam das alles?
Wieder das Lachen: «Ach, da war etwas mit Louis XIV. Und mit meinem Namensgeber und Vorfahren Johann-Jakob. Dieser diente als Hauptmann Hebdenstreit im Heer des Sonnenkönigs. Und bekam für seine Treue und Tapferkeit den Titel Hebdenstreit, dit: La Roche. 1690 zog er als als Hans Jakob La Roche nach Basel zurück …»
Und seither gibt es die Bankiers La Roche?
«… nun ja, gegründet wurde die Bank dann 97 Jahre später – 1787. Eigentlich ein Handelsunternehmen. Die Zeiten waren damals übrigens genauso turbulent wie heute …»
Das heisst, es gab schon damals eine Boni-Diskussion?
Jetzt erlischt das Lachen in den Augen:
«In u n s e r e r Bank sind noch nie Boni ausbezahlt worden. Deshalb erübrigen sich auch Diskussionen darüber …»
Er relativiert:
«Ich bin allerdings absolut der Meinung, dass alle, die zu einer guten Jahresbilanz beigetragen haben, am Gewinn partizipieren sollen. Das schon. Aber diese Riesensummen, die da ausbezahlt werden, sind einfach absurd. Und bringen die Menschen gegen die Banken auf. Das kann ich gut verstehen. Da gehen auch m i r die Schuhe auf.»
Wegen der hohen Löhne. Oder wegen der Abfindungssummen?
«Nun, beides. Ein Beispiel: Als eine hohe Führungskraft, ich nenne jetzt keine Namen, von der UBS abgefunden wurde, bekam diese Person von der Bank Millionenbeträge. Man rechtfertigte dies mit dem grossen, unternehmerischen Risiko, das er auf seinem Posten gehabt habe.
Aber wo hat ein Grossbanker ein unternehmerisches Risiko?
Der bekommt doch seinen monatlichen Lohn, ob er Mist baut oder nicht – das haben uns die Beispiele genügend gezeigt. Die Eigenverantwortung ist gleich null – oder zumindest hat sie für den Banker keine Konsequenzen. Niemand geht an sein Portemonnaie. Das ist beim Privatbankier total anders …»

Und damit wären wir beim Thema. W A S IST BEIM PRIVATBANKIER ANDERS?
«Der Name sagt es schon: Wir Privatbankiers haften mit unserem gesamten privaten Vermögen. Kurz: Wir sind Unternehmer des privaten Bankgewerbes und wohl die älteste Form der Bank.»
Wenn also etwas schiefgeht, werdet ihr zur Kasse gebeten. Und ihr müsst aus eurem Privatvermögen das Geld hinblättern?
«Ja. Und da geht man bei den Geldanlagen eben doch anders oder konservativer und vorsichtiger vor als in einer Bank, wo man mit fremden Geldern jonglieren kann. Wir überlegen jeden Schritt zehn Mal – da gibt es keine Spielbank-Momente. Entsprechend sind wir natürlich konservativ – und müssen dennoch mit dem modernen Banking von heute mitziehen. Ein schwieriger Spagat.»
Er macht eine Pause.
«Wir Privatbankiers – und es gibt ja in der Schweiz kaum noch ein Dutzend Privatbanken –, wir Privatbankiers also wachsen schon mit diesem Verantwortungsbewusstsein auf. Wir sind da von unseren Familien geprägt.
Ich kann mich an meinen Vater erinnern, wie er seine Partner Ende Jahr an den Tisch rief. Und dann fragte: ‹Was hetts koschtet?› Gemeint war: Was kostete uns das vergangene Jahr? Wie viel müssen wir von unserm Vermögen hinlegen? So etwas prägt. Da gehst du mit deinem Geld, und auch mit dem Geld deiner Kunden, vorsichtig und behutsam um. Wir machen kein schnelles Geld. Aber wir machen sicheres Geld.»

Ihr seid bei der Bank La Roche 1787 sechs unbeschränkt solidarisch haftende Gesellschafter. Gibts da nicht Probleme bei den Entscheidungen? Ich meine: Wenn etwas schiefgeht, muss doch jeder antanzen und berappen …?
«Nun – wir diskutieren alles. Raufen uns zu einer Lösung zusammen. Und kommen so gar nicht erst in Versuchung, etwas zu unternehmen, das uns in eine Horrorsituation bringen könnte. Mit anderen Worten. Geschäfte, die uns angeboten werden und die irgendwie seltsam oder riskant wären, haben keine Chance. Wir brauchen ja auch nicht das schnelle Geld zu machen. Wir haben keine Aktionäre – und somit auch keinen Druck von dieser Seite. Das ist ein grosser Vorteil.»
Nun kann der Name La Roche als Bankenname ja nur bestehen, wenn auch ein La Roche als unbeschränkt haftender Partner der Kommanditgesellschaft im Boot ist. Was ist, wenn Joggi La Roche aussteigt?
Der Kellner bringt den Fisch. Und der Bankier lässt sich für einen Augenblick vom Duft verleiten. «Ich liebe Fisch … koche mir diesen manchmal auch selber …
Also: Eigentlich müsste ich bereits vor einem Jahr aufgehört haben. Wir haben da die Altersguillotine. Ich bin nun 69. Mache weiter. Und es macht mir Spass. Das mit dem Gesellschafter, der den Namen gibt, ist ein alter Zopf. Wir haben entsprechend in Bern vorgesprochen – aber wir warten immer noch auf die Antwort. Immerhin haben sowohl mein Bruder Michi und auch ich einen Sohn – beide holen sich momentan das Rüstzeug für die Nachfolge. Aber wir wollen nicht drängen …»

Wie ist das, wenn man seit acht Generationen, oder eben ein Leben lang, auf der Bank ist und …
Er unterbricht. «Ich bin erst mit 50 in die Bank eingetreten. Aber das ist eine lange Geschichte …»
Wollen wir aber gerne hören.
«Nun, ich habe in Basel die Schule besucht und bin dann auf ein Internat gekommen. Schliesslich habe ich in St. Gallen Wirtschaft studiert. Abgeschlossen. Und wurde Wirtschaftsprüfer in der Allgemeinen Treuhand. Ich sass also genau auf der ‹Gegenseite› – und das hilft jetzt natürlich viel, da ich die Sache mit zwei Optiken betrachten kann.
Zwei, drei Jahre arbeitete ich dann noch für meinen Freund Caspi Stürm in der Pentapharm – dann kam die Anfrage der Familie, ob ich nicht in die Bank eintreten wolle. Das war vor 19 Jahren.»

Und wie ist das mit dem Wandel des Bankier-Images? Letzteres wurde doch in den letzten 20 Jahren arg ramponiert …?
«Stimmt. Das ist wie mit dem Journalisten-Image auch …»
Ausgleichstreffer!
«… aber leider wird bei beiden Images zu wenig differenziert – weder von Politikern noch von Medien und auch nicht in der Bevölkerung. Man kann schliesslich nicht alle Bankiers in denselben Topf werfen.»
Auch nicht alle Journalisten.
«Eben. Aber es braucht Zeit, bis da wieder Vertrauen gewonnen wird …»
Kommt das mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses?
«Nun – das alles war vorauszusehen. Das Bankgeheimnis musste platzen – mit all den Kommunikationsmöglichkeiten von heute ist das programmiert. Jeder weiss alles, erfährt alles, sieht alles. Wir sind total gläserne Bürger geworden. Aber ich bin immer noch der Meinung, dass auch in der Schweiz der Mensch gewisse Privatsphären bewahrt haben will … gerade was das Geld angeht … und in Basel speziell!»
Hat denn die Schweiz als «Bankenland» überhaupt noch eine Chance ohne das Bankgeheimnis?
«Ja klar. Die Leute werden weiterhin ihr Geld hier verwalten lassen. Wir bieten doch eine Superdienstleistung in einem Rechtsstaat mit politischer Stabilität. Das macht das Land dann doch wieder zur interessanten Insel …»
Was ist an dem Gerücht dran, dass man bei euch nur mit einer Million aufkreuzen darf …?
«Das ist Blödsinn. Bei uns ist jeder willkommen – besonders auch junge Menschen, die anlegen wollen. Natürlich können wir bei 10 000 Franken keine Wunder vollbringen. Wir sind ja keine Spielbank, die dann auf Rouge setzt und zockt. Das Geld wird sorgfältig, sehr überlegt angelegt – das gibt dann keine riesigen Erträge …»
Aber wollen nicht gerade die vielen alten Basler Daig-Familien, die bei euch sind, das grosse Geld sehen …?
«Überhaupt nicht. Das ist nicht ihr Stil. Sie zielen nicht darauf ab, dass ihr Vermögen gross anwächst, sondern sie wollen es einfach ‹gesund› an ihre Nachkommen übergeben können.
Das ist auch u n s e r e Philosophie: die Substanz umsichtig verwalten. Um sie an eine neue Generation weitergeben zu können …»

Privat?
Er lacht wieder. «Wir wollen privat nicht auffallen, keine Schlagzeilen, kein Glanz und Gloria – entsprechend leben wir unscheinbar … meine Grossmutter führte noch das ‹Berowergut› – mit Köchinnen und Angestellten. Da hatte man ein grosses Haus. Ich wohne mit meiner Familie in Oberwil – ohne Köchin.»
Und wer kocht?
«Ja hin und wieder auch ich. Gastronomie ist für mich eine grosse Leidenschaft. Das fängt schon beim Einkaufen an. Wenn meine Frau ins Theater geht oder in ein Konzert, koche ich schon mal auch für mich ganz alleine. Nichts Schnelles. Ein schönes Menü. Ich decke mir den Tisch festlich dazu. Und öffne eine gute Flasche. Die Esskultur ist mir sehr wichtig … das ist ein Stück Familiengeschichte!»
Wieder das Lachen: «Wenn mein Vater aus Paris von Geschäftsreisen zurückkam, brachte er stets die neusten Adressen der besten Restaurants mit. Er liebte es, fein zu essen, war berühmt dafür. Meine Tochter führt diese Gourmettradition weiter. Sie ist ebenfalls eine leidenschaftliche Köchin. Sie hat Dominic Beschlé von der Konditorenfamilie geheiratet – und beide gehen im Austüfteln von Leckereien auch beruflich total auf …»
Auch Ehefrau Corinne hat mit Gastronomie zu tun.
«Nun – ihr Vater hat die erste Senf-, später auch die erste Mayo-Tube europaweit fabriziert. Sie ist eine Thomi – entsprechend schluckt mein Schwiegervater immer etwas leer, wenn ich meine Mayo selber mache …»
Joggi La Roche liebt die Jagd.
«Ich ziele im Elsass auf die Wildschweine. Die sind ja dort eine Plage. Aber das Faszinierendste ist sicherlich die Hochgebirgsjagd. Man geht da nicht hin, um zu schiessen. Sondern um zu beobachten, zu sehen, zu bewundern – die Natur, die sich da auftut, ist einzigartig. Und das Erlebnis auch.»
Sport?
«Früher habe ich gerudert. Habe Tennis gespielt – und bin viel gelaufen. Ich muss auch heute noch viel Laufen. Irgendwie ist das ein Ausgleich zum Beruf. Meine Frau spielte dann Golf. Und ich wollte einen Sport, wo ich bei ihr sein konnte. Also golfte ich auch – aber sie ist tausend Mal besser …»
Basel? Die La Roches sind ja sehr mit dieser Stadt verbunden …
«Ja und nein. Wir sind immer herumgereist. Haben unsere Geschäfte überall getätigt. Meine Vorfahren haben sich am Aufbau der Spanischbrötli-Bahn beteiligt. Wir hatten eine Schifffahrtslinie auf dem Rhein – wir waren nicht immer nur in Basel.»
Er überlegt einen Moment.
«Am Tag nach meiner Hochzeit bin ich mit meiner Frau nach Argentinien geflogen. Wir bezogen dort eine Eineinhalb-Zimmer-Wohnung. Ohne Klimaanlage. Und wir lebten ein Jahr lang wirklich von der Hand in den Mund. Das war zu jener Zeit der Inflation sehr schwer. Aber irgendwie hat es uns geholfen, nicht abzuheben und die wirklichen Werte des Lebens zu erkennen – aber auch: Wie wunderbar es ist, in der Schweiz leben zu dürfen. Und eine Stadt wie Basel zu haben – man spürt die Wurzeln nie stärker, als wenn man weit von ihnen entfernt ist …»
Was Joggi La Roche mag
Essen: Wild und Fisch
Getränk: Italienische Weine
Verabscheut
Schlagzeilen – und Randen

Samstag, 22. Juni 2013